Hamburg. Die Finderin aus Australien brachte die Flaschenpost für einen Tag an den Ort zurück, wo deren Reise begann – nach Hamburg.

Sie ist einmal um die ganze Welt gereist – 132 Jahre lang war sie unterwegs: die Flaschenpost, die am längsten bis zu ihrem Empfänger brauchte. Im Jahr 1886 wurde sie von Bord des deutschen Forschungsschiffs „Paula“ in den Indischen Ozean geworfen. Im Januar dieses Jahres fand die Aus­tralierin Tonya Illman sie an der australischen Westküste und brachte sie am Dienstag für einen Tag an den Ort, von dem aus die Reise der Flasche einst begann: nach Hamburg.

Tonya Illman und ihr Mann Kym präsentierten die Flasche im Kontext der Ausstellung „Über Wasser – Unter Wasser – 150 Jahre Maritime Dienste“ im Internationalen Maritimen Museum in der Hafencity. „Das ist ein ganz toller Zufall, dass die Flaschenpost gerade in unserem Jubiläumsjahr gefunden wurde“, sagte Martina Plettendorff, Leiterin der Fachbibliothek und Flaschenpostsammlung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) bei der Präsentation. Holger von Neuhoff vom Internationalen Maritimen Museum sprach von einem „Momentum der Geschichte“.

Erst dachte die Finderin, die Flaschenpost sei bloß Müll

Doch wie kam es zu diesem spektakulären Fund? Am 21. Januar war Tonya Illman mit ihrer Familie am Strand von Wedge Island, rund 180 Kilometer nördlich von Perth, unterwegs als sie die Flasche bemerkte.

„Zuerst dachte ich, es sei Müll. Ich habe sie aufgehoben, um den Strand zu säubern“, erzählt Illman. Weil die Flasche jedoch so schön aussah, entschloss sie sich, sie mitzunehmen. „Ich dachte, die würde gut in mein Bücherregal passen.“ Als die Freundin des Sohnes den Sand herausschütteln wollte, fiel ein eingerollter Zettel heraus. „Da das Papier feucht war, haben wir es mit nach Hause genommen und im Ofen getrocknet“, sagt Illman. „Die Museumsmitarbeiter waren entsetzt“, fügt sie hinzu und lacht.

1886 wurde die Flaschenpost über Bord geworfen

Als sich zum ersten Mal der Inhalt des Zettels offenbarte, stockte dem Paar für einen Moment der Atem. Es handelte sich um ein Formular in deutscher Sprache mit einer sehr verblichenen Handschrift. Das eingetragene Datum ließ eine 18 vermuten. „Wir konnten nicht glauben, dass die Flasche wirklich so alt ist“, sagt Kym Illman. Das Paar kontaktierte das BSH und wandte sich an das Western Aus­tralian Museum unweit seines Wohnortes Perth. „Drei Wochen hat es gedauert, bis wir erfahren haben, dass die Flasche echt ist“, sagte Kym Illman. „Die Zeit war nervenaufreibend.“

Der Beweis: Die Handschrift auf dem Zettel aus der Flaschenpost stimmte mit der des Kapitäns der Bark Paula überein. Dieser hatte am 12. Juni 1886 im Bordbuch vermerkt: „Stromflasche über Bord“. Auch die Koordinaten des Abwurfs, etwa 900 Kilometer vom Fundort entfernt, passen zur Route der Paula. Das Papier und die Flasche wurden von Experten ebenfalls auf die damalige Zeit datiert. „Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als wir endlich Gewissheit hatten“, sagt Kym Illman.

Erstaunlich gut erhalten – selbst ohne Korken

Erstaunlich ist, dass die Flasche – eine Genever oder Gin-Flasche aus den Niederlanden – so gut erhalten ist. Bis auf eine kleine Abplatzung am Hals ist sie intakt. Verkorkt war sie zum Zeitpunkt des Fundes nicht. Da die gedruckte Schrift noch einwandfrei lesbar ist, gingen die Experten des Western Australian Museums davon aus, dass die Flasche nicht länger als ein Jahr im Wasser trieb, so Tonya Illman.

Martina Plettendorff vom BSH sagt: „Wahrscheinlich lag die Flasche an einem licht- und wettergeschützten Platz. Vermutlich unter einer hohen Sanddüne.“

Die Flaschenpost flog First Class nach Hamburg

Dass die Flaschenpost der Hansestadt einen Besuch abstattete, liegt am Inhalt der Botschaft: „Der Finder wird ersucht den darin befindlichen Zettel, nachdem die auf umstehender Seite gewünschten Angaben vervollständigt sind, an die Deutsche Seewarte in Hamburg zu senden oder auch an das nächste Konsulat zur Beförderung an jene Behörde abzugeben“, heißt es unter anderem in der Flaschenpost.

Zusammen mit dem Bordbuch sei „das Puzzle nun wieder komplett“, sagt Kym Illman gerührt. Wie transportiert man eine so wertvolle Fracht? „Auf einem eigenen Platz in der First Class“, sagt Tonya Illman und lacht. „In einem speziellen Hartschalenkoffer.“

662 von bis zu 8000 Botschaften sind angekommen

Zwischen 1864 und 1933 wurden 6000 bis 8000 Flaschen in wissenschaftlichem Auftrag ins Meer geworfen. Die Forscher erhofften sich auf diese Weise Erkenntnisse über die Meeresströmungen zu gewinnen. „1898 waren bereits 600 Dokumente zurückgeschickt“, sagt Fachbibliotheksleiterin Plettendorff. Die Sammlung des BSH umfasst heute 662 Dokumente, die noch bis zum 31. August im Maritimen Museum zu sehen sein werden – Zusammen mit der ältesten Flaschenpost, die 1864 über Bord ging.

Die am längsten gereiste Flaschenpost ist nach ihrer eintägigen Stippvisite in der Hansestadt bereits weitergezogen. Bis 2020 wird sie im Western Australian Museum ausgestellt. Doch die Illmans versprachen: „Wir werden mit der Flaschenpost wiederkommen.“