Hamburg. Der Klassiker Waalkes gehört längst zum Komiker-Adel der Deutschen. Wir trafen ihn – und gratulieren einem Komik-Giganten.
Vielleicht ist die zweite Erwähnung Udo Lindenbergs eine zu viel. Oder eben genau richtig und sehr willkommen. Otto Waalkes kann jetzt jedenfalls endlich aufstehen und, der ungeliebten Pflicht entbunden, still zu sitzen, so gehen, wie nur er geht. Na ja, der Otto-Gang ist eher ein Hopsen als ein Gehen, Känguru-Style halt. Otto hoppelt nun also durch die alte Spiegel-Kantine, vorbei an 70er-Jahre-Design vom Allerschönsten, und er ist dabei sehr dynamisch, der gerade-noch-69-Jährige.
Er will das auch unbedingt sein, dynamisch und beweglich, denn er muss auf ihm eigene Weise klarstellen: Der alte Rockerrecke Lindenberg, 72 Jahre ist er alt, mag sich im soundsovielten Frühling befinden, aber mal ganz und gar (nicht) im Ernst – ist das wirklich so beeindruckend, was der auf der Bühne macht? Immer nur von vorne nach hinten staksen, von links nach rechts? Dabei mit den Armen irgendwie ekstatisch ins Publikum deutend. Oder die Arme einfach nur im Beat schüttelnd. „Da sieht man höchstens, dass er mal Schlagzeuger war“, sagt Otto. Dabei grinst er wie der Schelm, der er ist.
Waalkes und Lindenberg
Es wird schon nicht böse gemeint sein, wie denn auch: Waalkes und Lindenberg? Ganz alte Bekannte. Haben in der sogenannten Villa Kunterbunt in Hamburg-Winterhude auch mal zusammengewohnt. Lange her, die wilden 70er. Jetzt ist Waalkes, den wir im Museum für Kunst und Gewerbe treffen, dort, wo sie die legendäre Spiegelkantine wieder aufgebaut haben, jenes Stilrelikt aus fernen Zeiten, jetzt ist Waalkes also quasi selbst schon in seinen 70ern.
„Worum soll es eigentlich gehen?“, fragt er am Beginn des Interviews, und die angebliche Unwissenheit kann natürlich nur Pose sein. Tja, worum soll es wohl gehen? Um Otto, das Phänomen, um den runden Geburtstag am Sonntag, um mehr als 50 Jahre Dienst auf der Bühne, um den deutschen Humor, um all das, was immer noch den Ehrentitel „Nonsense“ tragen darf, Mensch!
Es gibt eine Regel, die man befolgen sollte, wenn man Waalkes, den KomikSuperstar, interviewt. Man sollte nicht versuchen, selbst lustig zu sein. Otto, der mit voller Absicht vieles nur daher- nuschelt, spricht später von humoristisch allzu bemühten Fernsehmoderatoren und der Schwierigkeit, einen Dialog zustande zu bringen, wenn das journalistische Gegenüber nur am Witzeln ist, „da geht dann jeglicher Charme solch eines Gesprächs verloren“.
Otto Waalkes, der Mann, der einst die Dänen besang, die nie lügen, und mit seinen auf Wortwitz und Sprachspielen beruhenden Gags Millionen zum Lachen brachte, war immer lustiger als sein Publikum. Er war lustiger als der Durchschnitt. Er war derjenige, der einer notorisch als humorlos verschrienen Nation Jux und Blödelei einbimste. Er habe, so hat er es schon manches Mal erzählt und tut es jetzt wieder, einst bei seinen ersten Auftritten in „Danny’s Pan“, einem Musikladen in Hammerbrook, die Leute nicht mit seinen Liedern unterhalten, sondern damit, dass er ständig den Mikrofonständer fallen ließ. So wurde aus dem mittelmäßigen Musiker Waalkes der grandiose Komödiant Otto. So wurde aus dem Sohn eines Malermeisters am nordwestlichen Ende Deutschlands der berühmteste Ostfriese der Welt.
Vater hatte ein Harmoniebedürfnis
Der Vater hatte ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis, etwas, was sich auf den Sohn übertrug. Harmlos ist Otto sicher nie gewesen (aber manchmal kann ihm kein Witz flach genug sein), sondern von hintenrum durchaus auch subversiv. Aber ein Provokateur war er halt nie, obwohl sein Hang zum sexuell konnotierten Gag zumindest in eine Richtung voll nach vorne und mutig war.
Die Mutter des Otto Waalkes war sehr religiös und musste gewahren, dass ihr Spross nicht nur den Beruf des Unterhalters ergriff, sondern als solcher auch eine spezielle Meisterschaft in der Disziplin „Pimmelwitze“ erlangte. Sind Sie eigentlich stolz auf den von Ihnen erfundenen Begriff „Schniedelwutz“, Herr Waalkes?
Zumindest, sagt dieser, „müssen wir den Duden mal darauf hinweisen, dass ‘Herkunft ungeklärt’ keineswegs stimmt“. Geistiges Urheberrecht und so, da kennt auch der Humorist kein Pardon. Wobei man, um auf den Unterschied zwischen ulkendem und ernsthaftem Sprechen zurückzukommen, im Otto-Falle aufpassen muss, weder in die Ernsthaftigkeits- noch in die Lachfalle zu tappen. Man ist zwar einerseits in seiner Gegenwart sowieso automatisch immer lachbereit, muss jedoch andererseits anerkennen, dass auch Kalauergiganten ein Recht auf todernste Aussagen haben. Darauf ein Hollahahidi.
Heinz Erhardt eines seiner Vorbilder
Was den eigenen Erfindungsreichtum angeht, hat Waalkes übrigens erst kürzlich einen umfassenden Bericht abgelegt. Also solchen kann man seine zur „Ottobiografie“ (natürlich!) umgewidmete Autobiografie (erschienen im Heyne-Verlag) auch beschreiben. In der nimmt sich dieser Bühnenpraktiker, der bislang nicht unbedingt als großer Theoretiker auffällig geworden ist, viel Zeit dafür, das Erbe zu erläutern, das er mit seiner Unterhaltungskunst angetreten ist. Da wäre vor allem Heinz Erhardt zu nennen, dessen verdrehte Wortkombinationen und aufgebrochene Redewendungen die Vorbilder für Ottos groß angelegte Nonsense-Attacke waren, mit der er in den 70er-Jahren die Schallplattencharts anführte und die Hallen füllte.
Otto Waalkes, der Chaplin- und Valentin-Verehrer, der Groucho-Marx-Fan (Grouchos Mutter: eine Ostfriesin!), beschreibt in „Kleinhirn an alle“, wie seine Memoiren nach einer seiner Gagzeilen heißen, auch ausführlich, wie er, seine Karriere war gerade in Gang gekommen, bereits früh auf den Schwarmwitz der Satiriker Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Pit Knorr vertraute. Die entstammten der sogenannten Neuen Frankfurter Schule, die in den 70er-Jahren den Goldstandard deutschen Satireschaffens setzte. Er hat also nie alles selbst geschrieben, und Bernd Eilert, der bis heute an seiner Seite ist, dürfte auch seinen Teil zum Buch beigesteuert haben. Bernd Eilert, 1949 in Oldenburg geboren, ist übrigens mit ins MKG gekommen. Es scheint ganz so, als habe Otto Waalkes einfach grundsätzlich gerne die Gesellschaft seines Gag-mäßigen Schatten-Ichs. Auch im Interview spielt er Gedanken-Ping-Pong mit Eilert.
„Ich habe immerzu geübt"
Der muss Otto mittlerweile so gut kennen wie der sich selbst, und so dürfte ihn Waalkes’ Aussage, wonach dem eigentlich egal gewesen sei, dass Musiker mehr Sex-Appeal als Komiker haben, nicht neu gewesen sein. Mädchen, sagt Waalkes unter dem gleichwohl milde interessierten Blick Eilerts, hätten ihn nicht so interessiert wie das Gitarrespielen, „ich habe immerzu geübt“. Wobei das Signalwort vielleicht „Spielen“ ist, denn das passt gut zu diesem auch 70-jährig noch zappelig wie ein Kind wirkenden Mann. Dieser Mann ist freilich auch ein Anwalt der Komik.
Mit dem Humoransatz als einem, der die Welt genauso aufschließt wie der heilige Ernst, und dem im Hinblick auf die Standard-Vokabel „blödeln“ einfallen könnte, dass schließlich niemand darauf käme, jemals die Verniedlichung „ernsteln“ anzubringen. „Der Blödelbegriff“, sagt Otto Waalkes geistreich, „wurde einfach nicht ernst genommen“. Die Mutter, zuerst vom sündigen Tun des Sohnes noch erschrocken, sagte damals übrigens, als das Tun des jungen Otto plötzlich in aller Munde war: „Mach so weiter, mein Junge.“ Da hatte Waalkes den Eltern gerade ein Haus gekauft.
Es wird oft moniert, er mache, wo immer man auf ihn treffe, stets dieselben alten Witze. Dazu sei angemerkt: Bei Otto Waalkes haben wir immer nicht nur darüber gelacht, was er sagte, sondern wie er es sagte. Ist es nicht so, dass dieser windschnittige Norddeutsche, dem der Schalk aus jeder Pore spricht, auch als phänotypischer Klassiker jedes Recht auf Wiederholung hat? Wollen wir das nicht genau so haben: Otto, wie er immer wieder total bekloppten Sprachunterricht gibt („I am hungry – ich bin Ungar! And I am thirsty – ich bin Donnerstag!“) und Otto, wie er keiner Verballhornung aus dem Wege geht. Otto Waalkes ist heute, wie jeder Entertainer, der seit Jahrzehnten die Leute unterhält, eine Nostalgiefachkraft. Man bekommt in einer Otto-Show exakt das, was man bestellt hat. Currywurst schmeckt ja auch immer gut.
Lindenberg brachte ihn um Schlaf
Waalkes, dessen ersten „Otto“-Film in West- und Ostdeutschland Mitte der 80er-Jahre fast 15 Millionen Zuschauer sahen, legt allerdings Wert auf die Feststellung, immer wieder jüngere Fans dazugewonnen zu haben, zum Beispiel mit den „7 Zwerge“-Filmen. Otto Waalkes schätzt sein Publikum, er hat, wie er in seiner Autobiografie unmissverständlich schreibt, es nie für sinnvoll gehalten, dieses Publikum zu überfordern. Andererseits ist das Publikum immer auch Mittel zum Zweck gewesen: Die Fans, sagt er, sind sein Stimmungsbarometer. Sie beglaubigen seine Witzpower immer aufs Neue.
Waalkes fing Mitte der 70er-Jahre an, Ottifanten zu zeichnen. Und er studierte einst in Hamburg Kunstpädagogik. Eigentlich ist er also Lehrer, ein Umstand, auf den er gerne hinweist; allerdings war es ja so, dass er fürs reine Kunststudium nicht zugelassen wurde. Man kann sich Otto Waalkes natürlich immer nur als Freigeist denken, ganz bestimmt nicht als Pauker.
Das Multitalent Waalkes hat in seiner langen Karriere immer wieder zum Pinsel gegriffen. Das Showgeschäft mit seinen Gesetzen, Aufgeregtheiten und Personal (Agenten! Moderatoren! Anwälte! Ratgeber, selbst ernannte!) geht ihm schon länger auf die Nerven. Vielleicht habe er deshalb zuletzt angefangen, wieder mehr zu malen. Vor allem selbstironische Selbstporträts, aber auch andere satirische Bilder mit popkulturellen Motiven. In Frankfurt läuft gerade eine Ausstellung seines malerischen Werks. Im September kommt diese, noch ein wenig erweitert, nach Hamburg ins MKG: ein Heimspiel also.
Legendärer Ottifanten-Dompteur
Otto Waalkes hat übrigens, wir befinden uns immer noch in eben jenem MKG, Hunger. Die Schokolade bleibt anders als das zum Interview gereichte Obst nicht unangetastet, aber er muss dann doch gleich mal los, was Richtiges essen, gemeinsam mit Eilert. Auf Aufforderung berichtet er vorher noch von der berühmten Künstler-WG. Lindenberg, Westernhagen, Waalkes, drei ganz Große der Unterhaltungsbranche.
Es ist nicht selten vorgekommen, dass Lindenberg, der Trommler, nachts um vier noch das dringende Bedürfnis verspürte, ein wenig Schlagzeug zu spielen. Und Westernhagen machte dann eben auch noch ein wenig Musik, womit dem verständlicherweise nach Schlaf und Ruhe und Erholung gierenden Waalkes nichts anderes einfiel, als laut und vernehmlich Silencio zu fordern. „Schnauze“ rief also Otto Waalkes.
Er selbst, der von Generationen von Standup-Comedians und Komikern verehrte Viel- und Schnellsprecher, hat seine Schnauze auf der Bühne zumindest nie gehalten, ein Glück – für ein Land, das bis heute mit ihm und über ihn lacht, den legendären Ottifanten-Dompteur und ewigen Friesenjung.
Danke für die lustigen Stunden, Otto Waalkes, und: Alles Gute zum 70.!
Otto & Die Friesenjungs treten am 3. August beim Wacken Open Air auf.