Hamburg. Die bis 1979 geltende Richtlinie, die zu Berufsverboten führte, war ein „unrühmliches Kapitel in der Geschichte Hamburgs“.
Es ist ein fast vergessenes Kapitel der alten Bundesrepublik: Im Zuge des sogenannten Radikalenerlasses, der Extremisten aus dem Staatsdienst fernhalten sollte, wurden in den 70er-Jahren bundesweit rund 11.000 Berufsverbotsverfahren durchgeführt, 1250 Bewerber für den öffentlichen Dienst abgelehnt und 265 Männer und Frauen entlassen. Die Fraktionen von SPD und Grünen bedauern in einem gemeinsamen Bürgerschaftsantrag die Folgen des Radikalenerlasses und wollen die Auswirkungen für Hamburg nun historisch untersuchen lassen.
Im Kern ging es darum, „Personen, die nicht die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten“, aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten oder zu entlassen. So war es im Radikalenerlass vom 28. Januar 1972 formuliert, den die Ministerpräsidenten der Länder mit der Unterzeichnung des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD) beschlossen.
Regelanfrage beim Verfassungsschutz
Die Folge war für alle Bewerber im öffentlichen Dienst eine sogenannte Regelanfrage beim Verfassungsschutz, die die politische Zuverlässigkeit klären sollte. Ins Visier gerieten Lehrer, Sozialarbeiter, Lokomotivführer und Briefträger vor allem aus dem linken Spektrum. Hamburg war Vorreiter beim Radikalenerlass: Der damalige Erste Bürgermeister Peter Schulz (SPD) hatte bereits am 28. November 1971 den sogenannten Hamburger Erlass in Kraft gesetzt, der gewissermaßen die Blaupause für die bundesweite Regelung war.
„Unser Antrag ist ein Beitrag zur überfälligen Aufarbeitung der Schicksale all jener Menschen, die von Berufsverboten betroffen waren. Und er dient ihrer politischen und gesellschaftlichen Rehabilitierung“, sagte Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Der Erlass sei eine Verletzung wichtiger Grundrechte gewesen und habe das politische Klima über Jahre belastet.
Besonderer historischer Kontext
„Auch wenn wir den besonderen historischen Kontext des RAF-Terrors in den 70er-Jahren berücksichtigen, müssen wir heute sagen, dass die Umsetzung des Radikalenerlasses in vielen Fällen ein schwerwiegender und oft nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen war“, sagte der SPD-Justizpolitiker Urs Tabbert, der den Erlass als „unrühmliches Kapitel in der Geschichte Hamburgs“ bezeichnete.
Hamburg hob die Richtlinie 1979 auf Betreiben des damaligen Ersten Bürgermeisters Hans-Ulrich Klose (SPD) als erstes Bundesland wieder auf. „Lieber stelle ich 20 Kommunisten ein, als dass ich 200.000 junge Menschen verunsichere“, sagte Klose damals.