HAmburg. Innensenator Andy Grote (SPD) spricht von einer „großen Herausforderung“ bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2017

    „Unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung mangelt es nicht an Gegnern“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) am Donnerstag bei der Vorstellung des Ver-fassungsschutzberichts. 2017 sei kein einfaches Jahr gewesen. Die Kriminalität extremistischer Bewegungen werde intensiver. Vor allem die islamistische Szene stelle eine große Herausforderung für das Landesamt für Verfassungsschutz dar. „Die Beobachtung des islamistisch-salafistischen Extremismus bleibt ein Schwerpunkt der Arbeit unseres Verfassungsschutzes. Dabei werden die Herausforderungen für alle Sicherheitsbehörden komplexer“, sagte Grote.

    Die Zahl der Islamisten ist laut Verfassungsschutz deutlich gestiegen: 2017 waren es 1565, im Jahr davor nur 1355 Personen. Auch die Zahl der Islamisten, die dem salafistischen Spektrum zugerechnet werden, stieg von 670 auf 780. Unter den Salafisten waren 2017 mehr als 400 Dschihadisten (2016: 320). Die Anhänger des militanten Dschihad werden als gewaltorientiert eingestuft.

    „Wir haben es mit neuen Tätertypen zu tun, wie der Mord in Barmbek zeigt“, sagte Grote. Am 28. Juli 2017 ermordete Ahmad A. in einem Barmbeker Supermarkt einen Mann mit einem Messer und verletzte sechs weitere Personen zum Teil lebensgefährlich. Am 1. März wurde der Palästinenser vom Hanseatischen Oberlandesgericht zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. „Ein in vielen Aspekten atypisch gelagerter Fall“, sagte Grote. Denn: Bis heute bekannte sich der „Islamische Staat“ nicht zu dieser Tat. Der Täter bezeichnete sich bei der Vernehmung jedoch selbst als „Terrorist“ und ist nach Ansicht des Geheimdienstes dem islamistischen Spektrum zuzuordnen. Dieser neue Tätertyp sei nicht „klassisch radikalisiert“, sagte der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Torsten Voß. Er gehe von einer psychischen Instabilität aus, in der die Religion als Ausrede vorgeschoben werde.

    Linksextremistische Straftaten fast verzehnfacht

    Dem Bericht zufolge kehrte nach derzeitigen Erkenntnissen etwa ein Drittel der insgesamt gut 80 radikalisierten Islamisten, die in den vergangenen Jahren aus dem Großraum Hamburg in Bürgerkriegsgebiete ausgereist waren, zurück – darunter drei Frauen. Erkenntnisse darüber, ob die Rückkehrer an Waffen oder Sprengstoff ausgebildet wurden und an Kampfhandlungen teilgenommen haben, liegen nicht vor.

    Auch die Zahl der linksextremistischen Straftaten ist 2017 deutlich gestiegen – vor allem wegen des G-20-Gipfels: von 165 (2016) auf 1625. Allein die Zahl der linksextremistischen Gewaltdelikte stieg 2017 auf 1038 Taten (2016: 185).

    „Die von militanten linksextremistischen Straftätern verübten und von einem Umfeld zumindest geduldeten Ausschreitungen während des G-20-Gipfels haben einmal mehr gezeigt: Der Linksextremismus ist nach wie vor eine große Gefahr“, sagte Grote. Bezogen auf die Zukunft des linksautonomen Zen­trums Rote Flora sagte er, dass es „ganz unterschiedliche Handlungsoptionen“ gebe. „Das hängt sehr davon ab, wie sich die Flora künftig verhält.“

    Der Senator betonte jedoch: „Wenn ich von Handlungsoptionen spreche, meine ich, dass wir als Staat natürlich immer handlungsfähig sein müssen – und das sind wir auch im Hinblick auf die Flora. Das ist kein rechtsfreier Raum.“ Es dürfe dennoch nicht der Fehler gemacht werden, sich bei der Diskussion um militante linksextremistische Strukturen in Hamburg einseitig auf die Rote Flora zu fokussieren. Die Ereignisse rund um den G-20-Gipfel hätten auch gezeigt, dass die Interventionistische Linke und der Rote Aufbau ein hohes Gefahrenpotenzial besäßen.

    Obwohl die Zahl der Rechtsextremisten in Hamburg mit 320 konstant geblieben ist, seien Personen im Umfeld der sogenannten „Merkel muss weg“-Demonstrationen neu dazugekommen, so Grote. Unter den Organisatoren dieser Kampagne befinden sich laut Verfassungsschutz mehrere Rechtsextremisten. Davor sei vom Landesamt frühzeitig gewarnt worden, sagte Grote. So hätte jeder, der dort mitmarschiert, wissen können, „mit rechtsextremistischen Organisatoren gemeinsame Sache zu machen“.

    Mehr als 20 Stellen zusätzlich für den Verfassungsschutz

    Um den wachsenden Herausforderungen zu begegnen, werde der Senat den Verfassungsschutz von rund 180 auf mehr als 200 Stellen aufstocken, kündigte Grote gestern an und sprach von einem „absoluten Sicherheitsgewinn für die Menschen in Hamburg“.

    Der FDP-Innenexperte Carl Jarchow betonte, dass der Verfassungsschutzbericht auf „deutliche pro-iranische Aktivitäten des Islamischen Zen­trums Hamburg (IZH)“ hinweise. „Das IZH ist mittelbarer Partner Hamburgs beim Staatsvertrag mit der muslimischen Gemeinde“, sagte Jarchow und fügte hinzu: „Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das IZH kein guter Partner für unsere Stadt ist.“

    Dirk Nockemann (AfD) sagte zum Thema Rote Flora: „Der Staat kapituliert vor linker Gewalt.“ Der CDU-Innenexperte Dennis Gladiator stellte fest: „Die Bekämpfung jeglichen Extremismus bleibt eine der größten Herausforderungen für unsere Sicherheitsbehörden.“ Er forderte, die zusätzlichen Stellen im Verfassungsschutz umgehend zu besetzen, um die Gefahr weiterer Terroranschläge bestmöglich einzudämmen.

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