Farnborough/Hamburg. 400 neue Flugzeuge bestellt. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen rund um Airbus und nennt auch die Problem-Jets.
Für Airbus läuft es zum Start der Luftfahrtmesse Farnborough International Air-show rund. Seit zwei Tagen trifft sich die Branche rund 50 Kilometer südlich von London. Und der europäische Flugzeugbauer meldet Auftrag um Auftrag. Der Höhepunkt am Dienstag: Ein ungenannter Kunde unterzeichnete eine Absichtserklärung für 100 Maschinen der A320-Familie. Allein das Abkommen ist nach Listenpreisen 11,5 Milliarden Dollar wert (9,8 Milliarden Euro) – allerdings sind hohe Rabatte üblich. Insgesamt veröffentlichte Airbus in den vergangenen 48 Stunden Bestellungen von rund 400 Flugzeugen – das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Welche Flieger sind Verkaufsschlager?
„Der A320 ist und bleibt der Brot- und Butterflieger für Airbus“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Eine gute Nachricht für das Werk auf Finkenwerder mit 12.500 Beschäftigten. Schließlich wird mehr als jeder zweite der Mittelstreckenflieger an der Elbe endmontiert. Zudem werden dort die Bausätze für die Standorte Tianjin und Mobile gepackt, die über den Hafen nach China und in die USA verschifft werden. Die Produktion der A320-Familie wird hochgefahren. Mitte 2019 soll die Fertigungsrate konzernweit von gut 50 auf 60 Maschinen pro Monat steigen. Hamburg hat eine vierte Endmontagelinie erhalten, die vor wenigen Wochen offiziell eingeweiht wurde.
Zum Verkaufsschlager macht den A320 die neo-Version. Durch nach oben gebogene Flügelspitzen und neue Triebwerke sinkt der Treibstoffverbrauch um rund 15 Prozent. Boeings Konkurrenzmodell 737 MAX, das ebenfalls weniger Sprit verbraucht, hat die Reihe mit einem Marktanteil von 60 zu 40 Prozent klar ausgestochen. Airbus hat mehr als 6000 Maschinen der A320-Familie in den Auftragsbüchern. Die Produktion ist auf knapp zehn Jahre ausgelastet. In Farnborough kamen etwa 300 Neubestellungen für den Typ hinzu. „Die Anzahl der jüngsten Auftragseingänge für die A320-Familie ist beeindruckend“, sagt Großbongardt.
80.000 Besucher werden erwartet
Viel hält der Experte auch vom jüngsten Airbus-Mitglied. Vom kanadischen Unternehmen Bombardier erwarben die Europäer die Mehrheit an der C-Series und vermarkten sie nun als A220. „Das ist ein modernes, technisch hervorragendes Flugzeug und hat eine sehr große Zukunft.“ Das Programm habe Potenzial für mindestens 1500 Bestellungen. Vor allem für den afrikanischen Markt und Schwellenländer sei der bis zu 160 Personen fassende Flieger mit 6000 Kilometern Reichweite ideal. Am Dienstag kam eine große Order aus den USA. Eine neu gegründete US-Airline verpflichtete sich, 60 Maschinen zu kaufen, die ab 2021 geliefert werden.
„Airbus liegt im Kurz- und Mittelstreckenbereich vorn“, analysiert Großbongardt, „Boeing hingegen bei den Großraumjets für die Langstrecke.“ Der 787-Dreamliner und die 777 liefen sehr gut. So bestellte die Deutsche Post am Montag 14 neue Maschinen der 777. Bezüglich der Frachtkapazität von 100 Tonnen Zuladung gebe es kein vergleichbares Airbus-Modell.
Welche Jets sind Problemflieger?
Die Flaggschiffe 747 und A380 verkaufen sich schleppend. „Wieder kein Lebenszeichen“, fasst Großbongardt die ersten Messetage für die größten Flugzeuge zusammen. Boeings 747 sei in der Passagierversion praktisch tot. Für den Frachter gibt es noch Aufträge, allerdings ist die Produktionsrate mit sechs Stück pro Jahr auch sehr gering. Boeing erwägt ein Einstellen der Produktion.
Beim A380 ist das erst einmal abgewendet. Hauptkunde Emirates bestellte im Januar 20 neue Maschinen, im Gegenzug sicherte Airbus die Produktion bis in die Mitte der 2020er zu. Gespräche mit potenziellen Kunden gibt es ernsthaft wohl nur mit British Airways. Die Briten könnten das größte Passagierflugzeug der Welt gebrauchen, weil die Start- und Landeslots in London-Heathrow immer enger werden. Zum Abschluss kam es aber bisher nicht. Bei Vierstrahlern wie A380 und 747 sind die Betriebskosten höher als bei Zweistrahlern wie der 787 und 777 oder dem A350, für den Airbus am Dienstag eine Kaufzusage über acht weitere Jets erhielt. Für den A380 ruhen die Hoffnungen auf China – Großbongardt glaubt nicht daran: „Ich sehe keinen Run aus China auf den A380.“ Bisher fliegen dort gerade fünf Stück für China Southern.
Welche neuen Jets sind geplant?
In der Branche wurde erwartet, dass Boeing in Farnborough ein neues Flugzeug vorstellt. Spekuliert wird über einen Großraumflieger für 220 bis 250 Fluggäste mit etwa 10.000 Kilometer Reichweite. Der US-Hersteller verschob aber die Entscheidung. Großbongardt: „Ich glaube, so eine Maschine wird kommen, vielleicht aber erst 2020 verkündet werden.“ Auf den Markt käme sie frühestens 2025. Fraglich bleibe, ob die Nachfrage für sie hoch genug ist. Bei Airbus wird über einen Nachfolger der A320-Familie spekuliert. Schließlich ist das Flugzeug in den 80er-Jahren konstruiert worden. Durch die neuen Triebwerke sei aber Druck rausgenommen worden, sagt Großbongardt: „Es wird frühestens in fünf Jahren an die Entwicklung gehen, die Maschine dürfte nicht vor 2030 auf den Markt kommen.“
Airbus oder Boeing – wer liegt vorn?
Zum Halbjahr lag Boeing klar vorn. Die US-Amerikaner lieferten in den ersten sechs Monaten des Jahres 378 Maschinen aus und erhielten 460 Nettoneubestellungen. Airbus übergab bis Ende Juni 303 Flugzeuge an Kunden und erhielt unter Strich neue Aufträge für 206 Jets. Allerdings dürften die Europäer nach der Auftragsflut von Farnborough aufgeholt haben. Boeing punktete vor allem mit einer Festbestellung des Flugzeugfinanzierers Air Lease Corporation über drei Dreamliner und 20 737 MAX, für die zudem 55 Reservierungen vereinbart wurden. Die russische Airline Cargologic will 29 Frachter der 777 kaufen.
Bei den Auslieferungen dürfte es eng werden. Ende Juni standen etwa 100 „Glider“ auf dem Werksgelände in Hamburg und Toulouse. Die A320-Jets sind fertig gebaut, können aber nicht ausgeliefert werden, weil die Triebwerkshersteller mal wieder Lieferprobleme haben. Die Prognose von 800 Auslieferungen bekräftigte Airbus jüngst, Boeing will sogar 20 mehr an die Kunden bringen. „Bei Auslieferungen wird Boeing 2018 die Nase vorn haben, bei Bestellungen wird Airbus vorn liegen“, sagt Großbongardt. Viel Potenzial sieht er noch bei dem neuen A220.
Wie reagiert die Börse?
Beide Aktien laufen sehr gut. Die Boeing-Titel notierten bei gut 300 Euro nahe dem Rekordhoch und haben sich seit 2014 etwa verdreifacht. Bei Airbus ist die Entwicklung ähnlich. Ende 2014 notierte das Papier bei rund 41 Euro. Am Dienstag stand es mit 108,16 Euro so hoch wie nie. Der Flugzeugbauer habe in Farnborough eine ordentliche Zahl neuer Aufträge erhalten, so das Analysehaus Jefferies. Die Einschätzung wurde auf „Kaufen“ belassen, der faire Wert wird bei 110 Euro gesehen. Optimistischer ist die DZ Bank, die ebenfalls zum Kauf der Aktie rät. Sie hob das Kursziel von 116 auf 126 Euro an. Das Geldhaus erwartet nach schwachem Jahresstart ein deutlich besseres operatives Ergebnis – die Zahlen fürs zweite Quartal legt der Konzern am 26. Juli vor.