Waltraud Göttsch: Ich war zur Zeit der Angriffe 16 Jahre alt und wohnte mit meinen Eltern am Mühlendamm 53 in Hohenfelde. Ich hatte auch einen Bruder, der aber eingezogen wurde und später in Stalingrad vermisst worden ist.
Während der Angriffe im Juli sind wir in einen Luftschutzkeller gegenüber des Jasper-Hauses gegangen, einen Backsteinbau. Zu der Zeit war ich gerade in meiner kaufmännischen Ausbildung, die ich 1942 begonnen hatte. Zudem besuchte ich mehrere Abende die Woche eine Abendschule, um meine mittlere Reife nachzumachen. Ich hatte nur einen Hauptschulabschluss. Mein Vater stellte mir dann ein kleines Tischchen in den Bunker, sodass ich Hausaufgaben machen konnte.
An einem Morgen ging ich die Hammer Landstraße entlang. Ich hatte in der Nacht zuvor bei einer Freundin übernachtet. Ich stieß hie und da mit dem Fuß an Körper, so viele Leichen lagen auf den Straßen herum. Ich fragte mich, woher all diese Kinder kommen. Als ich hinsah, merkte ich aber, dass es keine Kinder waren, sondern Phosphorleichen, die durch die Hitze zusammengeschrumpft waren.
Ich war jeden Morgen überrascht, wenn es in der Nacht mal keine Angriffe gegeben hatte – trotzdem habe ich die Dinge rückblickend als viel schrecklicher wahrgenommen als während des Krieges. Ich bin ja sozusagen in den Krieg hineingewachsen, es war Teil der Normalität für mich.