Hamburg. Tausende Hamburger Mütter suchen vergeblich Wochenbettbetreuung. Asklepios reagiert auf Problem und bildet Fachkräfte aus.
Katharina Wagner (Name geändert) aus Eimsbüttel ist verzweifelt. Die 37-Jährige sucht dringend eine Hebamme. Ihr geht es wie vielen anderen Schwangeren in Hamburg, die sich erfolglos um eine Betreuung nach der Geburt bemühen. Sie hat bereits an die 60 Hebammen kontaktiert, aber alle haben abgelehnt. „Sie waren alle sehr freundlich und haben das bedauert“, sagt Wagner. Ihre Suche ist besonders schwierig, weil der errechnete Geburtstermin für das Kind kurz vor Weihnachten liegt. Viele Hebammen haben selbst Kinder und wollen dann gern Zeit mit ihrer Familie verbringen.
Was die Suche für werdende Mütter zusätzlich erschwert: 2018 könnte ein Jahr der Rekorde werden, denn bereits im ersten Halbjahr wurden in den Hamburger Kliniken und dem Geburtshaus 12.668 Kinder geboren und damit 330 Kinder mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
AOK-Report analysiert Situation werdender und junger Mütter
Der neue AOK-Report „Gesunder Start ins Leben“ hat die Versorgungssituation für werdende und junge Mütter in Hamburg analysiert. Immer weniger junge Mütter werden im Wochenbett von einer Hebamme betreut. „46,5 Prozent, also nicht einmal jede zweite Mutter, wurde nach der Geburt zu Hause begleitet“, sagt Thomas Bott, Direktor der AOK-Regionaldirektion Hamburg. 2012 seien noch 64 Prozent der Mütter im Wochenbett versorgt worden.
In Hamburg gibt es laut AOK-Studie gut 500 Hebammen. Weil die Versicherungsprämien für Geburtsschäden stark gestiegen sind, hat sich auch die Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen stark verteuert. Auch für festangestellte Hebammen ist die Arbeit schwieriger geworden. Der Verband Deutscher Hebammen klagt über die Arbeitsverdichtung in den Kliniken, genaue Kenntnis über die Anzahl der Hebammen gebe es aber nicht.
15 Anfragen für Hausgeburten allein in Hamburg
Auf der Internetseite unter www.hebammen.info werden freie Betreuungskapazitäten aufgelistet. Viele sind es nicht. Die Internetseite www.unsere-hebammen.de listet allein für Hamburg 15 Anfragen von werdenden Müttern für Hausgeburten, 366 für Schwangerschaftsvorsorge und 2739 für die Wochenbettbetreuung auf. „Wir kämpfen für die aufsuchende Wochenbettbetreuung“, sagt Andrea Sturm, Vorsitzende des Hebammen Verbands Hamburg. Sie spricht sich dafür aus, in jedem Stadtteil ein Hebammenzentrum zu installieren, an das sich Schwangere wenden können.
Weil die Berufsausbildung von 2020 an in allen EU-Mitgliedstaaten an Hochschulen stattfinden muss, hat die Klinikgruppe Asklepios auf das Problem bereits reagiert. Das Asklepios-Bildungszentrum für Gesundheitsberufe bildet (BZG) pro Jahr 25 Hebammen aus. „Das sind insgesamt 75 Ausbildungsplätze, weil es ja eine dreijährige Ausbildung ist“, sagt Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz. „In Kooperation mit anderen Kliniken, die in Hamburg ja nicht wie wir über eine Schule/theoretische Ausbildung verfügen, kommen noch weitere Auszubildende hinzu.“ Seit 2014 kooperiert das BZG nach Angaben von Eberenz mit der Hochschule 21 in Buxtehude. Auszubildende können die staatliche Prüfung zur Hebamme und den Bachelor of Science als Hebamme innerhalb von vier Jahren erwerben und sich akademisch qualifizieren.
Hamburgerinnen machen mehr Vorsorgeuntersuchungen
In Hamburg ist der Zusammenhang zwischen der sozialen Lage schwangerer Frauen und der Hebammenbetreuung augenfällig: „Frauen, die Arbeitslosengeld beziehen, profitieren deutlich seltener von Geburtsvorbereitungskursen, Wochenbettbetreuung und Rückbildungsgymnastik als berufstätige Schwangere und Mütter“, sagt AOK-Regionaldirektor Bott. Von allen Frauen, die 2016 Kinder bekamen, hatten nur 13,8 Prozent einen Geburtsvorbereitungskurs besucht und nur 11,1 Prozent Rückbildungsgymnastik gemacht.
Und während viele arbeitslose Frauen und Hartz-IV-Empfängerinnen zwar zur Vorsorge beim Gynäkologen gehen, kümmern sich Berufstätige offenbar sehr viel erfolgreicher darum, eine Hebamme zu finden. Nur 33 Prozent der Hartz-IV-Empfängerinnen werden demnach im Wochenbett betreut, aber 65 Prozent der berufstätigen Frauen.
Die Vorsorgeuntersuchungen nehmen die Hamburgerinnen sehr ernst. 97 Prozent der Schwangeren nehmen diese Untersuchungen bis zur Geburt in Anspruch. Die meisten lassen die Untersuchungen beim Facharzt machen, nur etwa jede sechste Mutter (18,4 Prozent) suchte zur Vorsorge eine Hebamme auf, üblicherweise in Ergänzung zum Gynäkologen. „Elf Vorsorgeuntersuchungen sind vorgesehen und werden von der Kasse bezahlt“, sagt Bott, bei Risikoschwangeren mehr. 41,4 Prozent aller Schwangeren lassen allerdings mehr Vorsorgeuntersuchungen machen, hat die Studie gezeigt. In Hamburg seien die Schwangeren „vorsichtiger, aber auch zahlungsfreudiger“, so Bott.