Hamburg. Das Erzbistum will fünf katholische Schulen schließen. Was passiert mit den Arealen?
Das Erzbistum Hamburg hat bei seiner Kommunikationsstrategie im Zusammenhang mit der Schließung von bis zu acht der 21 katholischen Schulen wahrlich kein glückliches Händchen bewiesen, um es vorsichtig auszudrücken. Aber: Als Erzbischof Stefan Heße am Donnerstag den Abbruch der Verhandlungen mit der Hamburger Schulgenossenschaft zur Rettung wenigstens eines Teils der Schulen verkündete, war das Timing aus seiner Sicht unter einem Gesichtspunkt genau richtig. Am ersten Tag der Sommerferien waren viele Eltern, Schüler und Lehrer schon in Urlaubsstimmung oder bereits abgereist. Der berechtigte Aufschrei über das nun endgültig absehbare Aus für fünf katholische Schulen in Harburg, Barmbek, St. Georg, Altona und Ottensen wäre außerhalb der Ferienzeiten sicherlich noch größer gewesen.
Auch wenn während der Ferien kaum mit einer großen Protestaktion engagierter Katholiken zu rechnen ist, so wird kein Gras über die Sache wachsen. Der Vertrauensschaden, der aufseiten der Betroffenen vor Ort und vieler engagierter Katholiken in den Gemeinden gegenüber der Bistumsleitung entstanden ist, dürfte dauerhaft sein. Die Gesamtelternvertretung der katholischen Schulen sprach von „allgemeinem Entsetzen“ angesichts der Entscheidung des Erzbischofs. „Er hat das Vertrauen in seine Person beschädigt und den Konflikt im Erzbistum eskaliert“, sagte Henrik Lesaar, Sprecher der Elternvertretung unmissverständlich.
Die Schulleiter und stellvertretenden Schulleiter der katholischen Schulen halten im Gegensatz zu den Eltern den Abbruch der Verhandlungen mit der Schulgenossenschaft zwar für richtig, aber auch sie sprechen von einem „bedeutsamen Vertrauensverlust, der unser System erheblich in seinem Bestand gefährdet“. Und die Schulleiter werfen der Bistumsleitung vor, gegenüber der Schulgenossenschaft „von Misstrauen durchsetzt“ gewesen zu sein. Ein knappes halbes Jahr nach der abrupten Verkündung, bis zu acht Schulen aus finanziellen Gründen schließen zu wollen, stehen Erzbischof Stefan Heße und Generalvikar Ansgar Thim kirchenintern vor einem Scherbenhaufen.
Als ähnlich großes Problem könnte sich eine andere offene Flanke erweisen: Auch das Verhältnis zwischen Erzbistum und Politik ist schwer erschüttert. Senat und Bürgerschaft lag daran, die Schließung katholischer Schulen zu vermeiden. Besonders die Versuche der Bürgerschaft, sich für den Erhalt der Standorte zu engagieren, liefen ins Leere. „Das Erzbistum nimmt offensichtlich das Parlament als Partner nicht ernst“, sagt die Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg, die Vorsitzende des Schulausschusses der Bürgerschaft ist.
Wenige Wochen nach dem Schulschließungsbeschluss hatte der Erzbischof eine Einladung in den Schulausschuss ausgeschlagen. Es sei nicht gelungen, hieß es damals aus dem Erzbistum, die Bedingungen für eine Teilnahme an der Sitzung zu klären, bei der es um Lösungsansätze zur Rettung der Schulen gehen sollte. „Die Absage ist eine Missachtung der parlamentarische Demokratie“, zürnte Grünen-Politikerin von Berg schon damals. Seitdem herrschte weitgehend Funkstille zwischen Bürgerschaft und Erzbistum, auch wenn Heße eine Gegeneinladung an den Schulausschuss ins Bischofshaus aussprach. Dieser Weg ist zumindest ungewöhnlich, denn das Erzbistum ist auf den Staat angewiesen, der die Schulen zum weitaus größten Teil finanziert.
„Ich bedauere den Schritt des Erzbistums, die Verhandlungen mit der Genossenschaft zu beenden und fünf katholische Schulen zu schließen. Hier ist eine Chance verspielt worden, fünf gute Schulen zu retten“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) dem Abendblatt. Die Schulbehörde hat sich aber längst darauf eingestellt, entsprechend mehr Schüler in staatliche Schulen aufzunehmen. Für den Bezirk Harburg, in dem das Niels-Stensen-Gymnasium nun definitiv geschlossen wird und zwei weitere Schulen von Schließung bedroht sind, gibt es bereits ein Neubau- und Erweiterungsprogramm für die staatlichen Schulen – allerdings vor allem wegen des Wohnungsneubaus.
Erzbischof Heße hat angekündigt, nun alles daran zu setzen, die restlichen drei Schulstandorte, für die ein einjähriges Moratorium gilt, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Voraussetzung: Es finden sich externe und zahlungskräftige Partner. Die Sophienschule in Barmbek und die Katholische Schule Neugraben sollen zu Grund- und Stadtteilschulen ausgebaut werden. Die Katholische Schule Harburg soll in das frei werdende Gebäude des Niels-Stensen-Gymnasiums umziehen.
Das Erzbistum erhielt 2008 drei Grundstücke kostenlos
Dieser Standortwechsel könnte ein neues Konfliktfeld zwischen Staat und Kirche eröffnen. Die schwarz-grüne Senatskoalition hatte dem Erzbistum 2008 drei Grundstücke mit Schulgebäuden geschenkt, darunter das Areal der Katholischen Schule Harburg an der Julius-Ludowieg-Straße. Die drei Schulen galten als sanierungsbedürftig. Die Schenkung diente der langfristigen Sicherung des Schulbetriebs und sollte dem Erzbistum ermöglichen, mit seinen knappen finanziellen Mitteln für Sanierung und dauerhaften Erhalt zu sorgen.
Wenn die Harburger Schule nun umziehen sollte, stellt sich die Frage, was die Kirche mit dem Grundstück anfängt. Rechtlich wäre das Erzbistum wohl zunächst einmal nicht gehindert, das Areal meistbietend zu verkaufen, um zum Beispiel Wohnungsbau zu ermöglichen. Für die Stadt ergibt sich aus dem Überlassungsvertrag keine Möglichkeit, die Rückgabe des Grundstücks zu fordern. Allerdings hat die Bezirksversammlung Harburg bereits beschlossen, dass eine Änderung des Bebauungsplans zum Zweck des Wohnungsbaus ausgeschlossen ist.
Dieselbe Ausgangslage trifft auf Schule St. Marien in Ottensen zu, die ebenfalls geschlossen werden soll. Auch dieses Grundstück hatte die Stadt dem Erzbistum 2008 für null Euro überlassen. Nach den Erfahrungen mit dem Erzbistum gilt als unwahrscheinlich, dass Senat und Bürgerschaft in der Grundstücksfrage erneut konziliant sind. Vorstellbar ist ein ähnliches Vorgehen wie beim Weiterverkauf der ehemals städtischen Pflegeheime von Pflegen & Wohnen an den US-Investor Oaktree im vergangenen Jahr. Damals hatte der Senat verfügt, dass auf den Grundstücken weiterhin nichts anderes als Alten- und Pflegeheime betrieben werden dürfen, um den Bau lukrativer Eigentumswohnungen zu verhindern.
„Die Stadt Hamburg hat dem Bistum Grundstücke überlassen, um katholischen Schulen eine langfristig sichere und wirtschaftliche Basis zu ermöglichen. Wenn das Bistum durch jahrelange Misswirtschaft erst die Zukunft der Schulen aufs Spiel setzt und sich dann mit dem Verkauf zweckgebundener Geschenke sanieren möchte, verspielt sie das Vertrauen der Hamburger zu Recht“, sagt Grünen-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. „Als Grünen-Fraktion werden wir alles tun, um das zu verhindern.“ Das klingt eher nach einer Kampfansage.