Hamburg. Der Umweltaktivist kämpft gegen die verheerende Plastikflut. Was seine Arbeit mit Fürst Albert und Thomas Manns Tochter zu tun hat.
Der Retter der Meere hat ein sehr unaufgeräumtes Büro. Der Blick auf den Alsterfleet kann kaum von den Unterlagen ablenken, die überall verteilt sind, von den Auszeichnungen und gerahmten Preisen, die längst hätten aufgehängt werden müssen. Außerdem liegt ein menschengroßer Wal auf dem Sofa. Es ist das Modell eines Pottwals, der 2012 an der Südküste Spaniens strandete und starb. Die Todesursache: Plastikmüll. 59 Plastikteile hatten den Darm des zehn Meter langen Tieres zum Platzen gebracht, darunter Gartenschläuche, Eisbecher, Blumentöpfe, 30 Quadratmeter Folie, Sprühflaschen und Kleiderbügel. „Wenn wir so weitermachen, werden wir die Bewohner der Meere nicht nur schädigen, sondern auslöschen“, sagt Frank Schweikert.
Der 55 Jahre alte Umweltaktivist arbeitet am Alsterfleet und wohnt am Fischmarkt. Er muss immer am Wasser sein, seine „emotionale Kraft“ spüren, doch nach jedem Fischmarkt sieht er Berge von Müll von seinem Wohnzimmerfenster aus. „Eigentlich sind regionale Märkte die Lösung für viele Umweltprobleme, aber nicht, wenn die Lebensmittel in Plastik verpackt sind“, sagt Schweikert und springt auf, um etwas auf seinem Schreibtisch zu suchen. „Hier, gucken Sie mal!“ Er hält eine Plastikfolie in der Hand. „Die liegt seit drei Jahren hier in der Sonne, fassen Sie mal an.“ Die Folie zerfällt sofort in kleinere Teile.
Mikroplastik verstopft die Ozeane
Mikroplastik nennt sich der Feind der Meere, mit bloßem Auge kaum zu erkennen, verstopft er die Ozeane. In Schweikerts Büro gibt es deshalb keine Kekse, sie erfordern viel zu viel Verpackung. Eine Obstkiste wird regelmäßig mit dem Rad geliefert, das Mittagessen holen sich die Mitarbeiter in selbst mitgebrachten Tellern von den umliegenden Restaurants, oder sie kochen es aus Überresten vom Isemarkt. Eine Kollegin engagiert sich bei den Lebensmittelrettern. Schweikert benutzt eine Bambuszahnbürste und ausschließlich Naturkosmetik: „Gerade günstige Duschgels oder Cremes enthalten sehr viel Mikroplastik. Mal abgesehen davon, dass es in unser Wasser gelangt, will ich mir das auch nicht ins Gesicht schmieren.“
Jeder zweite Atemzug, den ein Mensch tut, kommt direkt aus dem Meer, erklärt Schweikert. Vielen sei die Verbindung gar nicht bewusst, dabei müsse man nur einmal durch den Stadtteil mit Deutschlands dreckigster Luft gehen, um die Kombination von Wasser- und Luftverschmutzung live zu erleben. Die Hamburger haben es bis dahin leider nicht weit. „Nirgendwo in diesem Land herrscht schlechtere Luft als in der HafenCity mit den Schiffen als Dreckschleuder und dem Kraftwerk gegenüber“, sagt Schweikert. Dabei wäre es einfach für die Schiffe, auf schwefelfreie Kraftstoffe umzustellen, meint er: „Was sich Hamburg aus wirtschaftlichen Gründen antut, das ist für mich schwer begreiflich.“
Er ist kein Protestler
Wenn Schweikert redet, dann stets mit Bedacht. Er ist kein Protestler, kein Lauter, er streitet einfach seit Jahren konsequent und klug für die Rettung der Ozeane. International hat er sich dabei einen Namen gemacht, einer seiner prominentesten Unterstützer und inzwischen ein Freund heißt Fürst Albert II. von Monaco. Der Regent wird auch am 24. September zur Weltklimawoche kommen, die Schweikert in Hamburg organisiert. Für ihr gemeinsames Engagement zum Wohle der Ozeane und für ihren Einsatz um Nachhaltigkeit im Umgang mit unserer Lebenswelt wurden der Fürst und die Foundation Prince Albert II. de Monaco sowie die Deutsche Meeresstiftung kürzlich ausgezeichnet. Eine besondere Ehrung, der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer hielt die Laudatio.
Zu der Preisverleihung in der Dresdner Frauenkirche reiste Schweikert, der schon als Jugendlicher als Segellehrer arbeitete, mit seinem Schiff an, der „Aldebaran“ – und zeigte Fürst Albert, was an Bord an wissenschaftlichen und anderen Projekten alles möglich ist. Auf dem Rückweg von Dresden steckte das Schiff vier Tage fest, weil die Elbe zu wenig Wasser führte. Aber nun liegt die „Aldebaran“ sicher bis zum 20. Juli im Hamburger Hafen direkt neben dem Feuerschiff.
Meere als gemeinsames Erbe der Menschheit
Das Medien- und Forschungsschiff gibt es seit 27 Jahren, es hat einen kleinen CO2-Fußabdruck und soll den Meeresschutz voranbringen. Seit 1992 wurden auf dem Segelschiff Hunderte internationale Projekte durchgeführt. Das Schiff hat ein kleines wissenschaftliches Labor sowie hochwertige Medientechnologie an Bord. Die Wissenschaftler können ihre Beobachtungen vor Ort zu Berichten verarbeiten, sogar Livesendungen per Satellit sind möglich. Schweikert hat als Erster 1999 live Regattarennen von der Kieler Woche im Internet übertragen. Er war der Erste, der Unterwasserinszenierungen, Live-Unterwasser-Videoschaltungen und Unterwasser-Webcams realisierte, nahm die weltweit erste räumliche Tonaufnahme in einem Korallenriff auf. Schweikert beherrscht das alles auch, weil er als Journalist beim Radio arbeitete und zuvor beim Bund als Studiosoldat beim Bataillon für psychologische Verteidigung ausgebildet wurde. „Wir haben Propaganda für die Demokratie gemacht, sehr spannend.“
Um schon Kindern ein Bewusstsein für das größte Ökosystem auf der Erde zu vermitteln, rief Schweikert 2005 den Wettbewerb „Forschen auf See“ ins Leben. Viele Jungforscher haben seitdem Experimente auf der „Aldebaran“ durchgeführt, ein Team gewann mal bei „Jugend forscht“, und der Meereswettbewerb wurde von der Unesco als Uno-Dekade-Projekt für „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet.
Weitere Initiativen
Schweikert unterstützt als Mitbegründer der Meeresstiftung noch viele weitere Initiativen zur Rettung der Meere, er möchte durch seine Arbeit ein „breites Meeresbewusstsein“ schaffen, um die „bisherige Verantwortungslosigkeit zu bewältigen“, sagt Schweikert. Elisabeth Mann Borgese, die 2002 verstorbene jüngste Tochter von Thomas Mann, hat ihn vor vielen Jahren etwas gelehrt, das er seitdem zu seiner Mission erklärte: „Meere sind das gemeinsame Erbe der Menschheit.“
Schweikert nimmt ein Stück Apfel und packt seine Tasche. Der Wasser-Lobbyist muss los, weitere Kooperationspartner für die Weltklimawoche finden. 70 hat er bereits, darunter sogar das US-amerikanische Konsulat. Schweikert schafft es also offenbar, Leute vom Umweltschutz zu überzeugen, selbst wenn deren oberster Chef dagegen ist.