Hamburg. Nach fast 100 Tagen im Amt verteidigt Peter Tschentscher seinen Regierungsstil, stellt aber klar, wer bei Rot-Grün das Sagen hat.
Das war ein selbstbewusster und für seine Verhältnisse ungewohnt kämpferischer Auftritt: Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat nach knapp 100 Tagen im Amt zufrieden eine erste Zwischenbilanz gezogen. „Die Stadt wird gut regiert, die Koalition ist stabil“, sagte Tschentscher am Dienstag vor Journalisten im Rathaus. Nachdem bereits diverse Analysen zu seiner Amtsführung erschienen sind, nutzte der Senatschef die Chance, seine Sicht der Dinge zu erläutern.
Das sagt Tschentscher über ...
... sein Auftreten: Der Nachfolger von Olaf Scholz setzt weniger auf markige Ansagen und mehr auf sachlichen Dialog mit den Bürgern, etwa in seinen Wahlkreisgesprächen. „Das ist ein ganz vernünftiger Politikstil, der sich stark abgrenzt von dem, was wir in den letzten Wochen in Berlin erlebt haben“, so Tschentscher. Der Kritik, er sei bei wichtigen Themen gelegentlich kaum sichtbar, entgegnete er: „Politik ist keine Show, daran beteilige ich mich nicht.“ Wer seine Meinung wissen wolle, bekomme aber immer eine Antwort.
... sein Verhältnis zu den Grünen: Dass der kleine Koalitionspartner zunehmend selbstbewusster agiert, wies Tschentscher zurück. Ein „Aufblühen grüner Ideen“ sehe er nicht. Beim Dieselfahrverbot, dem Rückkauf des Fernwärmenetzes und der Kennzeichnungspflicht für Polizisten („alter Hut“) würden nur Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Er räumte aber ein, dass es eines „Machtworts“ bedurfte, um klarzustellen, dass die Fernwärme für Kunden nicht teurer werden dürfe. Dabei betonte er im besten Scholz-Stil: „Der grüne Koalitionspartner kennt die Richtlinienkompetenz des Ersten Bürgermeisters.“
... seine Schwerpunkte: „Es gibt viele neue Projekte, aber eines sicher nicht: einen Kurswechsel“, sagte Tschentscher und erklärte, er sei ja sieben Jahre lang Finanzsenator und „an allem beteiligt“ gewesen.
... Wohnungsbau und Mieten: Hamburg liege „weit unter dem Anstieg der Mieten, den andere Metropolen in Deutschland erleiden – weil wir so viel Wohnungsbau gemacht haben“, sagte Tschentscher. Die Durchschnittsmiete liege derzeit in Hamburg bei 8,50 Euro pro Quadratmeter. „In München sind es mehr als 11 Euro.“ Zuletzt seien jedes Jahr 10.000 neue Baugenehmigungen erteilt worden, so Tschentscher. „Das muss so lange weitergehen, bis wir wieder im Gleichgewicht sind zwischen der Anzahl der Menschen, die eine Wohnung suchen, und der Anzahl der Wohnungen, die verfügbar sind.“
... dem Wachstum der Stadt: „Es gibt einen Trend zur Urbanisierung, dem können wir uns nicht entziehen und nichts tun“, sagte Tschentscher. Auf die prognostizierten zwei Millionen Einwohner sei man eingestellt, aber ob es noch mehr würden, sei offen.
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... Konsequenzen aus G 20: „Mit dem Wissen von heute würde man einen G-20-Gipfel in dieser Form nicht mehr organisieren“, so Tschentscher. Das Problem sei aber nicht die Größe der Veranstaltung gewesen, sondern dass es nicht gelungen sei, die Krawallmacher in den Griff zu bekommen. Konsequenzen aus G 20 seien daher eine Stärkung der Bereitschaftspolizei, um bei Lagen wie im Schanzenviertel schneller eingreifen zu können, 200 neue Feuerwehrleute sowie die Tatsache, dass Straftäter europaweit verfolgt würden. Das solle auch abschreckend wirken: Hamburg lasse sich nicht von „Krawalltouristen“ vorschreiben, ob, wann und wo es einen Gipfel veranstalte, betonte Tschentscher: „Wir brauchen internationale Konferenzen und müssen auch in der Lage sein, Staatschefs bei uns zu beherbergen. Das ist ein halbes Jahr vorher bei der OSZE-Konferenz ja auch gelungen.“
... die Rote Flora: Das links-autonome Zentrum sei nicht maßgeblich an der Organisation des Krawalls beteiligt gewesen, sagte Tschentscher. „Trotzdem hat die Rote Flora sich mit einer Gewalt verknüpft, die nicht akzeptabel ist.“ Dass er mit seiner früheren Warnung vor einem „Zündeln“ bei dem Thema den Autonomen eine Bestandsgarantie gegeben habe, wies er zurück: „Es gibt keine Bestandsgarantie. Wenn es aus der Roten Flora heraus Gewalt gibt, dann gehen wir da rein.“
... Wissenschaft: Die Uni Hamburg bekomme zusätzliches Geld, um „exzellenter“ zu werden, sagte Tschentscher. An der Hochschule bangen wegen Befristungen gerade etliche wissenschaftliche Mitarbeiter um ihre Jobs. Dies sei ein strukturelles Problem, das es an Hochschulen in ganz Deutschland gebe, sagte der Bürgermeister. Die Auseinandersetzungen an der HafenCity Universität bezeichnete Tschentscher als „Querelen“, mit denen die Hochschule alleine zurechtkommen müsse.