Hamburg. Medizintest lässt die Hoffnung auf Nachwuchs im Tierpark schwinden. Aber es gibt einen Plan B. Ob der aufgeht, zeigt sich 2019.

Geahnt hatten sie es schon. Tierärzte legen Eisbären ja nicht grundlos in Narkose, rasieren sie an mehreren Stellen und starten umfangreiche Ultraschalluntersuchungen. Jetzt liegen die Ergebnisse des Medizinchecks vor, und sie sind eindeutig: Hagenbecks Eisbärmännchen Blizzard ist zeugungsunfähig. Ein Bär in den besten Jahren bringt es nicht. Damit ist Nachwuchs bei den größten Landraubtieren der Erde im Hamburger Tierpark vorerst in die Ferne gerückt.

„Die Ergebnisse unserer Untersuchungen lassen keinen Zweifel daran, dass Blizzard unfruchtbar ist“, sagt eine Tierparksprecherin. Wie bei Hagenbecks Orang-Utans, bei denen eine Nachzucht seit Jahren auf sich warten lässt und die bereits per Onlinedating, einer Art Tier-Tinder, verkuppelt werden sollten, bekommt Hamburg erst mal kein Eisbärenbaby. Jedenfalls nicht vom zwölfjährigen Männchen Blizzard. Aber die Tierpark-Verantwortlichen haben schon einen Plan B.

Dieser Plan misst aufgerichtet 3,6 Meter, wiegt 600 Kilogramm und heißt Vitus. Er ist der größte Eisbär in einem deutschen Zoo, lebt im Tierpark Neumünster und wurde als Samenspender für Hagenbecks Eisbärenweibchen Victoria auserkoren. „Wir haben es inzwischen mit einer künstlichen Befruchtung bei Victoria probiert“, heißt es aus dem Tierpark. Im Winter/Frühjahr 2019, wenn die Tragzeit der Eisbären endet, werde sich zeigen, ob dieser pragmatische Ansatz fruchtet.

Letzte Eisbär-Geburt vor 16 Jahren

Seit sechs Jahren hofft der Tierpark nun schon auf Nachwuchs bei den gefährdeten Bewohnern der Nordpolarregionen. Doch seit Blizzard und Bärendame Victoria sich die neue Anlage im Eismeer teilen, ist die Reproduktionsrate null. Außer vielversprechendem Liebesspiel kam nichts Zählbares heraus. Dabei gehörten erfolgreiche Nachzuchten bei Hagenbeck lange zur Normalität.

Die letzte Geburt, Eisbärin Victoria, inzwischen Partnerin von Blizzard, liegt allerdings schon 16 Jahre zurück. Das Weibchen kam 2002 in Hamburg zur Welt. Als Blizzard im Jahr 2012 aus dem Rostocker Zoo nach Hamburg kam, ruhten noch alle Hoffnungen auf dem neuen Männchen. Trotz der Unfruchtbarkeit will Hagenbeck vorerst an der Haltung des männlichen Bären festhalten. Blizzard erhält Bleiberecht.

Die Entscheidung, einen Eisbären nach Hamburg zu transferieren und ihn hier zu belassen, wird dabei nicht nur von den Verantwortlichen des Tierparks getroffen. Maßgeblich ist der zuständige Koordinator für das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) bei den Eisbären in Amsterdam. Er bestimmt, welche Tiere innerhalb der Zoos verpaart werden. Zuvor wollte schon der Rostocker Zoo mit dem in Italien geborenen Männchen an seine Zuchterfolge bei Eisbären anknüpfen. Vergebens.

Haltung von Eisbären in Zoos nimmt ab

Die Auswahl an Männchen in Gefangenschaft ist dabei nicht groß. Laut dem Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) hat die Zahl der gehaltenen Eisbären weltweit deutlich abgenommen. Ende 2012 waren es noch 330 in 133 Zoos, ganze 36 Exemplare von Ursus maritimus lebten in den Tiergärten des deutschsprachigen Verbands – neben Hamburg und Rostock etwa in Berlin, Bremerhaven, Gelsenkirchen oder Neumünster. Die Abnahme des Bestands ist dabei vor allem einem Sinneswandel geschuldet. Bärenarten werden generell stark reduziert in Zoos gezeigt, was auch an den teils „inadäquaten Haltungen“ lag, wie der VdZ formuliert. Während einzelgängerisch lebende Bären in Freiheit täglich große Distanzen zurücklegen, mussten und müssen sie sich in Zoos oft mit wenig Raum begnügen.

Bei Hagenbeck stehen den beiden Tieren genügend begehbare Felsen- und Sandlandschaft sowie ein großes Wasserbecken zur Verfügung. Das von Anfang an auffällige, stereotype Hin- und Herlaufen von Blizzard prägte schon vor seiner Ankunft in Hamburg sein Bewegungsmuster. Laut VdZ wollen die Tiere damit ihr Bewegungsbedürfnis befriedigen, man könne daraus kein Leiden ableiten.

Nur noch 20.000 frei lebende Eisbären

Trotzdem hätten Zoos das Pro­blem erkannt, seit 2000 wurden acht von 13 Anlagen in Deutschland umgebaut. Hagenbecks Eismeer gehörte dazu. In freier Wildbahn führt die Weltnaturschutzunion IUCN den Eisbären als „gefährdete Art“, durch Lebensraumverknappung und die globale Erwärmung wird mit einem starken Rückgang der Bestände gerechnet. Für viele ist er das Symbol eines bedrohlichen Klimawandels, da die Fläche des lebensnotwendigen und für die Jagd wichtigen Packeises Jahr für Jahr schmilzt. Aktuell gehen Schätzungen noch von 20.000 frei lebenden Tieren­ aus.