Hamburg. Vor dem G-20-Sonderausschuss bleibt der Vizekanzler und Ex-Bürgermeister bei seinen Sichtweisen

    Es war ein wenig wie früher: Olaf Scholz betrat den Großen Festsaal im Rathaus von der Senatsseite aus, begrüßte alle Abgeordneten und Behördenvertreter gut gelaunt per Handschlag und stellte sich gemeinsam mit dem Innensenator den Fotografen. So oder so ähnlich hatte er das dutzendfach gemacht in seinen sieben Jahren als Bürgermeister.

    Doch dieses Mal kam Scholz nicht als Senatschef, sondern erstmals als Bundesfinanzminister und Vizekanzler ins Rathaus. Bis ins neue Amt in Berlin hinein verfolgen den SPD-Politiker die Ereignisse beim G-20-Gipfel vor einem Jahr in Hamburg. Und so musste er sich am Donnerstagabend zum zweiten Mal den Fragen des G-20-Sonderausschusses der Bürgerschaft stellen.

    Doch Scholz wäre nicht Scholz, wenn er dabei etwas anderes zu dem Thema gesagt hätte als bisher: „Unverändert“ war daher das meistverwendete Wort des Vizekanzlers – der mangels neuer Erkenntnisse schon nach 94 Minuten wieder gehen durfte. Ob es richtig war, den Gipfel in Hamburg zu veranstalten? „Unverändert bin ich der Meinung, dass solche Formate richtig sind und dass man sie in demokratischen Staaten und dort in den großen Städten durchführen können muss.“ Durch seine Teilnahme als Finanzminister an G-20- und G-7-Treffen habe sich ihm noch einmal bestätigt, wie wichtig solche Formate seien. In Hamburg seien zum Beispiel Hilfsmaßnahmen für Afrika verabredet worden, an denen er jetzt als Mitglied der Bundesregierung weiterarbeite.

    Dennoch bezeichnete Scholz die Ausschreitungen Anfang Juli 2017 in Hamburg nach wie vor als „einschneidendes Ereignis“, das ihn bis heute beschäftige. An seiner politischen Verantwortung für die G-20-Ereignisse habe sich auch durch den Amtswechsel nichts geändert. Auch die im Vorfeld des Gipfels gegebene Sicherheitsgarantie bedauerte Scholz nach wie vor: Der Gipfel sei „sehr sorgfältig“ vorbereitet worden, und er sei sich daher sicher gewesen, dass alles gut gehen werde. „Dieses gute Gefühl wollte ich weitergeben“, so Scholz, der dennoch einräumte, falschgelegen zu haben: „Die Aussagen im Vorfeld des Gipfels hätten vorsichtiger ausfallen sollen.“

    Auch den Tagungsort Messehallen verteidigte Scholz „unverändert“, räumte aber ein, dass es „zu unerträglichen und nicht hinnehmbaren Belastungen für die Bürger“ gekommen sei. Mehrfach betonte der 60-Jährige, dass er als Politiker grundsätzlich nicht den Experten für solche Veranstaltungen hineinrede. Denen würde er immer sagen, sie sollten die Belastungen für die Bürger so gering wie möglich halten, aber nichts unterlassen, was für die Sicherheit notwendig ist.

    Etwas kiebig wurde es nur, wenn CDU und AfD den früheren Bürgermeister auf die Rote Flora ansprachen und ihn mit seinen kurz nach dem Gipfel getätigten Aussagen konfrontierten, das von Linksautonomen besetzte ehemalige Theater werde „Konsequenzen“ zu spüren bekommen, weil es massiv zu Protesten aufgerufen hatte.

    Die Behauptung, dass sich entgegen seiner Ansage nichts getan habe, teile er nicht, bügelte Scholz das Thema kurz ab. Dass sein Nachfolger Peter Tschentscher (SPD) der Flora eine Bestandsgarantie gegeben habe, habe er so „nicht wahrgenommen“. Im Übrigen sei er „unverändert“ der Meinung: „Gewalt ist völlig unmöglich“, und er erwarte eine Distanzierung von Gewalt. Auf Nachfrage von CDU-Fraktionschef André Trepoll bestätigte der Minister aber: „Ich war nicht in der Roten Flora und habe keine Gespräche mit denen geführt.“

    Die Frage Trepolls nach den mitregierenden Grünen, die noch während des Gipfels Kritik am Austragungsort Hamburg geübt hatten, konterte Scholz ebenfalls kurz und knapp: „Im Gegensatz zu Ihnen neige ich nicht dazu, mich zu echauffieren.“

    Zu den Kosten für den Gipfel erklärte der Minister, dass zusätzlich zu den 50 Millionen Euro vom Bund weitere 19 Millionen aus Berlin zur Verfügung stünden. Diese seien ursprünglich für Entschädigungen vorgesehen gewesen, aber nicht abgerufen worden. Diese Unterstützung habe ihm im März der damalige Finanzminister Peter Altmaier (CDU) zugesagt, kurz bevor er selbst dessen Amt übernommen habe.

    Zu Beginn der Sitzung hatte Jan Hieber, Chef der Sonderkommission (Soko) „Schwarzer Block“ der Polizei, den Stand der Ermittlungen referiert. Demnach laufen 1060 Verfahren mit 500 Tatverdächtigen, nach denen gefahndet werde. 104 Personen seien mithilfe von Videoaufnahmen identifiziert worden, 120 Durchsuchungen durchgeführt und 13 Haftbefehle beantragt worden. Die Aufklärung sei aber noch lange nicht am Ende, betonte Hieber.

    Laut Staatsanwaltschaft laufen dort 635 Verfahren gegen bekannte Beschuldigte und 1254 gegen unbekannte. Es sei zu 153 Anklagen und 36 Verurteilungen zu Freiheitsstrafen gekommen, darunter sechs ohne Bewährung.