Hamburg. Beim Public Viewing trotzen 5000 Fußballfans dem Regen und bejubeln den ersten Sieg der Nationalmannschaft bei der WM.

Fremde Menschen liegen sich in den Armen, springen in die Luft vor Freude und Erleichterung und können gar nicht mehr aufhören, zu strahlen. Das Gruppenspiel gegen Schweden zeigt einmal mehr, dass das Leben die spannendsten Geschichten schreibt. Ober eben der Fußball. Die fünfte Minute der Nachspielzeit läuft, als Timo Werner neben dem Strafraum gefoult wird. Toni Kroos führt den Freistoß als Doppelpass aus, schießt auf das schwedische Tor und trifft. Er trifft! Und dann war sie auf einmal da, in der 95. Spielminute, die lange herbeigesehnte WM-Stimmung. Besser spät als nie.

Trotz 13 Grad und Regen kamen immerhin 5.000 Fußballfans zum Public Viewing nach St. Pauli. Für den Veranstalter Uwe Bergmann, der keinen Hauptsponsor gefunden hat und deswegen zwei Euro Sicherheitsgebühr nehmen muss, ist diese Zahl alles andere als erfreulich, denn das Heiligengeistfeld bietet Platz für 40.000 Zuschauer.

Zugegeben, nach Sommermärchen sah es zuvor erst mal nicht unbedingt aus. In dicker Jacke und Schal wollte die Fußball-Euphorie noch nicht so ganz aufkommen. Hier und da gab es ein paar tapfere Fahnenträger, die meisten setzten allerdings auf Regenschirme über ihren Köpfen.

Ailton jubelt in Hamburg für Deutschland:

2:1 gegen Schweden - Ailton flippt aus

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    30 Minuten vor Spielbeginn schallte es „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ aus den Lautsprechern der 126 Quadratmeter großen LED-Leinwand, und natürlich war das auch das Motto der deutschen Nationalmannschaft. Immerhin hätte bei einer Niederlage das erste Vorrunden-Aus der Deutschen in der WM-Geschichte gedroht. Nein, so möchte man wahrlich nicht Geschichte schreiben. Moderator Michael Wittig vom NDR animierte die Zuschauer dazu, im Takt der Musik bis nach Sotschi zu hüpfen. Bis dorthin reichte es zwar nicht, für das kurze Warmhalten aber schon. Mit dem Anpfiff und den ersten Chancen waren Kälte und Regen dann allerdings sowieso vergessen – vorerst zumindest.

    Das Wort "mitzittern" bekam eine andere Bedeutung

    Die ersten Jubelschreie waren schon in der dritten Spielminute zu hören, nachdem Julian Draxler die erste große Chance der Partie hatte, dann aber doch statt ins Tor nur seinen schwedischen Gegenspieler Larsson traf. Und während der Regen noch stärker und die Temperaturen gefühlt noch kühler wurden, bekam das Wort „ mitzittern“ gleich eine andere Bedeutung. Ein Grund, erst gar nicht zu kommen? „Das spüren wir doch gar nicht“, sagt Caroline Humpert. „An der frischen Luft und mit so vielen Leuten ist die Atmosphäre einfach viel besser als wenn ich jetzt zu Hause Fußball geguckt hätte.“

    Das sah auch die kleine Gruppe schwedischer Fans so, als Ola Toivonen in der 32. Spielminute zum 1:0 traf. Henrik Myllymåki war mit sechs Freunden extra aus Göteborg angereist, um in Hamburg Fußball zu gucken. „Wir lieben die Stadt! Die Hamburger sind so freundlich und offen“. Sein Tipp? „Ich glaube, dass Deutschland gewinnt. Es ist das beste Team. Aber dass Schweden jetzt ein Tor geschossen hat, freut mich sehr.“

    Am Ende sollte er recht behalten. Zuerst das 1:1 von Marco Reus kurz nach Anpfiff der zweiten Halbzeit und dann das erlösende 2:1 von Toni Kroos. Von tiefer Verzweiflung bis purer Erleichterung – es war alles dabei.

    Nach dem Abpfiff dröhnte „So sehen Sieger aus“ von den Boxen herunter, und die Besucher des Heiligengeistfeldes feierten so, als wäre Deutschland Weltmeister geworden. Und wem das Gruppenspiel gegen Mexiko noch in den Knochen hängt, dem sei gesagt, dass auch Spanien 2010 sein erstes Gruppenspiel verloren hat – und später Weltmeister wurde. Bleibt nur zu hoffen, dass als gutes Omen für einen Sieg nicht fortlaufend schlechtes Wetter benötigt wird.