Hamburg. Bauherr darf eine 100 Jahre alte Rotbuche fällen. Das Bezirksamt hatte das erst verboten. Ein wegweisendes Urteil.
Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Rechte von Grundstückseigentümern gestärkt. Die siebte Kammer des Gerichts gab der Klage eines Bauherrn statt, dem das Bezirksamt Wandsbek das Fällen eines Baumes untersagt hatte. Beim Verbleib des Baumes sei „schlicht keine wirtschaftlich sinnvolle Bebauung des Grundstücks möglich“, heißt es in dem Urteil.
Die erst jetzt bekannt gewordene Entscheidung stammt aus dem November 2017. Mit ihr endet ein rund dreijähriger Rechtsstreit um eine Rotbuche. Sie stand auf einem rund 1200 Quadratmeter großen Grundstück in Sasel, das mit einem Haus bebaut war. 2014 erwarb der Kläger Jörg Cleve (50) das Grundstück gemeinsam mit einem Bekannten. Ihr Vorhaben war alles andere als unüblich: Das alte Haus sollte abgerissen, das Grundstück geteilt und mit zwei Häusern bebaut werden. 2014 bekam Cleve eine Baugenehmigung.
Prozess: Über Jahre konnte nicht gebaut werden
Doch als es ans Fällen der rund 100 Jahre alten Rotbuche gehen sollte, stellte sich das Bezirksamt Wandsbek plötzlich quer. Eine Ausnahmegenehmigung wurde nicht erteilt. Weil eine Einigung mit dem Bezirksamt nicht zu erzielen war, zog Cleve vor Gericht. Folge: Über Jahre hinweg konnte er nicht bauen.
Das Verwaltungsgerichtsurteil macht diesem Zustand nun ein Ende. Die Verweigerung der Ausnahmegenehmigung sei „rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten“, heißt es in der Urteilsbegründung. Abzuwägen sei zwischen den Interessen des Baumschutzes und den berechtigten Belangen des betroffenen Grundeigentümers. Im vorliegenden Fall, urteilten die Verwaltungsrichter, würde „ein Verbleib der Rotbuche auf dem Grundstück in einer dem Kläger nicht mehr zumutbaren Weise die Bebaubarkeit des Grundstücks einschränken“.
"Rotbuche besonders erhaltenswert"
Cleve will nun im Juli mit dem Bau beginnen. Den finanziellen Schaden will er sich von der Stadt Hamburg zurückholen. Allein die Baukosten sind in den vergangenen drei Jahren deutlich in die Höhe geschnellt.
„Beim Baumschutz gibt es immer mal wieder Probleme mit den Behörden“, sagt Torsten Flomm, Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbands. „In der Regel kann man sie lösen.“
Als Jörg und Angela Cleve im Mai 2014 das schöne Grundstück in Sasel erwarben, waren sie voller Optimismus. Vorn ihr Haus, hinten das Haus von Bekannten: Das klang gut. Im Oktober wurde die Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren erteilt. Nichts Großes: Auf einer Grundfläche von rund 100 Quadratmetern sollten Keller, Erdgeschoss und Dachgeschoss errichtet werden. Im Dezember dann der Schock. Das Bezirksamt Wandsbek erlaubte zwar die Beseitigung einiger Bäume auf dem Grundstück, nicht aber das Fällen der über 100 Jahre alten Rotbuche. Begründung: Sie sei „besonders erhaltenswert, augenscheinlich gesund und sicher“.
Baupolizeiverordnung von 1938
Das Problem war nur: Mit Buche ließen sich die Wohnträume der Cleves nicht erfüllen. Auf dem nach der Teilung nur noch rund 600 Quadratmeter großen Grundstück des Paares musste schließlich auch die Durchfahrt zum rückwärtigen Haus untergebracht werden. Außerdem waren Bauplanungsrecht und die Baupolizeiverordnung von 1938 zu beachten. Und das Bauvorhaben der Cleves sollte sich auch „in die Eigenart der näheren Umgebung“ einpassen – also etwa ähnlich weit von der Straße entfernt stehen wie die Nachbarbauten.
Das Verwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil genauer mit den Auswirkungen der verschiedenen Vorschriften befasst – immer unter der Annahme, die Rotbuche mit ihrem ausladenden Wurzelbereich bliebe stehen. Bebaubar wäre dann nur noch, so heißt es im Urteil, „ein an der nordwestlichen Grundstücksgrenze verlaufender Bereich mit einer Breite von ca. 0,75 Metern bis ca. 5 Metern“. Der zur Bebauung zur Verfügung stehende Bereich werde „quasi sichelförmig an die nordwestliche Grundstücksgrenze gedrängt“. Und weiter: „Ein solches Gebäude wäre zu Wohnzwecken – und wohl auch zu nahezu allen anderen Zwecken – nicht in wirtschaftlich sinnvoller Weise nutzbar.“
Die Cleves dürfen nun ein ganz normales Haus bauen – rechteckig, nicht sichelförmig. Jörg Cleve wundert sich immer noch über die Hartnäckigkeit, mit der das Bezirksamt Wandsbek an der rechtswidrigen Verweigerung der Fällgenehmigung festgehalten hat. „Da hängt man wie tot über dem Zaun“, sagt er. „Gut, dass wir am Ende doch recht bekommen haben.“ Das Haus im hinteren Teil des Grundstücks ist mittlerweile fertig. Die Cleves wollen im Juli mit dem Bau beginnen. Wenn alles gut geht, können sie im März einziehen. Für ihren Sohn kommt das zu spät. Er studiert mittlerweile in Wien.