Gestohlene Waren landen auf dem Flohmarkt. Cord Wöhlke sowie seine Kinder Julia und Christoph im großen Abendblatt-Interview.
Die Hamburger Drogeriemarktkette Budnikowsky wächst erstmals in ihrer Geschichte weit über die Metropolregion hinaus. Schon bald wird die erste Filiale in Berlin eröffnet. Gemeinsam mit Edeka will man zudem in vielen anderen Teilen der Republik aktiv werden. Was Cord Wöhlke und seine Kinder Julia und Christoph genau vorhaben und warum sie für die Expansion ihres Geschäfts auch Verluste in Kauf nehmen, erzählen die drei Chefs des im Jahr 1912 gegründeten Familienunternehmens im Abendblatt-Gespräch.
Hamburger Abendblatt: Herr Wöhlke, ein kurzer Blick zurück. Im Juli 2017 wurde Ihre Filiale am Schulterblatt während der G-20-Krawalle nahezu vollständig zerstört und geplündert. Was geht Ihnen heute in der Erinnerung an damals durch den Kopf?
Cord Wöhlke: Ich bin ein Mensch, der gerne nach vorne schaut und erfreue mich deshalb heute an der neuen Filiale am Schulterblatt. Zudem muss man mit Blick auf die Krawalle daran erinnern, dass das Gros der Randalierer nicht aus Hamburg, nicht aus dem Schanzenviertel kam. Deshalb kann ich auch die Politiker verstehen, die nun sagen, was würde es uns bringen, die Rote Flora zu räumen? Für uns als Einzelhändler vor Ort ist wichtig, dass wir so etwas nicht noch einmal erleben.
Die Filiale am Schulterblatt ist wieder eröffnet – haben Sie die Schäden komplett von den Versicherungen bezahlt bekommen?
Cord Wöhlke: Es ist nahezu alles bezahlt worden. Wir bleiben nicht auf Schäden sitzen, die Umsatzausfälle – auch in anderen betroffenen Filialen – sind allerdings unberücksichtigt geblieben.
Wie laufen die Geschäfte derzeit insgesamt bei Budni? Sind Sie zufrieden?
Christoph Wöhlke: Die Veränderungen durch die Edeka-Allianz und unsere Investitionen zeigen bereits deutlich Wirkung. Preiskampf und Druck der Großen im Markt wirken aber weiter stark auf uns ein. Darum geben wir uns noch lange nicht zufrieden, die positive Entwicklung ist für uns ein immenser Ansporn, auf dem eingeschlagenen Weg weiter zu gehen.
Im Geschäftsjahr 2016/17 haben Sie Ihren Nachsteuerverlust zwar verringert, aber weiterhin rote Zahlen geschrieben. Wie hat sich die Ertragslage seitdem entwickelt?
Julia Wöhlke: Im operativen Geschäft haben wir schon 2016/17 einen Gewinn erwirtschaftet. Nach Steuern lag das Ergebnis bei minus vier Millionen Euro, eine deutliche Verbesserung von zwei Millionen zum Vorjahr, in dem das Minus noch bei sechs Millionen Euro gelegen hatte. Der Fehlbetrag ist im Rahmen der Neupositionierung vor allem den Optimierungs- und Transformationskosten sowie Anlaufinvestitionen – auch für die neue Allianz mit Edeka im Drogeriegeschäft – geschuldet. Ohne diese Ausgaben wäre der Ertrag deutlich positiver, aber wir hätten die wichtige Investition in die Zukunft versäumt. Dass diese Maßnahmen bereits greifen, zeigt der Trend beim Ertrag, der eindeutig aufwärts geht.
Wie ist die Ertragssituation 2017/18?
Julia Wöhlke: Wir entwickeln uns weiter positiv. Operativ werden wir noch besser als im vorherigen Geschäftsjahr dastehen. Die Investitionen in die Allianz mit Edeka und in unsere eigene Optimierung dämpfen das Ergebnis noch, aber zugleich spüren wir auch schon positive Effekte. In diesen Transformationsjahren sind nicht die Ergebnisse entscheidend, sondern unsere Perspektive, und die ist klar.
Also wird Budni auch für 2017/18 einen Fehlbetrag ausweisen?
Julia Wöhlke: Wir sind gerade dabei, den Jahresabschluss zu erstellen und wollen noch keine voreiligen Schlüsse ziehen.
2016/17 hatten Sie einen Umsatz von 430 Millionen Euro. Wie haben sich die Erlöse im zurückliegenden Geschäftsjahr entwickelt?
Christoph Wöhlke: Wir behaupten trotz der starken Marktveränderungen unser Niveau. Die Veränderungen im Konsumentenverhalten wie etwa Onlineshopping sind dabei immer deutlicher zu spüren; besonders in den ehemals starken Center- und Eins-a-Lagen, wo die Menschen heute eher bummeln, als gezielt zu kaufen. Dadurch fallen leider auch Nebenumsätze bei Händlern wie uns weg.
Sie hatten im vergangenen Sommer angekündigt, 2018 zehn neue Filialen eröffnen zu wollen – wie weit sind Sie?
Christoph Wöhlke: Hier sind wir gut im Plan. Wir eröffnen 2018 mindestens acht neue Standorte. Dabei hat die Qualität Vorrang vor der Quantität. Expansion hat für uns das Ziel, das Filialnetz zu verbessern, durch Öffnungen, Vergrößerungen, Modernisierungen oder auch Umzüge und Schließungen. Besonders wichtig ist dabei die Reinvestition in bestehende Filialen, um die Geschäfte in allen Aspekten differenziert auf die Kunden vor Ort auszurichten. Den perfekten Standort zu finden und dort eine Filiale mit der richtigen Größe zu eröffnen – das ist im Moment unsere große Herausforderung. Der Trend zu immer größeren Flächen kehrt sich langsam um. Auch kleinere Standorte können mittlerweile wieder interessant sein. Außerdem müssen wir bei der Gestaltung auch verstärkt auf den Sicherheitsaspekt achten, uns genau überlegen, wo wir teure Ware positionieren.
Ist Ladendiebstahl ein großes Thema bei Budni?
Cord Wöhlke: Der normale Ladendiebstahl gehört seit Langem zu unserem täglichen Ärgernis. Aber zu einem großen Problem entwickelt sich der organisierte Ladendiebstahl.
Was heißt das konkret?
Cord Wöhlke: Da werden ganze Verkaufstheken voll mit Kosmetika oder anderen Produkten von mehreren Kriminellen in Sekundenschnelle abgeräumt. Da geht es um Waren im Wert von 1000 Euro oder mehr. Und unser Personal kann wenig machen. Wir wollen ja auch nicht, dass sich unsere Filialmitarbeiter einer Gefahr aussetzen. Ich habe schon mehrfach mit dem Polizeipräsidenten darüber gesprochen. Und ich kann bis heute nicht verstehen, dass es für den Fahrraddiebstahl oder für Wohnungseinbrüche Sonderkommissionen in Hamburg gibt, aber nicht für den organisierten Ladendiebstahl. Hier müssen Politik und Polizei endlich handeln. Denn schließlich ist es auch die Aufgabe des Senats, den Einzelhandel vor solchen Entwicklungen zu schützen.
Wie hoch sind die Schäden, die Ihnen durch den organisierten Ladendiebstahl entstehen?
Cord Wöhlke: Ich gehe von etwa 0,5 Prozent unseres Umsatzes aus – also mehr als zwei Millionen Euro im Jahr.
Christoph Wöhlke: Außerdem steigen die Kosten für die Sicherheit. Am Ende trägt die der Kunde mit. Darum gibt es ein gemeinsames Interesse von unseren Kunden und uns daran, dass Politik und Polizei hier entschiedener handeln.
Was würden Sie von einer Soko „Ladendiebstahl“ erwarten?
Cord Wöhlke: Ich würde mir wünschen, dass sich Experten bei der Polizei auf diese Form des organisierten Diebstahls konzentrieren – weil es ja nicht nur uns und unsere Wettbewerber unter den Drogerien betrifft, sondern sehr viel mehr Einzelhändler.
Christoph Wöhlke: Der Start der Flohmarktsaison ist übrigens für uns deutlich spürbar. Dann wird die bei uns gestohlene Ware über das Internet günstig vertrieben und landet schließlich auf Flohmärkten. Hier lässt die Politik offensichtlichen Schwarzhandel mit gestohlenen Waren zu, da die Nachverfolgung der Besitzverhältnisse mehr als schwierig ist. Hier müssen Wege gefunden werden, grundsätzlich gegen diesen auf Diebstahl beruhenden Markt vorzugehen.
Ist bei den Diebstählen in Ihren Filialen schon Personal verletzt worden?
Cord Wöhlke: Zum Glück nicht.
Christoph Wöhlke: Aber die Höhe und das Ausmaß der Taten belasten unsere Mitarbeiter psychisch zum Teil stark.
Kommen wir zurück zu den Filialen, die Sie 2018 noch eröffnen wollen. Gibt es da ein besonders spannendes Projekt?
Christoph Wöhlke: Ja, wir wollen mit zwei Filialen in Berlin starten, also mit den ersten außerhalb der Metropolregion Hamburg. Den Vertrag für einen Standort an der Schönhauser Allee haben wir bereits unterschrieben. Der andere Vertrag steht kurz vor dem Abschluss.
Wie viele Filialen in Berlin planen Sie?
Christoph Wöhlke: Wir beginnen jetzt zunächst mit zwei Filialen und testen, wie unser Konzept von den Berlinern angenommen wird. Merken wir, dass es gut läuft, werden wir uns weitere Standorte anschauen.
Wie zufrieden sind Sie bisher mit der neuen Drogeriemarkt-Kooperation mit Edeka?
Christoph Wöhlke: Die Zusammenarbeit läuft positiv an. Es ist nun ein Standort für die erste Budni-Filiale von Edeka gefunden worden – und diesen Prozess begleiten wir sehr eng. Sicherlich hätten wir gedacht, dass die Expansion schneller voranschreitet, aber es ist derzeit eben nicht so einfach, bundesweit einen passenden Standort für eine Drogeriefiliale zu finden. Der Markt ist äußerst eng.
Nun soll der erste neue gemeinsame Drogeriemarkt von Budni und Edeka nicht in Berlin, Köln oder Dresden, sondern im beschaulichen Bremerhaven eröffnen. Was ist der Grund für diesen – sagen wir – ungewöhnlichen Premiere-Standort?
Cord Wöhlke: Das können wir nicht beantworten, weil ja Edeka für die Auswahl der Standorte zuständig ist. Aber ich bin mir sicher, dass der Ort für die Filiale sehr genau ausgesucht wurde.
Werden die neuen Edeka-Budni-Filialen genauso aussehen wie die traditionellen Budni-Geschäfte?
Christoph Wöhlke: Ja, der Kunde soll im Markenkern keinen Unterschied bemerken. Dort wird unser blau-weißes Logo prangen, die Einrichtung wird ähnlich sein, aber es wird sicher auch – wie bisher schon an unseren aktuellen Standorten – lokale Unterschiede im Sortiment geben.
Herr Wöhlke, vor einem Jahr haben Sie im Abendblatt gesagt, dass Sie sich 2019 aus der Geschäftsführung zurückziehen und ihren Kindern das Feld überlassen wollen. Steht der Termin?
Cord Wöhlke: Ich denke, wenn der nun eingeschlagene Veränderungsprozess bei Budni so gut weiterläuft, dann werde ich 2019 aus der Geschäftsführung ausscheiden. Ich muss mir dann nur noch etwas Neues suchen. Denn ich kann nicht ohne Arbeit sein. Und der Tod lauert ja bekanntlich auf dem Sofa. (lacht)