Thomas Krebs, Vorstandssprecher der Saga Unternehmens-gruppe, lehnt eine CDU-Forderung ab, verteidigt Großwohnsiedlungen und droht Mietern, die ihre Wohnung illegal untervermieten
Seine Stimme hat in der Wohnungswirtschaft Gewicht. Thomas Krebs führt als Vorstandssprecher die Saga Unternehmensgruppe, die mit 130.000 Wohnungen und 1400 Gewerbeobjekten zu den fünf größten Vermietern in Deutschland gehört.
Herr Krebs, SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf hat jüngst im Abendblatt prognostiziert, dass Hamburg langfristig auch 2,2 Millionen Einwohner verkraften könnte. Dies würde bei einem Anstieg von 400.000 neuen Bürgern zwischen 200.000 und 280.000 neue Wohnungen bedeuten. Dann müsste besonders die Saga als das mit Abstand größte Wohnungsunternehmen der Hansestadt ihre Neubauanstrengungen vervielfachen. Ist das überhaupt machbar?
Thomas Krebs: Ich bin immer skeptisch, wenn lineare Prognosen einfach fortgeschrieben werden. Die Lebenserfahrung zeigt, dass es immer unerwartete Ereignisse gibt. Denken Sie nur an eine mögliche neue Euro-Krise. Oder an eine Rezession in Deutschland, die besonders Hamburg als Hafenstadt hart treffen würde. Wir haben das nach der Wiedervereinigung erlebt, als die Wohnungswirtschaft voll in den bestehenden Leerstand reingebaut hat. Damals schnellte die Leerstandsquote bei der Saga auf zwei Prozent hoch.
Das klingt nicht besonders dramatisch.
Doch, das war dramatisch. Zwei Prozent Leerstand im Gesamtunternehmen bedeuteten 20 Prozent Leerstand in den Großwohnsiedlungen. Dort stand im Schnitt jede fünfte Wohnung leer. Wohnungsmärkte sind immer zyklische Märkte. Derzeit profitieren wir von zwei Megatrends: von den historisch niedrigen Zinsen, wo sich allerdings eine Trendwende abzeichnet. Und von der Urbanisierung, also der Attraktivität der Großstädte mit der entsprechenden Zuwanderung. Niemand kann seriös prognostizieren, wie viele Jahre diese Zuwanderung anhalten wird. Wenn dieser Trend irgendwann bricht, kann sich der Markt drehen. Dann hätten wir von einem auf den anderen Tag eine ganz andere Diskussion. Bis dahin heißt aber die Devise: Bauen, bauen, bauen.
Mit dem Bau von wie vielen Wohnungen wird denn die Saga in diesem Jahr beginnen?
Vergangenes Jahr hatten wir die Marke mit 2000 Wohnungen fast erreicht, ich bin zuversichtlich, dass wir sie in diesem Jahr knacken werden.
Insgesamt will der Senat jedes Jahr mindestens 10.000 neue Wohnungen bauen. Viele Hamburger fragen sich, wo diese Wohnungen eigentlich entstehen sollen.
Zunächst geht es um weitere Nachverdichtung. Aber bei der Saga sind unsere Flächen weitgehend erschöpft. Wir sind dabei, die letzten Stellplätze, die letzten dafür sinnvollen Grünflächen zu bebauen. Im nächsten Zug brauchen wir die neuen Stadterweiterungsflächen. Im dritten Schritt geht es dann um Abriss und Neubau. Da sehen wir in dem in der Vergangenheit stiefmütterlich behandelten Osten noch sehr viel Potenzial.
Wenn Sie Wohnhäuser aus den 50er- und 60er-Jahren durch Neubauten ersetzen, schaffen Sie doch keine einzige Wohnung mehr.
Doch. Wir werden dies nur machen, wenn wir beim Neubau die Bruttogeschossfläche erhöhen können. Es kann sehr sinnvoll sein, etwa Nachkriegsbauten, die weder energetisch noch vom Komfort her den heutigen Anforderungen entsprechen, aus dem Bestand zu nehmen. Aber der Abriss/Neubau ist ein langwieriger Prozess. Wir müssen ja zunächst das Gebäude im Einverständnis mit den jetzigen Bewohnern entmieten. Das kann drei bis fünf Jahre dauern.
Denken Sie auch über einen Abriss der Großwohnsiedlungen der 1960er- oder 1970er-Jahre nach? Etwa in Mümmelmannsberg?
Das wäre betriebswirtschaftlicher und wohnungswirtschaftlicher Irrsinn. Diese Quartiere funktionieren inzwischen sehr gut. Die Bewohner haben eine hohe Identifikation mit ihrem Quartier, die leben sehr gerne dort. Entsprechend gering ist dort die Fluktuation.
Das war in den 1990er-Jahren noch ganz anders.
In der Tat. Wir haben 20 Jahre und knapp zwei Milliarden Euro gebraucht, um diese Quartiere zu drehen. Wir haben die Gebäude aufwendig saniert, wir haben sehr viel Geld in das Quartiersmanagement, die soziale Infrastruktur und soziale Projekte wie Hausaufgabenhilfen oder unser Sportprogramm „Move“ gesteckt. Jetzt bauen wir jedes Jahr 2000 Wohnungen. Umso wichtiger ist es für uns, die richtigen Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit für die Entwicklung der neuen Quartiere zu ziehen.
Welche Fehler wurden gemacht?
Einer der Fehler war eine falsche Belegungspolitik. Heute überlegen wir bei jeder frei werdenden Wohnung genau, welcher Bewerber passt in die Nachbarschaft. Und ein Riesenfehler war die Einführung der Fehlbelegungsabgabe.
Aber sie war gerecht. Damit zahlten Mieter, deren Einkommen die Grenzen im Sozialwohnungsbau überschritten, eine entsprechende Abgabe.
Diese Politik hat gut funktionierende Nachbarschaften zerstört, weil soziale Aufsteiger die Quartiere verlassen haben. Heute zahlt ein Saga-Mieter in Kirchdorf Süd 4,60 Euro im Schnitt pro Quadratmeter kalt. Wenn Besserverdiener jetzt zusätzlich eine Abgabe zahlen müssten, würde sich manche überlegen, lieber in ein begehrteres Quartier in Innenstadtlage umzuziehen. Doch gerade diese Mieter sind wichtig für eine gut funktionierende Nachbarschaft.
Hessen hat die Fehlbelegungsabgabe dennoch wieder eingeführt. Das eingenommene Geld fließt in den geförderten Wohnungsbau. Auf diese Einnahmen verzichtet Hamburg.
Nichts ist teurer, als ein funktionierendes Quartier zu gefährden. Die sozialen Kosten, um das aufzufangen, wären immens. Und sollte der Druck auf den Wohnungsmarkt irgendwann abnehmen, wären diese Quartiere bei einer Fehlbelegungsabgabe noch mehr gefährdet. Denn der Anreiz, in eine Wohnung in einer besseren Lage zu ziehen, würde zunehmen.
Viele Investoren klagen in Hamburg über Proteste von Anwohnern, wenn es um Nachverdichtung in ihrem Quartier geht. Welche Erfahrungen macht die Saga?
Die Akzeptanz sinkt immer weiter. Es gilt das Sankt-Florians-Prinzip: Wohnungsbau ist eine tolle Sache, aber bitte nicht bei uns. Das gilt nicht nur in teuren Eigentumswohnungslagen wie in Eppendorf, sondern auch in Meiendorf oder Dulsberg. In der Regel gewinnen wir zwar die Verfahren, wenn gegen unsere Neubauprojekte geklagt wird. Aber wir verlieren Jahre. Und Zeitverlust führt beim Bauen immer zu höheren Kosten. Wenn wir 12.000 Wohnungen pro Jahr bauen wollen, geht das nur mit Gemeinsinn. Wir appellieren an die Lokalpolitiker, dass sie stehen. Und nicht bei den ersten Protesten einknicken.
Durch die Bauanstrengungen gelten die Handwerksbetriebe als überlastet. Wie sehr macht Ihnen das zu schaffen?
Wir registrieren ein völliges Marktversagen. Wir haben große Probleme, bei Neubauten überhaupt noch Angebote zu bekommen, wenn wir Projekte ausschreiben. Manchmal bekommen wir gar keine. Oder sie sind völlig überteuert. Noch dramatischer ist es bei Maßnahmen im Bestand. Wir vermuten, dass es für viele Handwerkerfirmen attraktiv ist, in einem Neubau mit standardisierten Verfahren zu arbeiten, als eine komplexe Modernisierung zu übernehmen, die mitunter Jahre dauern kann.
Was sind die Ursachen des Mangels?
Die Krise im Baugewerbe Ende der 1990er-Jahre hatte Auswirkungen bis 2005. Das Firmensterben führte zu einem dramatischen Stellenabbau. Diese Entwicklung hat sich in die DNA vieler Unternehmen eingebrannt. Entsprechend vorsichtig agieren sie. Sie wissen, dass eine Ausweitung der Kapazitäten zum Problem werden kann, sollte sich der Markt drehen.
Wie begegnen Sie den Engpässen?
Wir pflegen intensiv die Kontakte zu den Firmen, mit denen wir seit Jahren zusammenarbeiten. Und wir wollen den Neubau standardisieren, um einzelne Vorhaben in großen Losen ausschreiben zu können. Das senkt den Aufwand und die Kosten. Auch vor diesem Hintergrund haben wir das Saga-Systemhaus entwickelt, das wir noch in diesem Jahr vorstellen wollen.
Was ist ein Systemhaus?
Ein Haus, das wir beliebig wiederholen können. Gleiche Statik, gleiche Ausstattung, gleiche Grundrisse. Nur an der Fassade und der Dachform sind Variationen denkbar.
Das klingt nach Einheitsbau.
Wir wissen, dass so etwas auf Skepsis stößt. Aber irgendeinen Kompromiss müssen Sie eingehen, wenn Sie bezahlbaren Wohnraum schaffen wollen. Das geht nicht, wenn man darauf besteht, dass jedes Haus ein Kunstwerk an sich sein muss. Im Übrigen waren auch die Geschossbauten der Gründerzeit, die heute so gefragt sind, Systemhäuser.
Mit Systembau wollen auch die Bauherren der Pilotprojekte in Bramfeld und Neugraben-Fischbek für Wohnraum sorgen. Fünf Jahre darf eine Kaltmiete von acht Euro pro Quadratmeter nicht überschritten werden. Aber entsprechend niedrig sind manche Standards. Es wird dort weder Aufzüge noch ein zweites Bad geben. Drohen uns diese Einschränkungen bei Ihren Systemhäusern auch?
Private Investoren, die mit uns das erste Mal bauen, sind immer wieder über unseren hohen Standard beim Neubau, insbesondere auch im ersten Förderweg, überrascht. Niemand muss sich sorgen, dass wir diesen absenken werden. Unsere Systemhäuser sind so kostengünstig, weil wir durch den Wiederholungsfaktor entsprechend große Mengen ausschreiben können.
Eine überraschende Allianz aus den Fraktionen der Linken und der CDU fordert derzeit, dass die Saga angesichts des Runs auf bezahlbaren Wohnraum ihre Mieten einfrieren soll.
Dies wäre ein Turbopreistreiber bei den Mieten, da ausgerechnet unsere günstigen Mieten aus dem Mietenspiegel herausfallen würden. Denn aus rechtlichen Gründen dürfen preisregulierte Wohnungen dort nicht berücksichtigt werden. Zudem brauchen wir jeden Euro für unsere Investitionen.
Na ja, die Saga hat 150 Millionen Euro im Jahr 2016 erwirtschaftet.
Wir weiten aber unsere Verschuldung dramatisch aus. Wir investieren jährlich 600 bis 700 Millionen Euro in den Neubau und in den Bestand. Angesichts unserer wirtschaftlich sehr guten Kennzahlen können wir das stemmen. Aber wenn wir unseren Bestand pflegen und gleichzeitig rund 2000 Wohnungen pro Jahr bauen sollen, muss man uns zugestehen, dass wir uns mit auskömmlichen Mieten finanzieren. Und wir erhöhen sehr moderat. Aber zu verteilen gibt es nichts. Wir haben keine Geldsäcke im Keller versteckt.
Wir haben jüngst über einen Saga-Mieter berichtet, der Zimmer seiner Wohnung seit Jahren gewerblich untervermietet, vor allem an Studenten. Die Einnahmen liegen viel höher als seine Miete. Was tun Sie gegen diese Abzockereien?
Diese Untervermietung ist in der Tat ein großes Problem, gerade in Szene-Stadtteilen. Wir reagieren mit juristischen Schritten, aber das Mietrecht ist hier schwierig. Anders sieht es aus bei den immer beliebteren tageweisen Vermietungen über Plattformen wie Airbnb. Wir haben hierfür einen systematischen Prüfansatz entwickelt. Wenn wir feststellen, dass ein Mieter illegal solche Offerten macht, mahnen wir sofort ab und drohen mit der sofortigen Kündigung. Das Signal ist eindeutig: Wer erwischt wird, kann seine Wohnung verlieren. Und es kommt offenbar an: In allen Fällen wurden die Angebote aus dem Portal genommen.
Herr Krebs, wo stünde Hamburg heute, wenn man die Saga wie von Vorgängersenaten angedacht verkauft hätte?
Da reicht ein Blick in Städte wie Dresden, wo man die kommunalen Wohnungsgesellschaften veräußert hat. Wir hätten dann die gleichen Probleme. Mit Investoren, die bei Sanierungen sparen und die Mieten bis zum Anschlag hochtreiben.