Hamburg. Straße am Rathaus soll zu Flanierboulevard werden – mit 23 Meter langer Sitzlandschaft. Mieter für Passage noch nicht bekannt.
Der Alte Wall liegt im Herzen der Stadt direkt am Rathaus und wurde über Jahrzehnte vor allem als Parkraum genutzt. Im Zuge der Revitalisierung des Gebäudekomplexes der ehemaligen Vereins- und Westbank ist die Straße jetzt vor allem eine Baustelle. Aber bis Anfang 2019 soll sie zu einer autofreien Flaniermeile für die Hamburger und Touristen umgestaltet werden. Dafür wurde ein Wettbewerb initiiert, zu dem drei renommierte Landschaftsarchitekten eingeladen wurden.
Die 14-köpfige Jury erteilte dem Hamburger Büro WES LandschaftsArchitektur den Zuschlag: „Vornehm und zurückhaltend im besten Sinne, so lässt sich der Entwurf von WES beschreiben. Ein Parkplatz wird zu einem öffentlichen Platz und vom Durchgangsraum zu einem wohlgestalteten Foyer für das Rathaus und das Bucerius Kunst Form“, so begründete Oberbaudirektor Franz-Josef Höing die Jury-Entscheidung. Mit der Neugestaltung des Alten Walls solle sich die Tradition dieses Ortes mit modernem Städtebau verbinden, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) zur Wahl.
Nach der Neugestaltung solle sich der Platzbelag wie ein eleganter kostbarer Teppich zwischen die beiden prachtvollen Gebäude legen, sagte Wolfgang Betz, geschäftsführender Gesellschafter von WES, über seinen Entwurf.
Keine Bäume und eine dezente Beleuchtung
Puristisch soll sich der neue Flanierboulevard zudem präsentieren. Es wird keine Bäume geben und nur eine dezente Beleuchtung. Als Hingucker werden zwei Kunstwerke von Òlafur Elìasson aufgestellt. Zum Ausruhen soll eine rund 23 Meter lange und 3,30 Meter breite Sitzlandschaft mit polierten ockerfarbenen Oberflächen einladen.
Die Neugestaltung des Alten Walls ist Teil eines der aktuell größten Bauvorhaben in der Innenstadt. Der Projektentwickler Art-Invest investiert an dem Standort rund 250 Millionen Euro. 150 Meter lang zieht sich die aufwendig restaurierte, denkmalgeschützte Fassade am Alten Wall entlang. Hinter diesen Mauern, verteilt auf fünf Gebäude, war einst der Sitz der Vereins- und Westbank. Der gesamte Gebäudekomplex hinter der Fassade wurde abgerissen und ein achtgeschossiger Neubau nach den Entwürfen der Hamburger gmp Architekten Gerkan, Marg und Partner errichtet. Der Bezug ist sukzessive ab Frühjahr 2019 geplant. Dann soll auch das Bucerius Kunst Forum, das innerhalb des Objekts umzieht, auf rund 3200 Quadratmetern in neuen Räumen eröffnen.
Entlang des Alten Walls entstehen auf rund 10.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche drei Ebenen für Einzelhandel und Gastronomie – die auch auf den Außenflächen Tische aufstellen werden. Allerdings hat Art-Invest immer noch keine Mieter für die Flächen benannt. Neues zum Stand der Vermietung gebe es aus vertraglichen Gründen noch nicht, sagte eine Sprecherin auf Abendblatt-Anfrage. Die rund 17.100 Quadratmeter Bürofläche sind bereits weitgehend vermietet.
Großprojekte trotz Leerstand in der City
In Hamburg entsteht immer mehr Einzelhandel, obwohl bereits beispielsweise am Neuen Wall zahlreiche Flächen leer stehen, beziehungsweise von temporären Pop-up-Stores genutzt werden. Nur wenige Hundert Meter vom Alten Wall entfernt wurden in den Stadthöfen an der Stadthausbrücke rund 40 Flächen für Einzelhandel und Gastronomie geschaffen. Dort sind die ersten Eröffnungen bis Ende 2018 geplant. In der HafenCity soll bis 2021 ein Einkaufsquartier mit 200 Geschäften entstehen.
Dazu kommt, dass immer mehr Kunden ihre Waren im Internet bestellen. Das weiß auch Citymanagerin Brigitte Engler: „In einer Zeit, in der der Online-Handel immer bedeutsamer wird, ist es für Quartiere wichtig, Qualität anzubieten, die im Internet nicht erlebt werden kann. Hierzu gehören zum Beispiel Atmosphäre, Authentizität und Aura.“ Engler sagte weiter, sie sei sich sicher, dass Einheimische und Gäste den Alten Wall wieder als Quartier entdecken werden, in dem sie sich wohlfühlen, weil Flanieren, Shoppen und Kunst genießen gleichermaßen möglich sei.