Hamburg. Ralph Dannheisser musste als Kind aus der Hansestadt fliehen. Mit 80 Jahren nimmt er wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an.

Das ist die Geschichte von einem 80 Jahre alten Mann, der als Kind seine Heimatstadt Hamburg verlassen musste. Ralph Dannheisser, der heute in den USA lebt, kam am 29. April 1938 als Sohn jüdischer Eltern in der Hansestadt auf die Welt. Knapp sieben Monate später steckten braune Horden Hamburgs einzige freistehende Synagoge in Brand. Sie stand am Bornplatz und bot 1200 Menschen Platz. Auch weitere jüdische Einrichtungen und Geschäfte wurden in der Nacht zum 10. November zerstört. Sie ging als "Pogromnacht" in die Geschichte ein.

30.000 Menschen verhaftet

Überall im Deutschen Reich zündeten die Nazis in der Nacht des 9./10. November 1938 Hunderte von Synagogen an, 30.000 Menschen wurden von der Gestapo verhaftet und Tausende jüdische Geschäfte zerstört. Für die jüdische Familie Dannheisser stand angesichts dieser Entwicklung nun endgültig fest, aus Deutschland zu fliehen. "Als Ende 1938 Nachbarn auf der Straße attackierten und andere auf rätselhafte Weise verschwanden und Synagogen in ganz Deutschland plünderten und in Flammen aufgingen, erkannten meine Eltern, dass sie gehen mussten, um zu überleben", erinnerte sich der ehemalige Hamburger kürzlich in einem Beitrag für die "Washington Post".

Antisemitische Gesetze

Zuvor hatten bereits seine Eltern und Großeltern durch die antisemitischen Nürnberger Gesetze die Staatsbürgerschaft verloren. Mit dem Erlass der Nürnberger Gesetze im September 1935 wurden Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland ihrer Bürgerrechte beraubt. Als Jude galt fortan, wer drei jüdische Großeltern hatte, der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörte oder mit einem sogenannten "Volljuden" verheiratet war. "Allein im gesamten Jahr 1935 fliehen rund 21.000 Juden aus Deutschland, in den beiden Folgejahren pendelt sich die Anzahl der Ausreisenden auf diesem Niveau ein", heißt es in einem Beitrag der Bundeszentrale für Politische Bildung.

Die Dannheissers flohen in die Niederlande und fanden zunächst eine Unterkunft in einem Flüchtlingslager in Rotterdam. Während Ralph Dannheisser und seine Eltern schließlich 1940 ein Visum für die Vereinigten Staaten erhielten, mussten seine beiden Großeltern zunächst noch in den Holland bleiben. Sie überlebten nicht und wurden in Konzentrationslagern ermordet, darunter in Auschwitz.

Er arbeitete als Reporter

In Washington fand Ralph Dannheisser später seine neue Heimat. Er arbeitete als Journalist für die Nachrichtenagentur Reuters und berichtete regelmäßig über den US-Kongress. Im Jahr 2005 reiste er erstmals wieder in seine alte Heimatstadt Hamburg. Die Hansestadt bot regelmäßig Holocaust-Opfern aus den USA eine Gruppenreise an, um das demokratische Deutschland besser kennen zu lernen. Dannheisser besuchte die wachsende jüdische Gemeinde und kam mit Schülern ins Gespräch.

Die Hamburg-Reise war für ihn ein Wendepunkt: Er begann, über die deutsche Staatsbürgerschaft nachzudenken. Denn das Land hatte sich verändert. Dannheisser erinnerte sich auch an das Grundgesetz, Artikel 116, Absatz 2, und das darin verankerte Recht:

„Frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8.Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge sind auf Antrag wieder einzubürgern. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben."

Merkels Flüchtlingspolitik

Es dauerte noch ein paar Jahre, bis der Entschluss reifte, vor diesem Hintergrund wieder deutscher Staatsbürger zu werden. Ausschlaggebend war für ihn nicht nur die starke Demokratie des wieder vereinten Deutschlands, sondern auch die Flüchtlingspolitik. Die "freundliche Haltung" gegenüber Flüchtlingen unter Bundeskanzlerin Merkel habe seine Wertschätzung weiter erhöht, betont er. Erschüttert sei er freilich darüber, dass jenes Land, das er vor 80 Jahren verlassen musste, inzwischen humanitärer agiere als das Land, das ihn damals aufgenommen habe.

Im November vergangenen Jahres fand in der deutschen Botschaft in Washington die feierliche Einbürgerungsfeier statt. "Zutiefst bewegend" sei die Zeremonie mit dem Generalkonsul Holger Scherf gewesen, sagte Dannheisser, der heute in Silver Spring lebt. Er sei sehr stolz darauf, ein Amerikaner zu sein. Und jetzt, 80 Jahre später, sei er wieder stolz darauf, auch ein Deutscher zu sein.