Poppenbüttel. 78-Jährige verliert beim Ausparken die Kontrolle. Zwei Frauen, ein Kleinkind und Fahrerin schwer verletzt

Am Ende der Schreckensfahrt bietet sich den Rettungskräften ein Bild der Verwüstung. Ein zerstörtes Auto steht vor einem Brillengeschäft auf dem Fußweg, ein völlig demolierter Kinderwagen liegt herum, dazu drei schwer verletzte Frauen, ein schwer verletztes Baby und drei weitere in Mitleidenschaft gezogene Kinder. Das ist die Bilanz eines schweren Unfalls, den eine 78 Jahre alte Autofahrerin am Dienstagnachmittag beim Ausparken im Stadtteil Poppenbüttel verursacht hat. Den Polizeiangaben zufolge hat die Seniorin bei dem tragischen Manöver mit ihrem VW Golf mindestens drei Menschen erfasst. Auch die Unfallfahrerin wurde schwer verletzt.

Was war passiert? Laut übereinstimmenden Angaben von Feuerwehr und Polizei hat die Frau gegen 14.30 Uhr beim Rangieren ihres Wagens auf der Harksheider Straße die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren. Ersten Erkenntnissen zufolge wollte sie ausparken, wobei sie mit ihrem Automatikwagen einen vor ihr stehenden VW Touran rammte und eine Frau verletzte, die am Kofferraum stand. Die Frau kam mit Verletzungen ins Krankenhaus. In ihrem Wagen sollen ihre drei Kinder gesessen haben, die nach dem Aufprall von einer Notfallseel­sorgerin und ihrem Vater betreut werden mussten – sie hätten einen Schock erlitten.

Doch damit endete das Desaster nicht. Die 78 Jahre alte Unfallfahrerin setzte nach dem Zusammenstoß offenbar zurück, fuhr gegen den hinter ihr geparkten Wagen, legte den Vorwärtsgang ein und trat aufs Gas. Dabei fuhr sie auf einen Fußweg und erfasste dort mit ihrem Auto eine Frau, die mit einem Kinderwagen unterwegs war.

Feuerwehr mit 40 Kräftenim Einsatz

Die Fußgängerin, wahrscheinlich die Mutter des Kindes, wurde dabei lebensgefährlich verletzt. Auch das ein Jahr alte Kind habe schwere Verletzungen bei dem Zusammenstoß davongetragen. Sein Gesundheitszustand habe sich im Lauf des Tages weiter verschlechtert. Laut Feuerwehr wurden im Krankenhaus innere Blutungen festgestellt.

Kurz nach diesem verheerenden Unfall sei die Fahrerin mit ihrem Wagen gegen einen Baum geprallt. Dabei zog auch sie sich schwere Verletzungen zu. Unter Begleitung eines Notarztes wurde sie ins Krankenhaus gebracht.

Die Feuerwehr war mit 40 Einsatzkräften vor Ort, auch der Rettungshubschrauber wurde eingesetzt. Die Polizei hat die Ermittlungen zur Unfallursache aufgenommen, ersten Erkenntnissen zufolge gehen die Beamten nicht von einer vorsätzlichen Handlung aus. Die Harksheider Straße wurde für die Dauer des Einsatzes vollständig gesperrt.

Indes dürften durch diesen Unfall die Diskussionen über die Fahrtüchtigkeit von Senioren erneut aufflammen. In jüngerer Zeit waren schwere Unfälle, die von älteren Autofahrern verursacht wurden, in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Im März 2017 etwa hatte eine 78-Jährige in Lohbrügge die Kon­trolle über ihr Auto verloren, weiter Gas gegeben und zwei ihr entgegenkommende Autos gerammt. Insgesamt wurden damals fünf Personen verletzt.

Für besonders großes Aufsehen hatte schon im Februar 2017 ein spektakulärer und teurer Unfall im Landkreis Harburg gesorgt. Dort war eine 84-Jährige mit Vollgas in eine Waschstraße gefahren. Ungebremst war sie durch die Anlage gefahren, hatte dabei Teile der Technik aus der Verankerung gerissen, war über das Tankstellengelände und einen Bürgersteig gebrettert und erst auf einer viel befahrenen Straße zum Stehen gekommen. Dort hatte ihr Wagen, ebenfalls eine Automatikausführung, die rechte Seite eines vorbeifahrenden Ford Focus erfasst.

Laut Experten lässt sich allerdings nicht pauschal sagen, wie sehr das Alter die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Dem Abendblatt sagte Torsten Milarg, Kursleiter und Fahrsicherheitstrainer beim ADAC, erst jüngst, dass die Hör- und Sehfähigkeit zwar nachlassen, ebenso das Reaktionsvermögen. „Doch wie fit Ältere am Steuer sind, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch grundlegend.“ Als kritische Schwelle gilt laut Experten prinzipiell das 75. Lebensjahr.