Hamburg. Wie wird die Lohnerhöhung refinanziert? Klar ist: Die Müllgebühren werden steigen. Und dabei dürfte es nicht bleiben.
Es ging schon auf 3 Uhr in der Nacht zu, als endlich alle Beteiligten zugestimmt hatten: 2,3 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen erhalten in drei Stufen bis zum Jahr 2020 rund 7,5 Prozent mehr Lohn. Darauf verständigten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber nach drei Tage zähen Verhandlungen in der Nacht zum Mittwoch in Potsdam.
Während Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lobte, „dass der öffentliche Dienst in Zukunft wettbewerbsfähig ist, dass wir IT-Leute, Ingenieure, etc. auch für den öffentlichen Dienst gewinnen“, und Ver.di-Chef Frank Bsirske über „das beste Ergebnis seit vielen Jahren“ jubelte, begann in Hamburg bereits das große Rechnen: Was kostet das Ergebnis die Stadt?
Nach Angaben der Finanzbehörde betrifft der Abschluss etwa 23.740 Beschäftigte, wobei mehr als 7000 Erzieherinnen und knapp 3000 Mitarbeiter der Stadtreinigung die größten Gruppen stellen. Hinzu kommen Pflegekräfte, Wissenschaftler sowie Beschäftigte in den Bereichen Hafen, Staatstheater, Museen, Bücherhallen, Hamburg Messe, Verbraucherzentrale, Flughafen, Friedhöfe und Statistikamt. Hinzu kommen mehrere Hundert Beschäftigte des Bunds in der Hansestadt.
125 Millionen Euro Mehrausgaben
Das rückwirkend zum 1. März vereinbarte Lohnplus von 3,19 Prozent lasse die Gehälter im Schnitt um rund 1300 Euro im Jahr steigen – führt also zu Mehrausgaben für die Stadt von gut 30 Millionen Euro. Da die Gehälter zum 1. April 2019 noch einmal um 3,09 Prozent und zum 1. März 2020 um weitere 1,06 Prozent steigen, summieren sich die Mehrausgaben für die Stadt über die Laufzeit des Tarifvertrags von 30 Monaten auf rund 125 Millionen Euro.
Zum Vergleich: Bundesweit soll der Tarifabschluss etwa 7,5 Milliarden Euro kosten, wovon 2,2 Milliarden auf den Bund entfallen. Darin enthalten sind auch diverse Unterpunkte der Vereinbarung, etwa dass Auszubildende 2018 und 2019 je 50 Euro pro Monat mehr Lohn erhalten.
Auch die zwei Warnstreiks im März und April in Hamburg hätten „dazu beigetragen, dass sich die Arbeitgeber nach zähen Verhandlungen bewegen mussten“, sagte der Hamburger Ver.di-Chef Berthold Bose. Siegline Frieß, die als Fachbereichsleiterin für Ver.di an den Verhandlungen teilgenommen hatte, hob hervor, dass es gelungen sei, etwas für junge Menschen zu tun und die Gehälter für Sozialarbeiter, Techniker und Ingenieure anzuheben, die von der Verwaltung dringend gesucht würden.
„Keine kleine Aufgabe für den Haushalt“
Von der Stadt erwarte sie nun, dass der Abschluss auch ausfinanziert werde: „Es ist genug Geld da“, sagte Frieß mit Blick auf den Haushaltsüberschuss von fast einer Milliarde Euro im Jahr 2017. „Die Stadt als Arbeitgeber muss nun dafür sorgen, dass dieser Abschluss nicht zulasten der Beschäftigten geht, indem an anderer Stelle gespart wird.“
Unterstützung erhielt sie vom Sozialverband Deutschland (SoVD): Die Stadt müsse die Mehrausgaben finanzieren, „ohne dass Leistungen eingeschränkt werden oder gar Personal abgebaut wird“, so der Landesvorsitzende Klaus Wicher. Den Abschluss halte er „für sozialpolitisch richtig, denn von dieser Lohnerhöhung profitieren vor allem Berufsgruppen, in denen sowieso nicht besonders viel verdient wird“.
Dass die Finanzierung kein Selbstgänger wird, ließ Bettina Lentz, Staatsrätin der Finanzbehörde, durchblicken: „Es ist gut, dass wir eine Einigung erzielen konnten. So wurden weitere Streiks abgewendet. Der Abschluss ist aber auch recht hoch ausgefallen. Das wird keine kleine Aufgabe für den Haushalt.“
Konsequenzen für städtische Kitas sind noch unklar
Bevor allerdings die Stadt direkt einspringt, sind nun zunächst die betroffenen Unternehmen gefordert, sich Gedanken über die höheren Kosten zu machen. Die Stadtreinigung ist da schon relativ weit: „Diese Mehrausgaben müssen aus den Gebühreneinnahmen gedeckt werden“, sagte Sprecher Reinhard Fiedler. Konkret: Da das Unternehmen nur 1,5 Prozent Tarifsteigerung pro Jahr eingeplant hatte, führt der höhere Abschluss zu ungeplanten Mehrkosten, die über die Müllgebühren gedeckt werden müssen. Grob überschlagen rechne man mit Erhöhungen zum 1. Januar 2019 von knapp zwei Prozent, so Fiedler.
Beim städtischen Kita-Träger Elbkinder äußerte man sich am Mittwoch hingegen noch nicht zu Konsequenzen. Da die Gehälter der rund 4200 Pädagoginnen in den 186 Kitas aber ganz überwiegend über Zahlungen der Sozialbehörde aus dem Kita-Gutschein-System finanziert werden, müssen diese vermutlich weiter steigen. Tarifabschlüsse würden bei diesen Entgelten immer berücksichtigt, versicherte Behördensprecher Marcel Schweitzer: „Es sind keine Einsparungen notwendig, und es muss keine Erzieherin entlassen werden.“
Ver.di-Chef Bose dachte schon einen Schritt weiter und forderte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf, den angekündigten Mindestlohn von zwölf Euro in allen städtischen Betrieben und deren Tochterunternehmen zeitnah umzusetzen.