Hamburg. Unternehmen erhöht Preise, um Zustellern mehr Lohn zahlen zu können. Auch neue Shops und eine emissionsfreie Lieferung sind geplant.

Deutschlands zweitgrößter Paketdienst Hermes erwartet in den kommenden Jahren ein weiterhin starkes Wachstum bei Zustellungen. „Die Zahl der Sendungen von Onlinehändlern zum Endkunden wird sich in den nächsten 20 Jahren verdreifachen“, sagte Carole Walker, die seit November 2017 amtierende Europa-Chefin des zur Otto-Gruppe gehörenden Unternehmens, am Mittwoch in Hamburg. Hermes werde deshalb in den nächsten Jahren zusätzlich 500 Millionen Euro in seine Infrastruktur, die Digitalisierung sowie in neue Dienstleistungen für die Kunden investieren, kündigte die Britin bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das vergangene Jahr an.

Frank Rausch, Vorstandschef von Hermes Deutschland, erwartet hierzulande eine noch rasantere Entwicklung. „Die Zahl der Pakete in Deutschland wird sich bis 2025 auf etwa drei Milliarden verdoppeln“, sagte er. Die stark steigenden Mengen zu bewältigen werde für die Branche immer schwieriger. Und ein wesentlicher Grund dafür sei die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt. „Es wird zunehmend komplizierter, Fahrer für die Zustellung der Pakete zum Endkunden zu gewinnen“, sagte Rausch.

Zum Jahresende wird ein Aufschlag erhoben

Aktuell gebe es zwar keinen Fahrermangel, aber im letzten Quartal des Jahres, wenn die täglichen Paketmengen im Weihnachtsgeschäft und nach den Onlinehandels-Aktionstagen Black Friday und Cyber Monday um bis zu 50 Prozent steigen, könnte das wieder der Fall sein. „Schon 2017 haben in dieser Phase mehrere Tausend Fahrer in der gesamten Branche gefehlt.“

Hermes hatte deshalb in einigen Regionen Deutschlands von Onlinehändlern nur vorab vereinbarte Höchstmengen von Paketen abgenommen. Zugleich kündigte Rausch bereits Anfang Dezember Preiserhöhungen für die Unternehmen an, die mit Hermes versenden. Das hat das Unternehmen, das mittlerweile zu 80 Prozent Sendungen transportiert, die nicht von anderen Unternehmen der Otto Group stammen, zum 1. März umgesetzt.

„Hermes hat die Preise um durchschnittlich 4,5 Prozent angehoben“, sagte Rausch. Er kündigte zudem an, dass das Unternehmen zum Jahresende 2018, wenn die Paketmengen wieder deutlich steigen, erstmals einen sogenannten Peak-Zuschlag erheben wird. Die Höhe steht noch nicht fest, Rausch sprach von einem „deutlichen Aufschlag“. Ob die Versender den höheren Preis an die Endkunden weitergeben, ist deren Entscheidung.

Löhne sollen deutlich über Mindestlohn liegen

Die Preiserhöhungen sollen zum größten Teil in Lohnerhöhungen für die Zusteller fließen, sagte Rausch. „Um neue Zusteller zu gewinnen, müssen wir das Berufsbild verbessern, und dazu gehört auch eine Entlohnung, die signifikant über dem Mindestlohn liegt.“ Dieser liegt bei 8,84 Euro. Angestrebt würden im Mittel 9,50 Euro pro Stunde. Das Gros der 12.000 Fahrer ist allerdings nicht bei dem Paketdienst angestellt, sondern bei Subunternehmen.

Angesichts des stark steigenden Paketaufkommens vor allem in Großstädten müsse aber das gesamte Zustellsystem „neu gedacht werden“, sagte Rausch. „Die gesamte Branche steht vor einer Zäsur.“ In Deutschland werde Hermes noch in diesem Jahr eine Reihe von Neuerungen einführen, die den Service für die Endkunden verbessern.

So soll die Planung der Zustelltouren digitalisiert werden, sodass Paketempfänger ab dem Sommer ein Zeitfenster von 30 bis 60 Minuten für die Anlieferung an der Haustür erhalten. Zudem soll es die überarbeitete Hermes-App künftig erlauben, ein Paket auch kurzfristig noch umzudirigieren – und etwa in einen der Hermes-Shops liefern zu lassen.

„Wir werden den Kunden mehr Möglichkeiten anbieten, wie sie an ihr Paket kommen oder eines versenden“, sagte Rausch. So soll die Zahl der Hermes-Paketshops von derzeit 17.000 bis 2020 auf etwa 20.000 wachsen. Derzeit sei Hermes darüber in vielversprechenden Gesprächen mit großen Einzelhandelsunternehmen, sagte Rausch. In Berlin lässt das Unternehmen derzeit zudem die Zustellung von Paketen an den Arbeitsplatz testen.

Ab Frühjhar 2019 emissionsfreie Zustellung

In Hamburg will Hermes bereits in wenigen Wochen die ersten Elektrotransporter einsetzen, die derzeit gemeinsam mit Daimler entwickelt werden. Es sind Vorserienmodelle der 1500 batteriebetriebenen „Sprinter“ und „Vito“, die der Paketdienst bei dem Autobauer in Auftrag gegeben hat. Rausch sagte, nach der für das Frühjahr 2019 geplanten Fertigstellung des neuen Paketzentrums am Billbrookdeich werde Hermes in der Hansestadt Pakete emissionsfrei zustellen.

Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen europaweit 766 Millionen Pakete transportiert, ein Plus von 15 Prozent gegenüber 2016. Der Umsatz stieg um 12 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro, die Zahl der Mitarbeiter um acht Prozent auf 15.300. Hermes ist außer in Deutschland auch in Großbritannien, Frankreich, Österreich, Italien und Russland tätig.

„Wir freuen uns sehr über das bisher erfolgreichste Geschäftsjahr unserer Firmengeschichte“, sagte Carole Walker, die seit mehr als 30 Jahren für Logistikunternehmen der Otto-Gruppe tätig ist und nun an mehreren Tagen pro Woche von Hamburg aus die Europageschäfte von Hermes vorantreibt. Der Paketversand über Ländergrenzen hinweg steigt derzeit auch außergewöhnlich stark.