Hamburg. In der Stadt sind nur 49 Halter von gefährlichen Tieren registriert. Experten halten die Zahl für zu niedrig. Kontrolleure klagen.

Zwei Angriffe von Hunden mit drei Toten haben in Deutschland zuletzt Aufsehen erregt – und in Hamburg die Erinnerung an den Tod von Volkan geweckt. Der Sechsjährige war im Jahr 2000 auf einem Schulhof in Wilhelmsburg von einem Staffordshire und einem Pittbull Terrier zerfleischt worden. Nach seinem Tod hat Hamburg als erstes Bundesland eine Hundeverordnung und später ein spezielles Gesetz eingeführt. Darüber hinaus wurde der Hundekontrolldienst (HKD) eingerichtet. Was hat der tatsächlich bewegt? Wie ist die aktuelle Rechtslage? Reichen die Hamburger Konsequenzen aus? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist im Hamburger Hundegesetz festgelegt?
Das 2006 eingeführte Hunde­gesetz wurde 2012 noch einmal verschärft. Es schreibt einen allgemeinen Leinenzwang, die Hunderegistrierung sowie die Pflicht, die Hunde mit einem Chip kennzeichnen zu lassen und eine Haftpflichtversicherung für sie abzuschließen, vor.

Wer kontrolliert die Einhaltung?
Das übernehmen die acht Außendienstmitarbeiter des beim Bezirksamt Mitte angesiedelten Hundekontrolldienstes. Außerdem werden sie bei Beißattacken und anderen Gefährdungen von Mensch und Tier eingeschaltet und begleiten die Polizei bei Einsätzen, an denen Hunde beteiligt sind. Bestand ihre Aufgabe am Anfang lediglich darin, das Verbot von Kampfhunden zu kontrollieren, müssen sie mittlerweile im gesamten Stadtgebiet und in Naturschutzgebieten die Einhaltung von Anlein- oder Chippflicht kontrollieren. Nach Abendblatt-Informationen klagt das Team regelmäßig über Arbeitsüberlastung. Auch der Umgang mit uneinsichtigen Hundehaltern ist oft schwierig.

Welche Hunde gelten als gefährlich?
Die Rassen American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzungen gehören zur Kategorie eins und dürfen nur in Ausnahmefällen gehalten, aber weder gezüchtet noch importiert oder exportiert werden.

Kommentar: Verbietet die Kampfhunde!

Hunde der Rassen Bullmastif, Dogo Argentino, Dogue de Bordeaux, Fila Brasileiro, Kangal, Kaukasischer Owtscharka, Mastiff, Mastin Español, Mastino Napoletano, Rottweiler und Tosa Inu dürfen nur mit Erlaubnis gehalten werden, müssen in einem Wesenstest ihre Ungefährlichkeit beweisen und in der Öffentlichkeit einen Maulkorb tragen. Alle hier aufgeführten Hunde werden Listenhunde genannt.

Wie viele Angriffe gab es 2017?

Der Beißstatistik der Hamburger Gesundheitsbehörde zufolge kam es 2017 zu 166 Vorfällen, davon gingen fünf auf das Konto von Listenhunden. 2015 gab es 155 Beißvorfälle, 2010 noch 270. Der HKD hat in diesem Jahr schon 48 Beißvorfälle dokumentiert, in 23 Fällen wurden Menschen angegriffen, drei Kampfhunde waren beteiligt.

Wie viele Kampfhunde gibt es in Hamburg?

Die Zahl wird nicht erfasst, wohl aber die der Halter. Laut Sprecher Christopher Harms sind unter den bei der Finanzbehörde registrierten 49.076 Haltern 49, die einen oder mehrere als gefährlich geltende Hunde haben.

Werden alle gefährlichen Hunde gemeldet?

„50 Besitzer von Kampfhunden findet man alleine auf dem Kiez“, so ein Experte, der von einer hohen Dunkelziffer ausgeht. Immerhin ist die Steuer für einen Listenhund mit 600 Euro deutlich höher als für einen „normalen“ Hund (90 Euro).

Dazu kommt, dass auch die Zahlen der von der Gesundheitsbehörde erstellten Beißstatistik zu den Angaben der Finanzbehörde in einem Missverhältnis stehen. So leben laut Gesundheitsbehörde von den vier Listenhund-Rassen, die 2017 in der Beißstatistik auftauchten (Kaukasischer Owt-scharka, Kangal, American Stafforshire Terriermischling und Rottweiler-Mischling), 151 Hunde in Hamburg. Das würde bedeuten, dass jeder der bei der Finanzbehörde registrierten 49 Hundehalter drei Hunde dieser Rasse besitzen müsste. Nach Abendblatt-Informationen könnte das Missverhältnis an den „Umdeklarierungen“ von gefährlichen Mischlingen in „harmlose“ Hunderassen liegen, die offenbar immer mehr Kampfhundbesitzer vornehmen lassen.

Wie geht es mit Chico aus Hannover weiter?

Bei dem Staffordshire-Terrier-Mischling, der in Hannover Herrchen und Frauchen getötet hat, soll geklärt werde, ob ihm trotz einer Kiefererkrankung ein für den Wesenstest erforderlicher Maulkorb angelegt werden kann. Erst danach wird entschieden, ob er eingeschläfert wird oder in eine Spezialeinrichtung kommt. Mehr als 250.000 Menschen hatten eine Onlinepetition gegen seine Tötung unterstützt. Die Stadt ist wegen Versäumnissen im Umgang mit dem gefährlichen Hund unter Druck. Das Veterinäramt hatte bereits 2011 Hinweise auf eine gesteigerte Aggressivität des Hundes gegeben.