Hamburg. „Dancer in the Dark“: Regisseur Bastian Kraft inszeniert an der Gaußstraße die Adaption des Lars-von-Trier-Films.
Der dänische Regisseur Lars von Trier gilt als genialer Filmemacher. Seine Arbeitsmethoden allerdings sind umstritten. Nicole Kidman wollte nach dem Film „Dogville“ (2003) nicht mehr mit ihm arbeiten. Ebenfalls dagegen entschied sich die Popsängerin Björk (2000) nach der Zusammenarbeit für „Dancer in the Dark“. Sie warf ihm Übergriffe verschiedener Natur vor, die sie im Zuge der #MeToo-Debatte auch öffentlich wiederholte.
Der Theaterregisseur Bastian Kraft kennt die Vorwürfe: „Ich hoffe, dass Schauspieler bei mir zu keiner Zeit das, was sie als Figur durchleiden, im Arbeitsprozess gedoppelt erleben.“ Von Trier wird vielfach beschuldigt, seine Hauptfiguren erniedrigt und gedemütigt zu haben, um zu bestimmten Ergebnissen zu kommen. Eine Arbeitsweise, die Kraft vollkommen ablehnt. „In meiner Erfahrung geben Schauspieler oft mehr von sich, je souveräner man sie arbeiten lässt.“
Existenzielle Konflikte
Unabhängig von der belasteten Arbeitsweise, ist Bastian Kraft fasziniert von den Stoffen des dänischen Regisseurs. Nach seiner Inszenierung von „Dogville“ (2014 in Köln) steckt er nun in den Endproben für „Dancer in the Dark“, Premiere ist heute Abend im Thalia in der Gaußstraße. Die Geschichte hat für den jungen Regisseur, der seit Jahren regelmäßig am Thalia inszeniert („Der Zerbrochne Krug“, „Amerika“), jenseits seiner filmischen eine große inhaltliche Qualität. „Lars von Trier erfindet Geschichten, die unerbittlich in existenzielle Konflikte führen“, so Kraft. „Man kann sie stark im Theater erzählen.“
Im Mittelpunkt von „Dancer in the Dark steht die Fabrikarbeiterin und tschechische Einwanderin Selma, die vor ihren Kollegen mithilfe von Freundin und Kollegin Kathy eine Augenkrankheit verbirgt. Auch ihr Sohn droht zu erblinden. Die Dinge entgleisen, als ihr das Geld für die Augen-Operation des Sohnes gestohlen wird. Ein Mord geschieht. Ab da folgt der Film einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale. Von Trier, Mitbegründer der dänischen „Dogma“-Filmschule, eines unerbittlichen Naturalismus, mischt diesen knallhart mit Showelementen aus den 1950er-Jahren. Selma träumt sich als Laiendarstellerin in Musicalwelten.
Kraft setzt Geschichte als Kammerspiel in Szene
Kraft hat sich den Stoff gewünscht, auch weil er gerne eine Geschichte mit Frauen im Zentrum erzählen wollte. Björk-Fan sei er natürlich. Aber inzwischen sei er vor allem Fan seiner Hauptdarstellerin Lisa Hagmeister, die in Hamburg die Rolle der Selma übernimmt. „Es geht nicht darum, den Film nachzuspielen. Lisa Hagmeister transportiert eine ganz eigene Art von Zerbrechlichkeit und Durchlässigkeit. Sie hat einen sehr persönlichen Zugang zu Figuren, die in ihrer eigenen Welt leben.“
Auch die Musik ist eine andere. Statt der Björk-Songs erklingen drei Lieder aus dem im Film thematisierten Musical „The Sound of Music“. Die Schauspieler werden nicht nur singen, sondern auch für eine starke rhythmische Ebene sorgen. Kraft hat sich bewusst gegen eine opulente Show auf der großen Bühne entschieden, will die Geschichte als Kammerspiel erzählen, nah an den Figuren, intim, ganz wie der Film.
Derzeit beobachtet Kraft, der einst Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen studiert hat, eine hohe Bedeutung musikalischer Mittel am Theater. „Das geschieht ja immer in Wellen, wenn man etwa an die Erfolge von Robert Wilson in den 1990er-Jahren denkt. Die besondere Kraft von Musik liegt darin, dass man sehr direkt an Emotionen herankommt.“ Auch im Alltag der Hauptfigur von „Dancer in the Dark“ spielt Musik eine prägende Rolle.
Die Geschichte bringe ihn immer wieder an Punkte, an denen er nicht wisse, wie er eine Situation bewerten solle. „Das ist das Beste, was einem im Theater passieren kann.“ Und es sei natürlich der Hauptfigur geschuldet. „Selma ist eine sehr geradlinige Person und zögert keinen Moment bei ihren Entscheidungen. Das finde ich zutiefst beeindruckend“, sagt Kraft. „Ihre Selbstlosigkeit steht in radikalem Widerspruch zum Egoismus unserer Zeit. Dieser klare innere Kompass macht sie für mich zu einer Art Lichtgestalt.“
„Wie in einer griechischen Tragödie“
Der Film hält einige Wendungen bereit, immer wieder denkt man, es müsste doch einen anderen Ausweg geben, der Mord müsste nicht passieren, das Geld, das Selma gestohlen wird, hätte sie doch auf der Bank aufbewahren können. „Das ist wie in einer griechischen Tragödie“, findet Bastian Kraft. Die unterschiedlichen Ebenen will er in unterschiedlichen Ästhetiken erzählen. Eine wird dem Filmrealismus folgen, eine andere, die Kraft noch nicht verraten mag, wird für Abstraktion sorgen.
„Dancer in the Dark“ Premiere Mi 28.3., 20.00, Thalia in der Gaußstraße, Gaußstraße 190, Karten unter T. 32 81 44 44