Hamburg. Tarifstreit im öffentlichen Dienst: 2000 Beschäftigte legen Arbeit nieder. Neben Kitas auch Bücherhallen und Stadtreinigung betroffen.

In der Kita Wagrierweg in Niendorf ist es an diesem Morgen ungewöhnlich ruhig. Normalerweise toben um diese Uhrzeit die Kinder hier ausgelassen. Heute ist das Tor jedoch verschlossen und kein Kind in Sicht. Ein ähnliches Bild bietet die nahe gelegene Kita Bindfeldweg. Ein Schild im Eingangsbereich informiert die Eltern darüber, dass sich die gesamte Belegschaft im Warnstreik befindet und die Kita geschlossen bleibt. Das gilt an diesem Tag für 34 der 186 Elbkinder-Kitas.

Im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes haben die Gewerkschaften am Mittwoch erstmals die Muskeln spielen lassen: Mindestens 2000 Beschäftigte legten in Hamburg die Arbeit nieder und ließen auf Kundgebungen im Hafen und am Gewerkschaftshaus Dampf ab. „Die Arbeitgeber und damit auch unsere Politiker wissen anscheinend überhaupt nicht mehr, wie viel die Menschen zum Leben brauchen“, sagt Ver.di-Tarifkoordinatorin Sieglinde Frieß. „Das sieht man ganz deutlich bei Minister Spahn, der sich ein gutes Leben bei Hartz IV vorstellen kann. Sollen sie doch mal versuchen, mit einem Gehalt von einer Erzieherin oder einem Straßenreiniger über die Runden zu kommen.“

Ver.di fordert sechs Prozent mehr Geld

Ver.di fordert für die bundesweit rund 2,3 Millionen Beschäftigten in den Kommunen und beim Bund – darunter 25.000 in Hamburg – sechs Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro im Monat. Die Arbeitgeber haben bislang kein Angebot vorgelegt. „Kein Angebot, nichts, nada, niente. Das ist unglaublich“, ereifert sich Frieß. Vor der nächsten Verhandlungsrunde am 15. April wolle man weiter Druck machen.

Schon am Mittwoch waren die Auswirkungen beträchtlich: Die Bücherhallen Alstertal, Bramfeld, Eimsbüttel und Neuallermöhe konnten nicht öffnen, von den zwölf Recyclinghöfen der Stadtreinigung blieben sieben geschlossen, und auch die Müllabfuhr kam nicht überall planmäßig.

Notbetreuung in Kitas ist organisiert

Sollte es zu weiteren Streiks kommen, wissen die Eltern der 28.000 Kinder in den städtischen Elbkinder-Kitas zumindest, was auf sie zukommt. 126 Kitas haben an diesem Mittwoch eine Notbetreuung organisiert, eine davon ist die am Wernigeroder Weg in Niendorf. Hier herrscht am Morgen geschäftiges Treiben. Eltern bringen ihre Kinder, um danach schnell weiter zur Arbeit zu fahren. So wie Corinna Rix, die sich glücklich darüber zeigt, dass es wenigstens eine Notbetreuung gibt: „Wenn ich mir wegen des Warnstreiks extra einen Tag freinehmen müsste, wäre ich schon sauer, obwohl ich verstehen kann, dass die Betreuer mehr Geld für ihre Arbeit verlangen“, sagt die Mutter, die sich gleich wieder auf ihr Fahrrad schwingt und zur Arbeit radelt.

Auch die Kita Brahmsallee in Harvestehude läuft im Notbetrieb. „Das ist eine schwierige Situation für uns alle“, sagt Leiter Maik Golinski. Von 25 Betreuern befänden sich neun im Streik, fünf weitere fielen krankheitsbedingt aus. ­„Übrig blieben elf Erzieherinnen und Erzieher sowie zwei Leute aus der Leitung. Daher mussten wir Gruppen zusammenlegen“, berichtet Golinski. Die Eltern hätten sich sehr solidarisch gezeigt. Von den 160 Kindern seien nur 120 in die Notbetreuung gegeben worden. „Viele Eltern haben ihre Kinder auch früher abgeholt, um uns zu entlasten“, so Golinski.

Eltern zeigen Verständnis für Streikende

„Ich finde es vollkommen richtig, dass die Erzieherinnen streiken“, sagt Britta Nowak, die gerade ihren Sohn aus der Kita abholt. „Wir sind hier sehr glücklich mit den Erziehern, die sollten besser bezahlt werden.“ Ähnlich sieht es auch Catharina Kaymaz: „Endlich setzen sie sich für einen höheren Lohn ein.“ Natürlich sei es für die Eltern nicht einfach, eine alternative Betreuung zu finden. Sie selbst arbeitet im Homeof­fice und hätte es daher einrichten können, auf ihren Sohn Nicki aufzupassen.

Demonstration der Streikenden am Mittwoch in Hamburg
Demonstration der Streikenden am Mittwoch in Hamburg © dpa | Daniel Reinhardt

Etwas kritischer sieht das Katrin Knecht. Sie hätte sich Urlaub nehmen müssen, wenn die Kita ihre Tochter nicht aufgenommen hätte. Sie sei zwar grundsätzlich für Streiks, diese müssten sich jedoch im Rahmen halten: „Mit wochenlangen Streiks bin ich nicht einverstanden.“ Auch Gesa Steinberg übt Kritik: „Dieser Streik wird auf dem Rücken der Kinder ausgetragen, das finde ich nicht gut.“ Denn es gehe ja um mehr als darum, „nur einige Stunden auf die Kinder aufzupassen“, gibt die Mutter zweier Kita-Kinder zu bedenken. Warmes Essen, Erziehung, vertraute Betreuer, Mittagsschlaf – solche Aspekte kämen an Streiktagen zu kurz.

Beim Betreiber Elbkinder zeigte man Verständnis für beide Seiten: „Wir bedauern, dass der Warnstreik für viele Eltern zu organisatorischen Unannehmlichkeiten führt“, sagt Sprecherin Katrin Geyer. „Als Arbeitgeber respektieren wir aber das Streikrecht.“ Gut möglich, dass die Beschäftigten davon nochmals Gebrauch machen.