Hamburg. Forschungszentrum stellt Zukunftsstrategie für Campus in Bahrenfeld vor. Neue Anlage soll noch detailreichere Bilder liefern.
Das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy) in Bahrenfeld will seine großen Forschungsanlagen erheblich ausbauen. Zu den Plänen zählen der Bau des besten 3-D-Röntgenmikroskops der Welt und eine Erweiterung des Röntgenlasers European XFEL, außerdem soll ein neues Zentrum für Datenauswertung entstehen, wie Desy-Chef Helmut Dosch am Dienstag bei einer Präsentation der „Strategie Desy 2030“ erklärte. „Wir entwickeln den Campus in Hamburg mit unseren Partnern von Bund, Stadt, Universität Hamburg und weiteren Forschungsinstitutionen zu einem Welthafen der Wissenschaft“, sagte Dosch. „Dies kann in den nächsten 15 Jahren Milliarden-Investitionen für den Aufbau neuer Forschungszentren und -anlagen mit sich bringen.“
Dosch bezieht sich dabei nicht nur auf das Desy-Gelände, sondern auf den gesamten Forschungscampus in Bahrenfeld, wo auch Gebäude der Universität Hamburg untergebracht sind und sich unter anderem auch die Max-Planck-Gesellschaft engagiert. Auf dem Areal arbeiten mehr als 3000 Menschen aus mehr als 60 Nationen, etwa 2000 von ihnen bei Desy. Hinzu kommen 3000 internationale Gastforscher pro Jahr.
Für die geplanten neuen Anlagen gibt es noch keine Finanzierungszusage. Es ist unklar, wie viel Geld der Ausbau im Einzelnen kosten wird und auch, welche Fördergelder vom Bund und vom Land Hamburg fließen werden. Insofern sind die Desy-Pläne zunächst eine ambitionierte Absichtserklärung. Von einer „mutigen und weitsichtigen Strategie“ sprach Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, zu der das Desy gehört.
100-mal detailreichere Bilder
Einen groben Zeitplan gibt es zumindest für PETRA IV, das „ultimative 3-D-Röntgenmikroskop“: Bis 2019 soll das detaillierte Konzept für die Anlage vorliegen, bis 2021 soll die Bauanleitung fertig sein. Im Jahr 2026 könnten die ersten Experimente starten.
PETRA IV soll 100-mal detailreichere Bilder von Abläufen aus dem Nanokosmos liefern, als es mit der bestehenden Anlage PETRA III in Bahrenfeld möglich ist. Der Nanokosmos ist die Welt der Moleküle und Atome, es geht um Strukturen, die kleiner sind als 100 Nanometer. Ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter.
Wenn PETRA IV die geplante Leistung erreichte, würde die neue Maschine an der Grenze des physikalisch Machbaren arbeiten. Forscher könnten damit etwa dem Verschleiß einer Batterie im Betrieb im Detail zusehen und die Batteriefunktion verbessern, oder sie könnten die chemischen Vorgänge an bestimmten Stellen von Katalysator-Nanopartikeln verfolgen und die Funktion von Katalysatoren verbessern.
Auch Röntgenlaser XFEL soll verbessert werden
Das Desy, das auch einen Standort in Zeuthen (Brandenburg) unterhält, wird zu 90 Prozent vom Bundesforschungsministerium und zu zehn Prozent von den Ländern Hamburg und Brandenburg finanziert. Dementsprechend könnten sich die Kosten für das neue 3-D-Röntgenmikroskop aufteilen.
Eine erhebliche Leistungssteigerung plant das Desy zusammen mit der Forschungseinrichtung European XFEL auch für den riesigen Röntgenlaser XFEL. Dieser könnte laut Desy zusammen mit dem geplanten neuen Röntgenmikroskop PETRA IV „ein ideales Team“ bilden. Bei chemischen Reaktion lichtet der Röntgenlaser mithilfe von extrem intensiven und kurzen Blitzen winzige Teilchen schneller ab, als sie sich bewegen. Aus den Einzelaufnahmen lassen sich dann Filme zusammensetzen – „Molekül-Kino“ nennen das einige Forscher.
Datenmenge entspricht zwei Millionen DVDs
Das Desy betreibt den Teilchenbeschleuniger des European XFEL. Dieser sorgt dafür, dass derzeit bis zu 6000 Röntgenblitze pro Sekunde entstehen können – mittelfristig sollen sich bis zu 27.000 Röntgenblitze pro Sekunde erzeugen lassen. Langfristig aber will das Desy die Beschleunigertechnologie so weiterentwickeln, dass bis zu eine Million Röntgenblitze pro Sekunde produziert werden können. Dieser Erweiterung des European XFEL zustimmen und sie bezahlen müssten die zwölf Länder, die an dem Röntgenlaser beteiligt sind. Seit Montag gehört auch Großbritannien zu den Unterstützern.
Je mehr die Forschung auf dem Campus in Bahrenfeld und bei der European XFEL GmbH in Schenefeld (Schleswig-Holstein) ausgebaut wird, desto mehr Daten häufen sich an. Bei den Experimenten werden allein die sechs Detektoren des Röntgenlasers European XFEL schätzungsweise bis zu zehn Millionen Gigabyte Daten liefern – so viel wie auf etwa zwei Millionen DVDs passen.
Um den zunehmenden Anforderungen bei der Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen gerecht zu werden, soll auf dem Hamburger Campus bald auch ein Center for Data and Computing Science entstehen. Dies hatte der von der Wissenschaftsbehörde eingesetzte MINT-Forschungsrat empfohlen.