Hamburg. Bürgerschaft beschließt Antrag von Abgeordneten der CDU, SPD und der Grünen. FDP und Linke kritisieren, das Ergebnis habe schon vorher festgestanden
Sie wollte nichts beschönigen: „Für mich ist die Person Luther hoch problematisch“, sagte Stefanie von Berg am Mittwoch in der Bürgerschaft. Antisemitische Äußerungen seien „völlig inakzeptabel – egal, in welchem Kontext“. Damit bezog sich die Grünen-Politikerin auf die judenfeindliche Schriften des Theologen – und die Empörung jener Bürger, die wegen dieser dunklen Seite im Leben des Reformators gegen den Reformationstag als zusätzlichen Feiertag in Hamburg sind.
Der 31. Oktober sei aber „kein Luther-Gedenktag“, so von Berg. Vielmehr stehe dieser Tag dafür, „dass unsere Gesellschaft immer wieder Erneuerung braucht, dass Missstände behoben und Werte überdacht werden – so wie vor 500 Jahren“. Der Reformationstag markiere den „Aufbruch in eine aufgeklärte, säkulare, moderne Welt“ und liefere „auch den Impuls, sich immer wieder mit Antisemitismus in der Mitte unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen“.
Ähnlich wie von Berg argumentierten am Mittwoch auch SPD-Fraktionschef Andreas Dressel und CDU-Fraktionschef André Trepoll, die stellvertretend für ein parteiübergreifendes Bündnis erläuterten, warum sie für den 31. Oktober als neuen gesetzlichen Feiertag in Hamburg sind. Damit setzten sie sich am Ende wie erwartet durch: Ihrem Antrag stimmten 66 von 121 Abgeordneten zu. Der neue Feiertag soll nach ihrem Willen kein rein protestantischer Feiertag werden, sondern alle Religionsgemeinschaften ansprechen. Als Zeichen dafür wählten sie den Namen „Tag der Reformation“ statt Reformationstag. Für die Abstimmung war der Fraktionszwang aufgehoben worden. In dem beschlossenen Antrag wird in erster Linie der norddeutsche Reformator und Luther-Vertraute Johannes Bugenhagen gewürdigt. Anders als Luther habe sich Bugenhagen für die Juden eingesetzt, sagte die SPD-Politikerin Dora Heyenn.
Freier Eintritt in die öffentlichen Museen
Mit dem zusätzlichen Feiertag holt Hamburg im Vergleich zum Süden auf: Bayern etwa hat 13 Feiertage, Hamburg nun zehn. An jedem 31. Oktober soll der Eintritt in die öffentlichen Museen frei sein, damit sich die Hamburger mit Stadtgeschichte, Kunst und Kultur auseinandersetzen können. Keine Mehrheit fanden nach der zweieinhalbstündigen Debatte drei andere Vorschläge für Feiertage: der Tag der Befreiung am 8. Mai, also die Kapitulation von Hitler-Deutschland 1945, der Internationale Frauentag am 8. März und der Tag des Grundgesetzes am 23. Mai.
Neun Abgeordnete stimmten gegen einen zusätzlichen Feiertag, zwei enthielten sich. Einige kritisierten, es habe keine ergebnisoffene Parlamentsdebatte gegeben. Linken-Politikerin Christiane Schneider verwies darauf, dass die norddeutschen Regierungschefs vor Wochen vereinbart hatten, den 31. Oktober zum gemeinsamen Feiertag im Norden zu machen. „Damit haben sie unsere Debatte hier entwertet“, sagte Schneider. Von einer „Farce“ sprach der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörn Kruse.
Niedersachsen entscheidet frühestens im April
Der Landtag in Kiel stimmte in der vergangenen Woche zu; in Mecklenburg-Vorpommern gibt es den Reformationstag schon als Feiertag. In Niedersachsen könnte im April eine Entscheidung fallen, in Bremen gibt es noch kein Datum.
„Ein zusätzlicher Feiertag schadet der Wirtschaft“, sagte Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein. Davon abgesehen müssten viele Menschen an diesem Tag dann trotzdem arbeiten.
Für den Weltfrauentag (8. März) als Feiertag warben leidenschaftlich Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken, unter ihnen auch Männer. Mehr als 100 Jahre nach dem ersten Internationalen Frauentag sei Deutschland von Geschlechtergerechtigkeit weit entfernt, sagte Linken-Politiker Deniz Celik. So würden Frauen im Schnitt immer noch schlechter bezahlt als Männer. „Der 8. März bleibt ein Frauen-Kampf-Tag.“
Lob von Mitgliedern anderer Fraktionen erhielt Christiane Schneider (Linke), die sich für den Tag der Befreiung starkgemacht hatte. „Die Menschenwürde ist antastbar, wenn die Gesellschaft dies zulässt“, sagte Schneider. Der 8. Mai stehe für einen Neubeginn, für die Aufgabe, gegen Hass vorzugehen, und er könne zur „Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung dienen“.
Scharfe Kritik einstecken musste die AfD, die in einem eigenen Antrag für den Tag des Grundgesetzes (23. Mai) geschrieben hatte, ein neuer Feiertag solle positiv besetzt sein – was für den Tag der Befreiung (8. Mai) nicht gelte. „Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind“, sagte Linken-Abgeordnete Heike Sudmann.
Es sei „blanker Hohn“, sagte Mareike Engels von den Grünen, dass die AfD für den 23. Mai als Feiertag sei. „Sie, die ständig zentrale Werte des Grundgesetzes infrage stellen. Sie, die ein Klima des Hasses und Intoleranz verbreiten.“ Kruse entgegnete, Engels Worte seien eine Unverschämtheit. „Wir verstehen uns als Verfechter des Grundgesetzes.“