Hamburg. Neue Volksinitiative fordert Ende der Strom- und Wärmeerzeugung aus Kohle
„Tschüss Kohle“ – unter diesem Namen ist am Mittwoch im Rathaus eine neue Volksinitiative an den Start gegangen. Ihr Ziel ist es, dass in der Hansestadt ab 2025 keine Wärme und ab 2030 auch kein Strom mehr aus Kohle produziert werden. „Wir sorgen dafür, dass Kohlekraftwerke abgeschaltet werden – ein unerlässlicher Schritt gegen den Klimawandel“, sagte Wiebke Hansen, eine von drei Vertrauenspersonen der Initiative. Sie war schon bei der Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“ aktiv, die 2013 per Volksentscheid dafür gesorgt hatte, dass die Stadt die Energienetze zurückkaufen musste.
Weitere Vertrauenspersonen der Initiative sind Ulrike Eder vom Zentrum für Mission und Ökumene in der Nordkirche und Ulf Skirke vom Zukunftsrat Hamburg. „Klimawandel und Klimaschutz sind eine Frage von weltweiter Gerechtigkeit“, sagte Eder. „Der Ausstieg aus der Kohleverbrennung bewahrt unsere Schöpfung und damit die Lebensgrundlagen von Milliarden von Menschen – heute und in Zukunft.“ Skirke verwies auf die bei den Klimakonferenzen in Paris und Bonn bekräftigten Ziele, den weltweiten CO2-Ausstoß bis 2030 um 50 Prozent abzusenken und die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen: „Das geht nur mit beschleunigtem Kohleausstieg.“
Außer dem Zukunftsrat und Teilen der Nordkirche stehen hinter „Tschüss Kohle“ weitere zehn Organisationen wie Attac, Germanwatch, Naturfreunde Hamburg und Robin Wood. Die Initiative muss nun zunächst 10.000 Unterstützer-Unterschriften sammeln. Gelingt das, könnte sich ein Volksbegehren anschließen (dafür sind 65.000 Unterschriften nötig) und danach gegebenenfalls ein Volksentscheid parallel zur Bürgerschaftswahl Anfang 2020.
Im Großraum Hamburg gibt es noch drei Kohlekraftwerke: Wedel, Moorburg und Tiefstack – alle betrieben von Vattenfall. Der schwedische Energiekonzern und der rot-grüne Senat sind infolge des Netze-Rückkaufs ohnehin dabei, die Energieversorgung in Hamburg umzustellen. Geplant ist, Wedel bis 2022 abzuschalten und Tiefstack kurz darauf auf Gas umzustellen. Knackpunkt in den Verhandlungen wie für die Volksinitiative ist daher Moorburg. Während Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) strikt dagegen ist, Fernwärme aus dem relativ neuen Riesen-Kraftwerk zu nutzen, um dieses nicht nachträglich zu legitimieren, fordert Vattenfall genau das – auch um Moorburg wirtschaftlicher zu machen.
Die Initiative unterstützt die Pläne der Umweltbehörde, ihre Forderungen gehen aber noch darüber hinaus. So will sie eine Änderung des Wegegesetzes mit dem Ziel, dass die Stadt keine öffentlichen Flächen mehr für den Bau von Leitungen zur Verfügung stellt, sofern durch diese Rohre auch Wärme aus Kohleverbrennung fließen soll. Sollte sie sich damit durchsetzen, würde die Auskoppelung von Fernwärme in Moorburg praktisch unmöglich und der Betrieb des Kraftwerks langfristig unattraktiv. Darüber hinaus soll sich der Senat dafür einsetzen, dass das Kraftwerk 2030 abgeschaltet wird. Wiebke Hansen räumte ein, dass die Stadt über keinen „Ausknopf“ verfüge, den sie einfach drücken könne. Aber sie könnte sich auf Bundesebene dafür stark machen, dass kein Strom mehr aus Kohle produziert werden darf.
Während die Initiative betonte, dass sie sich bei der Formulierung ihres Gesetzestextes intensiv juristisch beraten ließ, stellte die FDP die Legitimität der Forderungen infrage: „Wir haben große Zweifel, ob die Formulierung der Volksinitiative rechtmäßig ist“, sagte Fraktionschef Michael Kruse. „Die Initiative steht in ihrer ideologischen Motivation dem grünen Umweltsenator in nichts nach. Das bewusste Nicht-Anbinden des Kraftwerks Moorburg an das Fernwärmenetz ist ökonomisch und ökologisch schädlich.“
CDU und FDP halten die Initiative für gesetzeswidrig
Ähnlich sah es Stephan Gamm (CDU): „Das Vorhaben der Initiative ,Tschüss Kohle‘ ist unseriös, gesetzeswidrig und blendet die Frage nach den Folgekosten für die Fernwärmekunden komplett aus. Insbesondere die vollständig fehlende Benennung der drohenden Preissteigerungen entlarvt die Initiatoren als reine Öko-Ideologen.“
Nachdem es 2013 massive Kritik am Engagement eines Kirchenvertreters in der Netze-Initiative gegeben hatte, betonte die Nordkirche nun, dass sie zwar den Kohleausstieg unterstütze, es aber intern „unterschiedliche Ansichten“ darüber gebe, ob dazu die Beteiligung an einer Volksinitiative nötig ist. Daher beteilige sich „nicht die ganze Nordkirche“, sondern nur das Zentrum für Mission und Ökumene.