HafenCity. Nach mehr als einem Jahr Bauzeit hat die italienische Lagunenstadt im Miniatur Wunderland eröffnet. Was den Abschnitt besonders macht

Mit Größe kann Venedig nicht punkten. Weder in der Realität noch im Miniatur Wunderland in der Speicherstadt. Auf gerade einmal neun Quadratmetern haben die Braun-Brüder und ihr Team ihre persönliche Lagunenstadt geschaffen. Wie immer mit eigener Interpretation und besonderen Szenen.

Da ist der bekannte britische Spezialagent auf Verbrecherjagd – die Modellbauer haben die Szene aus „Moonraker“ nachgestellt, bei der „Festa delle Marie“ zum venezianischen Karneval werden die zwölf schönsten Mädchen der Stadt gekürt, und an einer anderen Stelle läuft jemand übers Wasser. Ist es Jesus? Es gibt wieder viel zu entdecken in dieser Mini-Welt mit seinen 230 Häusern. Allein der Dogenpalast ist aus 2700 Einzelteilen gefertigt. In diesem Wirrwarr aus Kanälen und Gassen braucht es ein wenig Geduld, die vielen kleinen Dinge zu sehen. Und wie immer kann der Besucher das Geschehen beeinflussen. Per Knopfdruck lassen sich Tauben erschrecken, können eine Brücke zum Einsturz gebracht und Bücherregale im Dogenpalast umgekippt werden. Selbst das Wasser mit den Gondeln können Besucher per Knopfdruck in Bewegung setzen.

Im Mini-Venedig fahren keine Züge, bewegt sich nur wenig

Doch unterscheidet sich Venedig vom üblichen Konzept. Der Abschnitt ist abgekoppelt vom Rest und liegt wie eine Insel in einer Ecke. Es geht etwas gemächlicher zu, es fahren keine Züge, selbst die Gondeln bewegen sich nicht. „Darüber bin ich ein wenig traurig“, sagt Projektleiter Tobias Haase. Aber nicht immer haut im Kleinen technisch hin, was im Großen selbstverständlich ist. „Wir wollten sämtliche 150 Gondeln fahren lassen, aber die Masse an Gondeln war zu groß.“ Und bei dem Modellbauer-Team gilt: ganz oder gar nicht. Also in diesem Fall gar nicht. Die Gondeln liegen auf dem blauen Wasser aus Kunstharz. Das ist auch schön. Und wer weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt, weiß es doppelt zu schätzen: Einen halben bis einen ganzen Tag Arbeit hat Modellbauer Felix Ellhardt in jede einzelne Gondel investiert, er hat sie per Hand bemalt und mit winzigen Metallornamenten verziert.

Felix Ellhardt war natürlich nicht allein. Bis zu 60 Wunderland-Mitarbeiter haben in den vergangenen 19 Monaten an Venedig gewerkelt. Mehr als 35.000 Arbeitsstunden haben die Mitarbeiter an der Kulisse mit den Gassen, Kanälen, Gondeln und Palazzi gearbeitet. Das macht das Mini-Venedig mit einer Million Euro Kosten auch so teuer. Es sind aber nicht die üblichen Touristen-Attraktionen allein, die im Mittelpunkt stehen. „Wir üben ja auch meist gesellschaftspolitische Kritik“, sagt Projektleiter Tobias Haase, und so werden die Massen an Kreuzfahrtschiffen und der Klimawandel ebenfalls aufgegriffen. Es ist auch das alltägliche Leben, das die Modellbauer darstellen wollen. Da ist die alte venezianische Frau, die nach Jungs auf dem Skateboard schlägt, und während auf dem Kanal Gondeln mit küssenden Pärchen unter der Seufzerbrücke entlangfahren, kümmert sich wenige Wasserstraßen weiter die Müllabfuhr um die Abfälle, stellt die Post Briefe per Boot zu. Das Ziel ist, das Lebensgefühl wiederzugeben und diesen morbiden Charme. „Das haben wir geschafft“, sagt Modellbau-Chef Gerhard Dauscher. Für die Recherche war er mit sechs Leuten vor vier Jahren nach Venedig gereist. „Die Anlage muss zu mir sprechen“, sagt er. Das tut sie offenbar. Denn Gerhard Dauscher fühlt sich, als sei er vor Ort. „Beim ersten Anblick hatte ich das Gefühl, ich stehe in Venedig.“ Mehr geht nicht.

Aber was sagen die Chefs des Ganzen? Gerrit Braun ganz direkt: „Das ist geil geworden.“ Venedig sei eine Herzensangelegenheit gewesen. Das sagen die Brüder Frederik und Gerrit Braun zwar bei jedem Abschnitt, aber mit Venedig ist es eben anders: „Venedig gehört eigentlich zum Italien-Abschnitt, aber die Stadt brauchte ihren eigenen Raum“, so Gerrit Braun. Venedig habe Geschichten zu erzählen. Während in anderen Abschnitten Miniaturbäume oder Hausfassaden dazu gekauft werden konnten, ist in der Lagunenstadt alles handgemacht. „Mit einem rekordverdächtigen Quadratmeterpreis von weit mehr als 100.000 Euro war Venedig wahrlich kein Schnäppchen, aber das sagenhafte Ergebnis zeigt, dass es diese Investition auf jeden Fall wert war. In jedem Winkel unseres Miniatur-Venedigs steckt so viel Liebe – das lässt sich in Zahlen gar nicht bemessen“, sagt Frederik Braun.

Und das nächste Projekt wird auch schon angegangen: In zwei Jahren soll der Bereich Monaco eröffnet werden – Autorennen inklusive. Wenn alles klappt. „Autorennen in Miniatur technisch zu realisieren, wird noch eine besondere Herausforderung“, so Gerrit Braun. Doch die mag er.