Hamburg. Immer mal wieder kommen Inszenierungen bei Kritik und Premierenpublikum nicht an. Kurzfristige Konsequenzen lassen sich kaum ziehen.
So ein Buhsturm ist etwas Beeindruckendes. Kürzlich bei der Premiere vonBeethovens „Fidelio“ erwischte er den Hausherrn und Regisseur Georges Delnon und sein Regieteam. Die Rezensenten gingen noch weiter und beurteilten sowohl die szenischen als auch die musikalischen Leistungen großenteils kritisch – auch das Abendblatt.
Neuproduktionen ernten Reaktionen in allen Abstufungen von Jubel bis Ablehnung, das ist Theateralltag. Nur: Was folgt eigentlich daraus für die Arbeit des Opernhauses? Greift der Regisseur zum Spaten und gräbt um, beraumt der Dirigent weitere Proben an, wird das Stück gar abgesetzt?
Medienecho ist nicht wichtig
„Wichtig ist für uns nicht nur das Medienecho, sondern auch, wie das Publikum die Produktion aufnimmt“, sagt Michael Bellgardt, Sprecher der Staatsoper. Und das sei bei „Fidelio“ zunächst sehr erfreulich. „Die Premierenserie ist zu über 96 Prozent ausgelastet.“ Die Verantwortlichen unterscheiden nicht nur zwischen dem Echo der Fachwelt und dem Zuspruch des Publikums, sie wissen auch, dass das Premierenpublikum oft ganz anders reagiert als das Repertoirepublikum, das in den Folgevorstellungen sitzt.
Im Gegensatz zu den Sprechtheatern ist es an der Oper üblich, Inszenierungen von Stücken des Kernrepertoires immer wieder aufzunehmen, manche Produktionen sogar jahrzehntelang: Folke Abenius’ Lesart der „Traviata“ etwa wurde in Hamburg erst nach 38 Jahren abgelöst, Achim Freyers „Zauberflöten“-Deutung von 1982 lief bis 2016, als Jette Steckel eine Neuinszenierung brachte.
Manövrierfähig wie ein Supertanker
Bei den Bayreuther Festspielen legen die Regisseure zur Wiederaufnahme durchaus noch einmal Hand an. Dort laufen Inszenierungen mehrere Sommer hintereinander. An einem Haus mit großem Repertoire dagegen sind ein paar Jahre Pause keine Seltenheit. „Es kann sein, dass ein Regisseur bei der Wiedereinstudierung dabei ist“, sagt Bellgardt, „aber in der Regel ist eine Wiederaufnahme Aufgabe der Spielleitung.“ Die kann dafür auf das Regiebuch zurückgreifen, gewissermaßen die Bibel der Produktion.
Schlägt die öffentliche Resonanz auf die Gestaltung der Spielpläne durch? Wenn überhaupt, dann ganz, ganz langsam, denn die Flexibilität der Planung in einem Opernhaus ähnelt der Manövrierfähigkeit eines Supertankers. Der Vorlauf bei international engagierten Künstlern beträgt drei bis fünf Jahre. Mal eben umdisponieren, das geht nicht.
Eine Norm gibt es nicht
Es war die große Ausnahme, dass das Haus auf den überwältigenden Zuspruch von Kritik und Publikum für Bergs „Lulu“ hin die Sopranistin Barbara Hannigan, fast das gesamte übrige Ensemble, die Geigerin Veronika Eberle und Kent Nagano auf zusätzliche Termine einschwören konnte. Am Ende bestimmt natürlich der Intendant, wie lange eine Produktion läuft. Eine Norm gibt es nicht. „Das“, sagt Bellgardt, „ist dann eine künstlerische Entscheidung.“