Hamburg. Massive Kritik an neuem Bewertungsportal. Die Schulbehörde würde gern einschreiten – darf es oft aber nicht.

Was auf der Webseite mit dem grammatikalisch nicht ganz unfallfreien Namen „CheckDeinLehrer“ über Hamburger Lehrer zu lesen ist, erfüllt nicht immer einen Straftatbestand. Den der Verleumdung zum Beispiel, der üblen Nachrede oder der Beleidigung.

Derartige Kommentare gibt es zwar reichlich auf dem neuen Lehrerbewertungsportal, aber daneben eben auch solche, die sich ironisch, sachlich und sogar wohlwollend mit den Pädagogen beschäftigen. Schlimm wird es allerdings, wenn Schüler unter dem Deckmäntelchen der Anonymität ihre Lehrer an den Pranger stellen – da wird im übelsten Gossendeutsch gepöbelt, beleidigt und gehetzt.

Auf „CheckDeinLehrer“ sind 26 der 72 Hamburger Gymnasien und neun der 84 Stadtteilschulen gelistet. Rund 400 Bewertungen wurden abgegeben. Klickt man eine der Schulen an, erscheint ein Bild vom Schulgebäude, darunter stehen die bewerteten Lehrer mit ihren Namen, teilweise auch mit einem Foto. Bis zu fünf Sterne können eingeloggte Nutzer in den Kategorien Verständlichkeit, Hausaufgaben, Fairness, Klausuren, Hilfsbereitschaft und Humor vergeben – schon diese Bewertungen fallen häufig (sehr) negativ aus.

Mindestens eine Lehrerin hat Anzeige erstattet

Darunter hinterlassen sie nicht selten gehässige, sogar menschenverachtende Postings. In einem heißt es mit Bezug auf eine Lehrerin und eine Schülerin: „Heute stellen wir uns die Frage, wer sollte sich zuerst umbringen?“ In einem anderen Fall heißt es: „Ich helfe gerne, eine alte, verrückte Frau aus ihrem Sumpf von sexueller Frustration herauszuholen.“ Dann: „Er ist vor Kurzem zum Alkoholismus konvertiert.“ Oder auch: „Sie ist einfach scheiße!“ Äußerungen wie „Depp“, „hässliche Fischaugentante“, „fette Kuh“, „behindert“, „Ratte“, „Mängelwesen“ oder „Bitch“ (Hure) gehören noch zu den harmloseren. Häufig ist die Grenze zur Schmähkritik überschritten.

Derartige Hass-Kommentare gehen an den Betroffenen natürlich nicht spurlos vorüber. Mindestens eine Lehrerin hat Anzeige wegen Verleumdung und Beleidigung erstattet; öffentlich äußern will sie sich nicht. Nur so viel: Sie sei „extrem betroffen und erbost“. Um ihre Identität zu schützen, verzichtet das Abendblatt darauf, Passagen aus der gegen sie gerichteten Tirade zu zitieren. „Wir haben den Fall an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet“, sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth. Welche real existierenden Personen hinter „Check­DeinLehrer“ stecken, sei nicht bekannt.

Seite wird vom „Ministerium gegen Produktivität“ betrieben

Die Webseite liegt auf einem Server in den USA, hat eine .org-domain, die Betreiber-Daten sind anonymisiert. Wie auf der Seite zu lesen ist, wird sie vom „Ministerium gegen Produktivität“ betrieben. Unter dieser Bezeichnung ist auch die Hamburger Linksjugend bei Facebook zu finden. Dort verlinkt die „Linksjugend ’solid Minis-terium gegen Produktivität“ auf das neue Portal. Lediglich ein paar Zeilen im Agitprop-Stil, großspurig als „Manifest“ bezeichnet, liefern auf „Check­DeinLehrer“ einen Hinweis darauf, was die Verantwortlichen umtreibt.

„Uns stört, dass bisher nur die Schüler benotet und bewertet werden und Lehrer mit ihrer teils mangelnden Leistung ungeschoren davonkommen. Wir finden, dass der Spieß umgedreht werden sollte und es eine Möglichkeit geben muss, wie Lehrer auch an ihre nötige Kritik kommen“, heißt es dort.

Das neue Portal ähnelt in gewisser Weise der 2014 abgeschalteten Webseite „spickmich“. Auch hier konnten Schüler anonym und öffentlich Lehrer benoten – mit dem Recht auf ihrer Seite. Bereits vor acht Jahren entschied der Bundesgerichtshof, dass Lehrer solche Zeugnisse hinnehmen müssen, solange keine Daten aus der Privat- oder Intimsphäre oder unsachliche Schmähkritik veröffentlicht werden.

Nur etwa vier Wochen nach dem Start hat die neue Seite schon für erheblichen Wirbel in der Hamburger Lehrerschaft gesorgt. „Die Kollegen reagieren unterschiedlich. Einigen ist es egal, andere sind total erschüttert“, sagt eine Lehrerin. Beschwerden über „CheckDeinLehrer“ sind bisher aber weder bei der Schulbehörde noch beim Hamburger Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eingegangen. Grundsätzlich sieht die GEW Lehrerbewertungsportale kritisch.

Schulbehörde schätzt Chancen einer Klage als gering ein

„Es ist verständlich, dass Schülerinnen und Schüler ihre Lehrkräfte bewerten wollen“, sagt der zweite Vorsitzende Fredrik Dehnerdt. „Problematisch wird es dann, wenn das Persönlichkeitsrecht der Lehrkraft verletzt wird.“ Es gebe andere Wege: Sollten „echte“ Probleme zu klären sein – etwa wenn sich ein Schüler benachteiligt fühlt –, könnten Betroffene die Schülervertretung oder einen Vertrauenslehrer konsultieren. Zudem gibt es an vielen Schulen bereits ein Lehrer-Feedback. Schriftlich und anonym können Schüler hier ihre Kritik äußern.

Die Erfolgsaussichten einer Klage stufe die Schulbehörde als „gering“ ein, sagte deren Sprecher Peter Albrecht. Die Behörde können in der Regel keine Klage einreichen, sondern nur die betroffene Lehrkraft. Ausnahme: Die Äußerungen gefährden den Schulfrieden. Selbst auf den ersten Blick diffamierende Äußerungen seien aber häufig durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt, wie Gerichte festgestellt hätten. Albrecht: „Man wird hoffen müssen, dass die gesetzlichen Regelungen zur Verhinderung von Schmähkritik entsprechend angepasst werden.“