Hamburg. Neue Services übernehmen lästigen Anbieterwechsel – gegen Provision. Manchmal aber macht ein völliger Wechsel keinen Sinn.

Strom wird auch in diesem Jahr teurer werden. Die bisherigen Preiserhöhungen von 97 Anbietern liegen im Schnitt bei 2,8 Prozent, ermittelte das Vergleichsportal Check24. Die Suche nach einem günstigeren Stromanbieter lohnt fast immer. „Noch haben viele Hamburger nicht ein einziges Mal gewechselt und sind im Basistarif ihres Grundversorgers Vattenfall“, sagt Michael Knobloch, Vorstand der Verbraucherzentrale Hamburg. Zwar will Vattenfall in diesem Jahr die Strompreise stabil halten, sagte eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage des Abendblatts. „Dennoch zahlt sich ein Wechsel des Anbieters aus“, so Michael Knobloch. Seit 2007 sind die Energiepreise um 45 Prozent gestiegen.

In Hamburg bringt der Wechsel aus dem Grundtarif von Vattenfall die höchste Ersparnis unter 50 Städten, ermittelte Check24. Für eine vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 4500 Kilowattstunden sind das rund 35 Prozent (siehe Grafik). Aber nur, wenn sie zum günstigsten Anbieter wechselt.

Verbraucherschützer warnen

Die Bayerische Energieversorgungsgesellschaft (BEV Energie) verspricht rund 400 Euro an verschiedenen Boni im ersten Jahr. Im zweiten Jahr liegt der Strompreis ohne Boni dann aber gerade noch rund 100 Euro unter dem aktuellen Vattenfall-Preis. Verbraucherschützer warnen deshalb davor, einfach zum günstigsten Anbieter zu wechseln. Auf Verbraucherportalen im Internet klagen Kunden über die verspätete Auszahlung von Boni oder über fehlerhafte Stromabrechnungen von BEV Energie. Dennoch schneidet das Unternehmen bei der Weiterempfehlung durch Kunden bei Check24 sehr gut ab. Das könne daran liegen, dass die Bewertung kurz nach dem Wechsel und nicht erst nach der ersten Jahresabrechnung erfolgt, sagt Mat­thias Moeschler vom Internetportal Verbraucherhilfe Stromanbieter.

„Sparen kann man auch, indem man in einen günstigeren Tarif beim eigenen Stromanbieter wechselt“, sagt Knobloch. Das zeigt sich an den Beispielfällen von Familie und Single in den Tariftabellen. Beide sparen schon, wenn sie bei Vattenfall bleiben und in den Tarif Easy 12 Strom wechseln.

Treue zahlt sich nicht aus

Nur jeder zehnte Haushalt in Hamburg hat 2016 seinen Stromanbieter gewechselt. Das mag auch daran liegen, dass im zweiten Jahr fast nichts mehr von der Ersparnis übrig bleibt oder die Energierechnung sogar höher wird, wenn der Anbieter die Preise anhebt. „Treue zahlt sich beim Stromanbieter nicht aus“, sagt Mathias Köster-Niechziol vom Vergleichsportal Verivox. Doch ist vielen Kunden der ständige Wechsel zu aufwendig.

Deshalb sind jetzt neue Anbieter auf dem Markt, die den Wechsel für den Kunden übernehmen. Jährlich wählen sie einen günstigen Tarif aus. Je nach Geschäftsmodell ist der Service kostenlos, oder der Kunde muss 20 bis 30 Prozent der Einsparung abgeben.

„Wir bieten einen Service, den wir selbst vermisst haben“, sagen die Gründer des Hamburger Unternehmens Wechselpilot, Jan Rabe und Maximilian Both. Beide sind Physiker und haben Erfahrungen im Energiehandel gesammelt. Sie kennen die Tricks der Anbieter. „Unsere Tarifempfehlung ist nie der günstigste Anbieter“, sagt Both. „Bei uns kommt die Provision vom Kunden und nicht vom Energieanbieter. So können wir unabhängig agieren.“ Vermittelt werden Energie- und Gastarife, auch für gewerbliche Kunden wie Hausverwaltungen.

Schwarze Schafe aussortiert

Der Kunde meldet sich auf der Internetplattform Wechselpilot an und erhält danach eine Empfehlung mit vier Tarifen: einen Tarif, der von Wechselpilot anhand von Preis, Vertrags­bedingungen und Service als bester eingestuft wird. Dann den Preissieger, einen Ökostromtarif und einen Tarif ohne Boni für Kunden, die möglichst niedrige Abschläge zahlen wollen. „Die schwarzen Schafe unter den Anbietern haben wir vorher aussortiert“, sagt Rabe. Wenn es Ärger mit dem Stromlieferanten gibt, wendet sich der Kunde an Wechselpilot, der dann mit dem Anbieter über das Problem spricht.

Der Kunde kann einen der vier Tarife auswählen, und Wechselpilot übernimmt alle weiteren Formalitäten. „Wir haben diese Prozesse automatisiert und nehmen dem Kunden den Papierkram ab“, sagt Both. Gegenwärtig kümmern sich zehn Mitarbeiter um mehr als 2000 Kunden. Ende des Jahres sollen es schon 10.000 wechselwillige Kunden sein.

Wechselpilot kostet 30 bis 100 Euro

Wenn der Kunde auf die Empfehlung nicht reagiert, kommt er automatisch in den von Wechselpilot favorisierten Tarif. Nach einem Jahr wiederholt sich die Prozedur, so lange, wie der Kunde den Service in Anspruch nehmen will. „Wir achten auf den Kündigungstermin des Stromtarifs und versenden dann neue Empfehlungen“, sagt Rabe. Der Service kostet 20 Prozent der tatsächlich erzielten Einsparung. Wechselpilot stellt zumeist Beträge zwischen 30 und 100 Euro in Rechnung.

„Ich halte das für einen legitimen Service, wenn man selbst keine Lust hat, die Tarife ständig neu zu vergleichen und auf Kündigungsfristen zu achten“, sagt die Energieexpertin Ines Rutschmann vom unabhängigen Verbraucherportal Finanztipp. „Wenn allerdings immer mehr Verbraucher solche Dienste in Anspruch nehmen, werden die Boni in Zukunft geringer ausfallen.“ Das wissen auch die Gründer von Wechselpilot. „Doch wer neue Kunden gewinnen will, wird um Boni nicht herumkommen“, sagt Rabe.

Die Portale profitieren prozentual von der Ersparnis

Der Konkurrent Switchup bietet einen ähnlichen Service für Strom- und Gastarife. Für die Kunden ist er kostenlos, Switchup wird über Provisionen vom neuen Anbieter finanziert. „Für uns erschließt sich nicht, wie sich das für den Anbieter und den Energieversorger rechnen soll“, sagt Ines Rutschmann. Denn der Stromlieferant muss fürchten, dass ihn der Kunde nach einem Jahr schon wieder verlässt. Der Trend geht auch bei anderen Anbietern in Richtung Bezahlung durch den Kunden. Der Wechselservice Cheap­energy24 verlangt im ersten Jahr 30 Prozent der Einsparsumme. Vom dritten Jahr an sind es 20 Prozent. Bleibt die Ersparnis unter 100 Euro, ist der Wechselservice kostenlos. Auch Switch­Me24 berechnet 25 Prozent Provision.

Wichtig für die Tarifanalyse, wenn man den Wechsel selbst organisiert, ist: Der Preis sollte mindestens für zwölf Monate festgeschrieben sein. Allerdings garantieren die meisten Anbieter nur Preis­bestandteile, die nichts mit Steuern und anderen staatlichen Abgaben zu tun haben. Neben Laufzeit und Kündigungsfristen (meist sechs Wochen zum Vertragsende) sind weitere Kriterien wichtig. Pakettarife mit einer Mindestabnahmemenge Strom und Vorkasse sollten ausgeschlossen sein.

Wer weniger am Bonus interessiert ist, achtet auf den Preis pro Kilowattstunde und den Grundpreis. Diese Daten werden in Vergleichsportalen wie Check24 oder Verivox ausgewiesen. Der alte Vertrag muss in der Regel nicht gekündigt werden. Das übernimmt der neue Anbieter.