Hamburg. 4,5 Prozent der HVV-Fahrgäste waren 2017 ohne Ticket unterwegs. Verluste von 20 Millionen Euro. Wo es die wenigsten Schwarzfahrer gibt.

Immer häufiger gehen Kontrolleuren im öffentlichen Personennahverkehr Schwarzfahrer ins Netz. Wie aus einer Senatsantwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Dennis Thering hervorgeht, befindet sich die Quote seit sechs Jahren erstmals wieder auf einem Rekordhoch.

Aktuelle Zahlen für das Jahr 2017 belegen nämlich: 4,5 Prozent der Fahrgäste im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) waren ohne gültiges Ticket unterwegs. Ein Jahr zuvor lag ihr Anteil bei 4,2 und im Jahr 2012 bei 3,5 Prozent. Durch Schwarzfahren verliert der HVV jährlich rund 20 Millionen Euro an Fahrgeldeinnahmen, die eigenen Angaben zufolge dringend für den Erhalt und Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs benötigt werden.

CDU-Politiker Dennis Thering ärgert sich: „Es ist nicht zu akzeptieren, dass im Jahr 2017 nur 56 Prozent aller verhängten Bußgelder am Ende auch eingetrieben wurden und die Ermittlungsverfahren gegen Schwarzfahrer weiter rückläufig sind.“ 2016 waren es immerhin noch 63 Prozent. „Der Senat wird bei der Ahndung exzessiven Schwarzfahrens offensichtlich immer nachlässiger“, klagt Thering. Diese Ahndungspraxis werde die Zahl der Schwarzfahrer sicher nicht reduzieren.

Hochbahn-Sprecher sieht „statistische Verzerrung“

Rund 169.000 Fahrgäste waren im vergangenen Jahr bei den Kontrollen ohne gültigen Fahrausweis erwischt worden, davon rund 68.000 bei der Hochbahn/Hadag, 81.800 bei der S-Bahn sowie jeweils rund 10.600 bei den Verkehrs­betrieben Hamburg-Holstein (VHH) und rund 8400 in der AKN. 28.000 Gäste konnten später zur eigenen Entlastung ihre gültigen Tickets nachträglich vorzeigen.

Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum bekräftigte auf Abendblatt-Anfrage: „Wir haben im Vergleich zu den Vorjahren in der Tat einen Anstieg bei den Schwarzfahrern zu verzeichnen.“ Als einen wesentlichen Faktor für diese Entwicklung verweist Kreienbaum auf eine „statistische Verzerrung“, die sich aus den Abgangskontrollen ergeben habe. Die Prüfung erfasse alle Fahrgäste, die an einer Haltestelle die U-Bahn verlassen, und finde an einem Punkt statt, an denen eine hohe Wahrnehmung möglichst vieler Fahrgäste gegeben sei. Kreienbaum: „Im Ergebnis wird die Quote damit höher liegen. Und aus der Senatsantwort ergibt sich ja, dass die Zahl der Abgangskontrollen besonders stark ansteigt.“ Abgangskontrollen fänden übrigens auch im Busbereich statt.

Schwarzfahren ist eine Straftat

Ohne gültiges Ticket zu fahren ist nach geltender Rechtslage kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Die Beförderungserschleichung („Schwarzfahren“) wird nach Paragraf 265a Strafgesetzbuch sanktioniert. Das „erhöhte Beförderungsentgelt“ beträgt im HVV inzwischen 60 Euro.

Zwar hat der Deutsche Richterbund jetzt gefordert, das Schwarzfahren angesichts der Überlastung der Gerichte als Tatbestand im Strafgesetzbuch zu überprüfen. Doch die Betreiber von Bussen und Bahnen sind strikt dagegen: Die Überlastung der Justiz dürfe kein Argument sein, das Fahren ohne Ticket zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen, erklärte Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen.

Allein im vergangenen Jahr wurden im Hochbahn-Auftrag Bußgelder in Höhe von fast drei Millionen Euro verhängt. Gezahlt wurden aber nur 1,6 Millionen Euro. Bei der S-Bahn waren es im selben Zeitraum 2,8 Millionen Euro Bußgelder; eingenommen wurden aber lediglich 1,7 Millionen Euro. Es gibt im Schnitt jährlich sogar rund fünf Schwarzfahrer, die in Hamburg eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen. Sie konnten oder wollten das verhängte Bußgeld nicht zahlen. Nach Ansicht von Mobilitätsforschern kaufen sich Fahrgäste kein Ticket, um ihren persönlichen finanziellen Nutzen zu erhöhen. Oder sie haben, wie Obdachlose, schlichtweg nicht das Geld dafür.

In Blankenese gibt es die wenigsten Schwarzfahrer

Um weiter gegen den Missbrauch vorzugehen, will der HVV auch in diesem Jahr einen „Prüfmarathon“ durchführen. Bei der Großkontrolle 2017 wurden an einem Tag 15.542 Fahrgäste kontrolliert, 607 von ihnen hatten keine gültige Fahrkarte bei sich. Das entsprach einer Quote von 3,9 Prozent.

Schwarzfahrer-Hochburg war der ZOB Harburg. Dort lag die Quote bei 5,4 Prozent. Auf weiteren Plätzen folgten der ZOB Klein Flottbek mit 4,6 Prozent und der ZOB Altona mit 4,5 Prozent. Die geringsten Beanstandungen mit jeweils 1,8 Prozent gab es am ZOB Blankenese sowie am U-Bahnhof Mundsburg. Seit dem Jahr 2011 ist die Zahl der Prüfstunden durch die Fahrkartenprüfer bei den meisten Hamburger Verkehrsunternehmen gestiegen. Bei der Hochbahn waren es im vergangenen Jahr 131.700 Stunden (2011: 111.500). Rund 100 Prüferinnen und Prüfer sind bei der Hochbahn im Einsatz sowie 30 weitere Kollegen, die sowohl Sicherheits- als auch Prüftätigkeiten ausüben.