Hamburg. FDP will Bürgerschaft darüber abstimmen lassen. CDU ist dafür, ADAC skeptisch. Innenbehörde prüft Standort im Südosten der Stadt.

Wie aus dem Nichts erheben sich weiße Balken auf der Straße, der ganze Zebrastreifen scheint über dem Asphalt zu schweben. Was wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film klingt, gibt es wirklich. Der dreidimensionale Zebrastreifen ist weltweit sogar schon in mehreren Städten im Einsatz – und bald auch in Hamburg, jedenfalls wenn es nach den Bürgerschaftsfraktionen von CDU und FDP geht.

„Nicht alle Autofahrer agieren an Zebrastreifen mit der notwendigen Aufmerksamkeit. 3-D-Zebrastreifen können aufgrund ihrer besonderen Optik zu mehr Aufmerksamkeit bei Autofahrern beitragen“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ewald Aukes. Demnächst werde die FDP einen Antrag in die Bürgerschaft einbringen und den Senat auffordern, 3-D-Zebrastreifen an „drei bis vier ausgewählten Stellen“ zu testen.

Die Idee stammt aus einem kleinen Fischerdorf

Die Idee stammt aus Island, genauer: aus dem 2500-Einwohner-Fischerdorf Ísafjörður. Der dortige Umweltbeauftragte Ralf Trylla stieß auf ein ähnliches Projekt in Neu-Delhi (Indien) und entwickelte es weiter. So funktioniert es: Dreidimensionale Versionen der Streifen werden auf den Asphalt gemalt und mit grau-schwarzen Farbschattierungen versehen, dadurch entsteht ein räumlicher Eindruck. Für Autofahrer sieht es aus, als würden die einzelnen Schwellen in der Luft hängen. Weil sie die Streifen als massive Hindernisse wahrnehmen, so die Theorie, treten sie reflexhaft auf die Bremse – so soll das Überqueren der Straße für Fußgänger sicherer werden. Nachteil: Der 3-D-Effekt ist nur in einer Fahrtrichtung sichtbar. Die Zebrastreifen eignen sich daher in erster Linie für Einbahnstraßen.

Rund um die Welt hat die Innovation bereits viele Nachahmer gefunden, unter anderem in den USA, in China, Spanien und Kanada. Im österreichischen Linz werden 3-D-Zebrastreifen seit Ende 2017 getestet. In Düsseldorf, in Lehndorf bei Braunschweig und Berlin-Zehlendorf haben mal die Grünen, mal die FDP, mal die CDU das Thema auf die politische Agenda gesetzt. Zuletzt sprach sich auch die FDP in Buchholz dafür aus (das Abendblatt berichtete). Ein Blickfang ist die optische Täuschung allemal, wie die massenhaft in den sozialen Netzwerken verbreiteten Bilder und Videos belegen. Fraglich ist aber, ob die Zebrastreifen einen über die bloße Optik hinausgehenden Zweck erfüllen und tatsächlich die Verkehrssicherheit erhöhen. „Davon gehen wir nicht aus“, sagt ADAC-Sprecher Christian Hieff. Die Sicherheit im Bereich von Zebrastreifen liege ohnehin „auf dem hohen Niveau von Fußgängerampeln“.

Es gibt allerdings Sicherheitsbedenken

Nach Angaben der Polizei gab es in Hamburg 2016 an Zebrastreifen 57 Unfälle mit Passanten – bei 1440 Unfällen mit Fußgängern insgesamt. „3-D-Zebrastreifen sind auch deshalb nicht notwendig“, sagt Hieff. Beim ADAC überwiege die Skepsis. „Wir wollen nicht, dass ein Zebrastreifen mehr Aufmerksamkeit erhält als ein anderer“, so Hieff.

Außerdem gebe es Sicherheitsbedenken: „Autofahrer, die den 3-D-Streifen nicht kennen, sind vermutlich irritiert. Unkontrolliertes Abbremsen und Auffahrunfälle könnten die Folge sein.“ Auch könne der Blick von den Fahrbahnrändern abgelenkt werden, sodass Fußgänger von den Fahrern nicht mehr so gut wahrgenommen werden. Und schließlich: „Irgendwann tritt ein Gewöhnungseffekt ein. Dann fragt man sich: Wozu der ganze Aufwand?“ 3-D-Zebrastreifen, sagt Hieff, seien die „Antwort auf eine Frage, die nie gestellt wurde.“ Es lohne sich viel mehr, das Geld in die Unfallprävention zu stecken.

Bergedorfer SPD plant schon seit 2017 ein Pilotprojekt

Ähnlich sieht das auch Michael Schreckenberg, Verkehrsforscher an der Universität Duisburg-Essen. 3-D-Zebrastreifen seien eine „Attraktion oder Skurrilität“, die sich eher für einen Schnappschuss eigneten, als die Verkehrssicherheit zu erhöhen. „Unsere ausgeschilderten Zebrastreifen sind völlig ausreichend“, sagt Schreckenberg. Wenn man etwas verbessern wollte, sollten die Kommunen in LED-Leuchten an den Überwegen investieren.

Eine Chance wollen FDP und CDU dem 3-D-Zebrastreifen dennoch geben. „Leider ist es immer wieder der Fall, dass Autofahrer bewusst oder auch unbewusst Zebrastreifen missachten oder übersehen und es so zu gefährlichen Situationen mit Fußgängern und Radfahrern kommt. Die 3-D-Zebrastreifen könnten hier Abhilfe schaffen und die Autofahrer sensibilisieren“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Thering. „Wir stehen einem Pilotversuch sehr positiv gegenüber. Die Erfahrungen daraus würden zeigen, ob die 3-D-Zebrastreifen flächendeckend in Hamburg eingeführt werden sollten.“ Wie sich ein 3-D-Zebrastreifen in der Praxis schlägt, lässt sich aktuell im österreichischen Linz besichtigen, an der dortigen Linken Brückenstraße läuft seit Mitte November ein Pilotversuch. Um die optische Täuschung zu sehen, dürften sich Autofahrer dem Zebrastreifen mit maximal 30 km/h nähern, sagt Markus Hein (FPÖ), Linzer Stadtrat für Infrastruktur. Erst drei Meter vor dem Überweg werde der 3-D-Effekt sichtbar. „Nachts und bei Regen sieht man den 3-D-Effekt gar nicht“, sagt Hein. Abruptes Abbremsen hätten seine Mitarbeiter bei mehreren Messungen bisher nicht beobachtet, „da erschreckt sich niemand“.

Bergedorf will den 3-D-Streifen am Curslacker Deich testen

Zu mehr Sicherheit habe der 3-D-Zebrastreifen aber auch nicht geführt, zumal der Effekt nur aus einer Fahrtrichtung erkennbar sei. „Ob so etwas Sinn macht, wage ich zu bezweifeln“, sagt Hein. Trotzdem soll der Versuch weitergehen – die Pionierarbeit habe sich schließlich für die Stadt ausgezahlt. Hein: „Der Zebrastreifen macht sich gut auf Fotos. Und für unsere Stadt ist das eine prima Marketingkampagne.“

Und in Hamburg? Die Bezirksversammlung Bergedorf hatte schon im Herbst 2017 beschlossen, den 3-D-Streifen am Curslacker Deich zu testen. Dieser Plan werde nun in der Innenbehörde geprüft, berichtet die „Bergedorfer Zeitung“. Pikant: Der Antrag für das Pilotprojekt kam damals nicht von FDP oder CDU, sondern ausgerechnet von der in Hamburg regierenden SPD.