Hamburg. Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt verweigern im Sonderausschuss Antwort auf die brisante Frage – auch auf mehrmalige Nachfrage.


Gab es Bedenken der Bundes-Sicherheitsbehörden gegen Hamburg als Austragungsort des G-20-Gipfels? Oder wurde gar davor gewarnt? Das ist eine der wichtigsten Fragen, denen der G-20-Sonderausschuss der Bürgerschaft nachgeht. Doch in der Sitzung am Mittwochabend blieb sie unbeantwortet.

Ob Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt oder Bundespolizei – Vertreter aller Behörden weigerten sich im Großen Festsaal des Rathauses auch auf mehrmalige Nachfrage der Abgeordneten, dazu Stellung zu nehmen. Diese Frage betreffe Abstimmungsprozesse auf Bundesebene und sei daher schlicht nicht von der Aussagegenehmigung gedeckt, sagte Steffen Russ vom Bundeskriminalamt (BKA) zur Begründung. Er dürfe nur zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern aussagen.

Nicht mit so enormen Ausschreitungen gerechnet

Mehrere Abgeordnete zeigten sich mit dieser Haltung unzufrieden und betonten, dass es sich dabei doch nicht um vertrauenswürdige Informationen handeln könne. „Wenn es keine Bedenken gegeben hat, könnten Sie das hier ja sagen“, meinte Dirk Nockemann (AfD) und folgerte: „Also schließe ich daraus, dass es Bedenken gab.“

Dagegen verwahrten sich die hochrangigen Sicherheitsexperten jedoch: „Das möchte ich zurückweisen“, sagte Dinchen Franziska Büddefeld, die als Abteilungsleiterin im Bundesamt für Verfassungsschutz für das Thema G 20 verantwortlich war. Und BKA-Mann Russ warnte davor, aus der Nichtbeantwortung der Frage einen „Fehlschluss“ zu ziehen.

Die Frage von Dennis Gladiator (CDU), ob eine der unterschiedlichen „Taktiken“ der Gewalttäter – etwa die Aufsplittung größerer Gruppen in „Finger“, der guerillamäßige Angriff auf mehrer Ziele gleichzeitig oder der gezielte Versuch, einen „Kontrollverlust“ der Sicherheitskräfte herbeizuführen – sie überrascht habe, verneinten alle Experten übereinstimmend. „Wir kannten das alles, das haben wir alles schon mal gesehen“, sagte Verfassungsschützerin Büddefeld und verwies explizit auf die Krawalle bei der EZB-Eröffnung 2015 in Frankfurt.

Ermittlungen nach den G-20-Krawallen schreiten voran

Das stand in gewissem Gegensatz zu früheren Aussagen des Senats und der Hamburger Polizei, die nach G 20 immer wieder betont hatten, dass zum Beispiel mit sinnloser Gewalt abseits des Gipfelgeschehens wie den Zerstörungen und Autobränden im Westen der Stadt nicht zu rechnen gewesen sei. Davon seien sie überrascht worden und hätten nicht genug Kräfte zur Verfügung gehabt, hieß es in früheren Sitzungen des Sonderausschusses.

Allerdings schränkten die Vertreter der Bundesbehörden ein, dass sie mit so enormen Ausschreitungen eben doch nicht gerechnet hätten: „Was für uns neu war, war die Dimension, die Dimension der Gewaltanwendung“, sagte Büddefeld. Wolfgang Lohmann, im Bundesinnenministerium als „Inspekteur­ der Bereitschaftspolizei der Länder“ tätig, ergänzte: Die einzelnen Taktiken habe er zwar gekannt. Aber in der Form wie beim G-20-Gipfel habe er es noch nicht gesehen. Das sei zum Teil „erschreckend“ gewesen.

Unterdessen schreiten die Ermittlungen nach den G-20-Krawallen voran: Wie ein Polizeisprecher auf An­frage bestätigte, wird inzwischen gegen 600 namentlich bekannte Verdächtige wegen Landfriedensbruchs, Körper­verletzung und anderen Delikten im Zusammenhang mit der Randale ermittelt. Zum Jahresende hatte die Polizei noch von 300 identifizierten mutmaßlichen Randalierern gesprochen.

Gegen 600 Verdächtige wird wegen der Randale ermittelt

Insgesamt sind bei der Soko „Schwarzer Block“ bereits mehr als 3000 Ermittlungsverfahren anhängig, es liegen mehr als 25.000 Dateien an Material aus den Krawallnächten im Juli 2017 vor. Zuerst hatte der NDR über den neuen Zwischenstand berichtet. Seit dem vergangenen Juli sind außerdem bereits 57 Razzien durchgeführt worden, um weitere Indizien und Beweise gegen Krawallmacher zu finden. Davon fanden nach Abendblatt-Informationen 31 Durchsuchungen in Hamburg statt. Ob dabei aber belastendes Material in größerem Umfang sichergestellt wurde, ist unklar.

Gegen die Besetzer der Roten Flora­ im Schanzenviertel, denen Bürgermeister­ Olaf Scholz (SPD) sehr früh eine Mitverantwortung für die Krawalle zuschrieb, liegen weiterhin keine konkreten strafrechtlichen Hinweise vor.

Gegen den Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt und den ehemaligen Rechtsanwalt Andreas Beuth wird aber wegen Aussagen, die sie vor dem G-20-Gipfel machten, ermittelt.