Hamburg. Altona 93 besiegelt die Übergabe des Geländes bis 2026 an Behrendt und Altoba. Investoren machen Zugeständnisse.
Für Dirk Barthel, den langjährigen Präsidenten und Gönner des Traditionsvereins Altona 93, waren es so etwas wie die letzten Beweise, dass das vereinseigene Stadion nicht mehr zu retten ist. Am Wochenende musste die Feuerwehr zur Adolf-Jäger-Kampfbahn an die Griegstraße anrücken – ein Kabel der maroden Elektrik war durchgebrannt. Ein paar Stunden später schlossen sich Spieler unfreiwillig in die Mannschaftskabine ein, die Tür mit dem morschen Schließzylinder ließ sich nicht mehr öffnen.
„Deshalb ist ein Verkauf des Stadiongeländes die richtige Entscheidung, auch wenn das Vereinsherz schmerzt“, sagt Dirk Barthel. Nur mit einem Millionenaufwand hätte man Deutschlands zweitältestes noch bespieltes Stadion, erbaut 1908 – älter ist nur das Waldau-Stadion der Stuttgarter Kickers – tauglich für die Jetzt-Zeit des Fußballs machen können.
300 neue Wohnungen
Elf Jahre beschäftigte die Diskussion um den angestrebten Verkauf den Verein, ja den ganzen Bezirk. Am Montag teilte der Verein nun mit, dass der Verkauf des Geländes an den Altonaer Spar- und Bauverein (Altoba) sowie an die Behrendt Gruppe perfekt ist. Dort, wo heute noch gekickt, gejubelt und getrauert wird, werden in ein paar Jahren 300 neue Wohnungen entstehen – Ottensen bekommt ein neues Quartier.
Bereits 2007 hatte der Verein, damals in großen finanziellen Nöten, den Kaufvertrag für einen Preis von 11,25 Millionen Euro unterschrieben, 2011 dann eine erste Rate von rund 250.000 Euro erhalten. Im Verein löste die Nachricht Proteste aus, verständlich, angesichts des drohenden Verlusts der sportlichen Heimat – in den 1950er-Jahren kamen bis zu 27.000 Zuschauer zu den Heimspielen. Jahre später musste sich der Vorstand den Vorwurf gefallen lassen, er habe sich über den Tisch ziehen lassen.
Schließlich sind die Grundstückspreise in den letzten Jahren in Ottensen dramatisch gestiegen. Zudem stellte sich heraus, dass das neue Stadion auf dem Sportgelände an der Memellandallee im Schatten des Bahnhofs Diebsteich deutlich teurer wird als ursprünglich geplant – allein die sogenannten Freimachungskosten werden auf bis zu 2,15 Millionen Euro geschätzt.
Nach Abendblatt-Informationen verhandelte der Verein den Vertrag nun mit Erfolg in drei Punkten nach. Zum einen beteiligen sich Altoba und Behrendt an den Kosten für die Freimachung. Zum anderen stellen die Investoren Experten für den Stadionbau kostenfrei zur Verfügung. Zudem zahlen Altoba und Behrendt bis zum 31. Dezember 2026 das Honorar eines Jugendkoordinators in Diensten von Altona 93.
Umzug wird zu einer Existenzfrage
Dieses Datum ist für den Verein ohnehin von entscheidender Bedeutung. Denn im Gegenzug verpflichtet sich der Verein, bis spätestens Ende 2026 das Gelände zu räumen. „Von unserer Seite kann dies auch gern früher geschehen“, sagt Dirk Barthel. Voraussetzung sei aber natürlich, dass mit dem Bau des neuen Stadions in absehbarer Zukunft begonnen werden kann.
Für die Investoren dürfte sich der Deal trotz der Zugeständnisse auf der Zielgeraden der Gespräche überaus lohnen – nicht nur wegen der Wertsteigerung des Grundstücks. Die aktuellen Planungen sehen den Bau von mehr als 300 Wohnungen vor, zunächst hatte man nur mit 200 Wohnungen kalkuliert. Der vorgesehene Drittelmix aus öffentlich geförderten und frei finanzierten Wohnungen sowie Eigentumswohnungen bleibt erhalten. Noch in diesem Jahr erhält der Verein die nächste Kaufpreisrate.
Überzeugte Traditionalisten
„Für Altona ist das eine gute Nachricht“, sagt Andreas Bernau, sportpolitischer Sprecher der SPD-Bezirksfraktion. In einem begehrten Viertel würden viele neue Wohnungen entstehen. Und das Gebiet um den neuen Fernbahnhof am Diebsteich, der 2023 in Betrieb gehen soll, würde entscheidend aufgewertet. In der Tat klingen die Pläne verheißungsvoll. Entstehen sollen an der Memellandallee neben dem Stadion weitere Kunstrasenplätze inklusive einer Anlage für Leichtathletik.
Für den Verein bleibt dennoch die Existenzfrage, ob die Fans den Umzug mitmachen werden. Barthel rechnet durchaus mit überzeugten Traditionalisten, die das neue Stadion meiden werden. Aber die neue Arena biete auch Chancen, neue Fans an den Verein zu binden. „Wir schaffen dort ein Stadion mit viel mehr Komfort.“ Auch Bernau ist optimistisch: „Allein durch die Neue Mitte Altona hat das Gelände um den Diebsteich großes Potenzial.“ Geklärt werden muss noch das genaue Fassungsvermögen, möglich ist auch eine Variante für 3000 oder 4000 Fans.
Nachwuchs nicht auf neues Gelände angewiesen
Die Nachwuchsabteilung ist nicht auf das neue Gelände angewiesen. Sie zieht in den neuen Sportpark an der Baurstraße, mit vier Großspielfeldern und einem Kleinspielfeld, allesamt mit Kunstrasen ausgestattet. Dort wird man auch bei Dauerregen kicken können, ein Unterfangen, das in der Adolf-Jäger-Kampfbahn kaum möglich ist. Denn die dortige Drainage ist ebenfalls dringend reparaturbedürftig.