Hamburg. Orkantief „Friederike“ zieht über Hamburg: Ein herabfallender Ast verletzt einen Schüler lebensgefährlich. Flüge wurden gestrichen.
Das über weiten Teilen Deutschlands wütende schwere Orkantief „Friederike“ hat auch Hamburg am Donnerstag kalt erwischt – zwar nicht mit voller Wucht, aber es reichte aus, um das Herz der Stadt für Stunden aus dem Takt zu bringen. Auf den Straßen und im Zugverkehr herrschten chaotische Zustände, auch der Fernverkehr der Bahn kam zum Erliegen, Flüge wurden gestrichen, ein 18 Jahre alter Schüler wurde am Stadtpark durch einen herabfallenden Ast lebensgefährlich verletzt.
Das Zentrum des Orkantiefs zog direkt über die Hansestadt hinweg. Weil die Windgeschwindigkeiten im Kern jedoch stets viel niedriger sind als am Rand, blieben den Hamburgern Windspitzen von bis zu 130 km/h, wie sie in anderen Regionen gemessen wurden, erspart.
Dafür brachte „Friederike“ dem Norden enorme Schneemengen. In kurzer Zeit fielen rund zehn Zentimeter. Das ließ zwar die Herzen der jüngsten Hamburger höher schlagen, erhöhte aber auch die Gefahr von jähen Ast-Abbrüchen. Mehr als 110-mal musste die Feuerwehr ausrücken, weil Äste oder sogar ganze Bäume unter der Schneelast gebrochen waren.
Schüler nicht mehr ansprechbar
Am Grasweg, am südlichen Stadtpark-Rand, fiel aus zehn Metern Höhe ein 30 Zentimeter dicker Ast herab und traf einen 18-Jährigen am Kopf. Vom Notarzt musste der nicht mehr ansprechbare, lebensgefährlich verletzte Schüler künstlich beatmet und in ein Krankenhaus mit Maximalversorgung gebracht werden.
Zudem verzeichnete die Feuerwehr mehr als ein Dutzend glatteisbedingte Stürze, dabei erlitten die Betroffenen vor allem Bein- und Schulterverletzungen. Die Polizei registrierte von 8 bis 17.20 Uhr 162 Verkehrsunfälle, überwiegend Blechschäden. „In zwölf Fällen wurden Unfallbeteiligte verletzt“, sagte Polizeisprecherin Evi Theodoridou.
Pures Chaos bei der Bahn
Verheerende Auswirkungen hatte der Schneefall auch auf den öffentlichen Nahverkehr, vor allem südlich der Elbe. Viele Straßen waren spiegelglatt. Mit zum Teil erheblicher Verzögerung steuerten die Busse am Morgen die Haltestellen in Wilhelmsburg, Süderelbe, Meckelfeld, Finkenwerder und Harburg an.
Wegen eines umgestürzten Baumes kam der Verkehr der U-Bahn-Linie U 1 zwischen Volksdorf und Ohlstedt für eine halbe Stunde zum Erliegen. Nach einer Weichenstörung in Altona wurde der Verkehr der S-Bahn-Linie S 31 eingestellt, die Linie S 3 via Dammtor ohne Halt in Altona umgeleitet. Betroffen war auch die Bahnstrecke Hamburg–Lübeck.
Schneetreiben in Hamburg
Wegen eines umgestürzten Baums auf dem Gleis zwischen Ahrensburg und Bad Oldesloe gab es in beide Richtungen Verspätungen und Ausfälle. Aus dem gleichen Grund kam der Zugverkehr in Richtung Cuxhaven (bei Stade) und Berlin (bei Büchen) zum Stillstand. Am frühen Nachmittag stellte die Bahn zuerst alle Fernverkehrsverbindungen im Norden ein, Stunden später strich sie aus Sicherheitsgründen auch bundesweit alle Fernverbindungen.
Fernzüge sollen wieder anrollen
Am heutigen Freitag sollen die Fernzüge allmählich wieder verkehren. Jedoch sind in einigen Regionen weiter Einschränkungen zu erwarten, teilte die Bahn am späten Abend mit. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen blieben wichtige Strecken gesperrt, teilte die Bahn am Abend mit.
Ein Sprecher: „Im Norden starten die Züge, sobald weitere Strecken von Schäden befreit wurden. Wir erwarten, dass bereits im Laufe des Vormittags alle Metropolen Deutschlands – mit Einschränkungen – wieder mit dem Fernverkehr erreichbar sein werden. Fürs Wochenende erwarten wir einen weitgehend normalen Verkehr.“
Am Hamburger Flughafen sorgte das winterliche Intermezzo ebenfalls für Probleme. Flugzeuge mussten enteist werden, Räumfahrzeuge das Rollfeld von Schnee und Eis befreien. Zahlreiche Flüge mussten wegen Orkanböen an den Start- und Zielflughäfen gestrichen werden. So fielen die meisten Verbindungen der niederländischen KLM von und nach Hamburg wegen der Wetterbedingungen in Amsterdam aus.
15 Kilometer Stau auf A7
Auf vielen innerstädtischen Straßen herrschte am Donnerstag nur Stop-and-go, Lastwagen kamen auf der Köhlbrandbrücke nur im Schneckentempo voran. „Wir haben in Hamburg nun mal Straßen, die auch ohne Schneefall häufig dicht sind“, sagt ADAC-Sprecher Christian Hieff. „Bei heftigem Regen oder Schneefall halten die Autofahrer mehr Abstand zum Vordermann, das begünstigt natürlich Staus, insgesamt fließt der Verkehr langsamer, und es kommt zu mehr Behinderungen.“
Auf der A 7 in Richtung Flensburg bildete sich zwischen Schnelsen und Henstedt-Ulzburg ein 15 Kilometer langer Stau. Auf einer Länge von neun Kilometern stockte der Verkehr auf der A 7 zwischen Hamburg-Süd und Waltershof. Auf der A 1 zwischen Hamburg und Lübeck hakte es ebenfalls. „An vielen Ausfahrten haben sich Lkw quergestellt und stehen auf der Fahrbahn“, sagte ein Sprecher der Autobahnpolizei Bad Oldesloe. Streufahrzeuge hätten nicht verhindern können, dass sich Glatteis bilde.
Auch im Freitag schneit es
Staus gab es vielerorts auch im Bezirk Harburg, weil Lastwagen auf vereisten Straßen an Steigungen liegen blieben. Auf der B 73 kam es in beiden Richtungen zu einem mehrere Kilometer langen Stau. Auch Autofahrer, die an ihren Fahrzeugen keine Winterreifen aufgezogen hatten, blieben an kleineren Steigungen liegen. „Zum Glück war der Berufsverkehr schon vorbei, als der Schneefall einsetzte“, sagt ein Beamter der Verkehrsleitzentrale. „Sonst wären die Auswirkungen noch deutlich größer gewesen.“
Bereits in der Nacht zum Donnerstag hatten die glatten Straßen im Norden zu Unfällen geführt, besonders rund um Wilhelmshaven und Westerstede.
Im gesamten Norden ist auch am heutigen Freitag Vorsicht geboten: Die Feuerwehr Hamburg warnt vor Waldspaziergängen. Heute und am Sonnabend bleibt es nach Angaben des Hamburger Instituts für Klima- und Wetterkommunikation bei zwei bis vier Grad wechselhaft. Ein Meteorologe: „Es gibt Schauer, zeitweise auch mit weißen Momenten.“