Hamburg. Der Prozess gegen Ahmad A. (26) beginnt kommende Woche. Die Behörden sehen ihn als islamistischen Trittbrettfahrer.

Sie werden Ahmad A. durch einen Tunnel aus der Haft in das Oberlandesgericht führen, durch die Sicherheitsschleuse in den Saal 237. Dann beginnt am kommenden Freitag die tiefere Aufklärung des Messerattentats an der Fuhlsbüttler Straße in Barmbek im Juli 2017, bei der ein Mensch starb. Eine Woche vor dem Prozessauftakt zeichnet sich ab, dass Ahmad A. vor Gericht nicht vorrangig als psychisch Gestörter, als islamistisch verblendeter Einzeltäter, betrachtet werden wird.

Nach Abendblatt-Informationen hat der renommierte Sachverständige Norbert Leygraf in einem Gutachten festgestellt, dass Ahmad A. zur Tatzeit als schuldfähig einzuschätzen sei. Er weist demnach keine schwere psychische Krankheit auf, die die Tat wesentlich beeinflusst hat. Die Frage der Schuldfähigkeit ist entscheidend für die Höhe einer möglichen Strafe – sowie für die Frage, wo Ahmad A. diese zu verbüßen hätte. Zuerst hatte „Die Welt“ über das Gutachten berichtet.

Zwar ist das Gutachten noch vorläufig, das Gericht kann in der Hauptverhandlung zu einem anderen Ergebnis kommen. Nach Abendblatt-Informationen ist es aber sehr wahrscheinlich, dass die Schuldfähigkeit nicht mehr grundlegend in Zweifel gezogen wird. Leygraf untersucht seit 25 Jahren Täter, die nach einer terroristischen Ideologie handeln. Der Befund soll sich auch mit dem bisherigen Auftreten von Ahmad A. decken, heißt es dazu aus dem Gerichtsumfeld.

Behörden sehen A. nicht als Terroristen

In seinem Geständnis hatte der 26-jährige Palästinenser ein klares Motiv angegeben: Als sich die religiösen Konflikte um den Tempelberg in Jerusalem im vergangenen Sommer erneut zuspitzten, habe er sich laut Bundesanwaltschaft dazu entschieden, „wahllos möglichst viele deutsche Christen“ zu töten. Nach dem Freitagsgebet in einer Moschee nahm Ahmad A. ein 20 Zentimeter langes Messer aus dem Verkaufsregal eines Edeka-Supermarktes an der Fuhlsbüttler Straße, stach damit zuerst auf das spätere Todesopfer Matthias P. (50) sowie weitere Kunden und Menschen auf der Fuhlsbüttler Straße ein, bis ihn eine Gruppe von Passanten aufhielt und die Polizei Ahmad A. kurz darauf festnahm.

Ahmad A. bestand selbst in den Verhören darauf, als „Terrorist“ zu gelten. In seinem Spind in der Flüchtlingsunterkunft am Kiwittsmoor in Langenhorn hing eine Flagge der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Die Sicht der Sicherheitsbehörden ist eine andere: Ahmad A. sei ein Beispiel für eine neue Art von Attentätern, die den Islamismus „hauptsächlich als Legitimation“ für ihre Gewalttaten nähmen, so Verfassungsschutzchef Torsten Voß. Dieses Phänomen grenze ihn klar zu anderen islamistischen Tätern ab. Auch die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft ergaben, dass Ahmad A. mit der Gruppe IS nie in Kontakt stand.

Die Anklage gegen Ahmad A. lautet auf Mord, sechsfachen Mordversuch und sechsfache gefährliche Körperverletzung. Im Falle einer Verurteilung – und bei Anerkennung seiner Schuldfähigkeit – erwartet Ahmad A. eine lebenslange Haftstrafe von 15 Jahren. Er habe „heimtückisch und aus niederen Beweggründen gehandelt“, so die Anklage. Hinweise auf Mittäter oder Helfer gibt es nicht.

Ahmad A. zeigte anfangs kein Interesse an dem Prozess

Ahmad A. mache inzwischen einen gefestigteren Eindruck, heißt es aus dem Umfeld des Untersuchungsgefängnisses am Holstenglacis. Zu Beginn seiner Inhaftierung hatte der 26-Jährige noch wenig Interesse an dem Prozess und dem Kontakt mit seinem Verteidiger gezeigt. In seinen Vernehmungen rückte Ahmad A. nicht von seiner Ideologie ab. Vor dem Messerattentat hatte er auch überlegt, einen Lastwagen als Waffe für einen Anschlag zu stehlen.

Der Verteidigung des geständigen Attentäters fehlen erfolgversprechende Strategien für die Hauptverhandlungen. Auf Anfrage wollte sich der Rechtsanwalt Christoph Burchard nicht im Detail zu dem anstehenden Prozess äußern. Er betonte aber, dass sein Mandant eine äußerst wechselhafte Geschichte vor dem Attentat aufweise. „Er hat eine freiwillige Abschiebung aus Deutschland beantragt. Dass dies nicht geschehen ist, hat er nicht zu verantworten“, so Burchard.

Urteil fällt frühestens Anfang März

Wie bereits bald nach der Tat bekannt wurde, hätte der abgelehnte Asylbewerber bereits im Jahr 2015 nach Norwegen abgeschoben werden müssen – das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge versäumte jedoch eine entsprechende Frist. In der Folge zeigte Ahmad A. sehr widersprüchliches Verhalten, eine vom Verfassungsschutz empfohlene psychologische Untersuchung des Mannes blieb wegen Versäumnissen bei der Polizei jedoch aus. Noch am Morgen des Attentates soll Ahmad A. wiederum bei den Behörden nach dem Stand seiner gewünschten Ausreise gefragt haben.

Für den Prozess gegen den Messerstecher von Barmbek hat der Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht zunächst neun Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil wird frühestens Anfang März gerechnet.