Hamburg. Festungsbau und eine kluge Diplomatie zahlen sich vor 400 Jahren für die Hansestadt aus – sie erlebte einen Aufschwung
Vor 400 Jahren standen weite Teile des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation am Abgrund – und Hamburg an der Schwelle zu einem rasanten Aufstieg. Mit dem Fenstersturz kaiserlicher Vertreter durch böhmische Adlige auf der Prager Burg am 23. Mai 1618 begann der Dreißigjährige Krieg. Im Sommer kam es in Böhmen zu ersten Gefechten, die sich in den folgenden Jahren auf andere Regionen ausweiteten. Bis die Kämpfe Hamburg erreichten, habe es noch eine Weile gedauert, erklärt der Historiker Ralf Wiechmann.
Die Hamburger nutzen die Zeit zum Festungsbau. Sie beauftragten den niederländischen Ingenieur Johan van Valckenburgh mit der Errichtung der größten Befestigungsanlagen nördlich der Alpen. Die Hamburger hätten unglaubliche Summen in den noch heute sichtbaren Wallanlagen verbaut und dafür das Mehrfache der städtischen Jahreseinnahmen ausgegeben. Die Bürger wurden zur Zahlung einer Wallsteuer und zu Schanzdiensten verpflichtet. „So galt die Stadt, als das Kriegsgeschehen sich in den 1620er-Jahren nach Norddeutschland verlagerte, als militärisch uneinnehmbar“, schreibt der Historiker Hans-Dieter Loose.
Hamburg hatte bis 1500 im Schatten Lübecks, des Zentrums der Hanse, gestanden. Die Entdeckung Amerikas führte zur Entstehung des Transatlantikhandels, an dem sich Hamburg über die Elbe beteiligte. Die Stadt wurde nicht nur reich, sondern auch selbstbewusst. Sie habe eine „Schaukelpolitik“ zwischen dem Kaiser und dem dänischen König betrieben, erklärt Wiechmann. 1603 hatten sich die Hamburger Christian IV. von Dänemark unterwerfen müssen und ihm zu Ehren ein Portal in der Petrikirche gebaut. Doch 1618, nur sechs Wochen nach dem Prager Fenstersturz, erklärte das Reichskammergericht Hamburg am 6. Juli zur Reichsstadt. Der dänische König erkannte die Entscheidung nicht an. Vor seinen Machtansprüchen mussten sich die Hamburger schützen, vor allem an der Unterelbe.
Über die von ihm gegründete Stadt Glückstadt wollte Christian IV. den Schiffsverkehr kontrollieren. 1625 eroberten dänische Truppen das südlich der Elbe gelegene Stade. Im Jahr darauf fielen den Dänen die beiden Hamburger Stützpunkte Ritzebüttel (heute Cuxhaven) und Neuwerk an der Elbmündung in die Hände. Der Hamburger Rat schickte daraufhin Truppen und brachte die beiden strategisch wichtigen Orte nach einem Monat wieder unter seine Kontrolle.
Es war praktisch die einzige militärische Aktion der Hamburger im Dreißigjährigen Krieg. Alle anderen Schlachten wussten die Hamburger zu vermeiden. Als kaiserliche Truppen die Vierlande verheerten, Barmbek und Wandsbek in Brand setzten sowie Lokstedt und Eppendorf plünderten, hätten die Hamburger die Befehlshaber Tilly und Wallenstein gezielt bestochen, damit ihre Stadt verschont bliebe, sagt Wiechmann.
Hamburg sei auch belagert worden. Aber die Bürger hätten sich nicht angstvoll zurückgezogen, sondern den Belagerungstruppen Getreide, Brot und Bier verkauft. „Skrupel, dass die Lebensmittel gegen gerade geraubte Wertgegenstände aus dem eigenen Landgebiet eingetauscht wurden, hatten die Bürger dabei ebenso wenig wie Angst vor den feindlichen Truppen“, schreibt der Historiker Sven Tode. Immerhin habe der Rat dem Treiben Einhalt geboten – und die Gratisversorgung der kaiserlichen Truppen selbst übernommen.
Zahl der Einwohner steigt von 40.000 auf 78.000
Das auf seine Neutralität bedachte Hamburg bot sich 1641 für Verhandlungen der Kriegsparteien an. Es kam zu einem ersten Ergebnis, dem Hamburger Präliminarfrieden, der die Weichen für den Friedensschluss von Münster und Osnabrück stellte. Ein Stadtmodell zeigt Hamburg 1644, vier Jahre vor Ende des Krieges: eine blühende Stadt ohne irgendeine Zerstörung. Zwischen 1600 und 1650 steigt die Einwohnerzahl nach Angaben von Tode und seinem Kollegen Martin Knauer von 40.000 auf 78.000.