Hamburg. Sozial belastete Gebiete sind überproportional betroffen, Stadtteilschulen mehr als Gymnasien. Die Linke fordert eine gerechtere Streuung über die Stadt
Zwei Jahre nach der Zuwanderung von Flüchtlingen in großem Umfang sind die schulpflichtigen Jungen und Mädchen ungleich auf die Schulen im Stadtgebiet verteilt. Knapp 70 Prozent der Kinder, die älter als zehn Jahre sind, besuchen eine Stadtteilschule, nur gut 30 Prozent hingegen ein Gymnasium, obwohl beide Schulformen insgesamt in etwa gleich viele Schüler haben.
Zudem nehmen Schulen in sozial belasteten Gebieten deutlich mehr Flüchtlingskinder auf als die Standorte in anderen Stadtteilen. So haben die Stadtteilschulen von 68 Prozent der Flüchtlingskinder den Sozialindex 1 oder 2 – stark belastet oder eher stark belastet. Dem gegenüber besuchen insgesamt aber nur 42 Prozent aller Stadtteilschüler einen Standort mit dem Sozialindex 1 oder 2. Und: Während 27 Prozent der Grundschulen eine stark oder eher stark belastete Schülerschaft haben, besuchen 38 Prozent der geflüchteten Schüler eine dieser Schulen.
Die Zahlen, die sich auf das Ende des Schuljahres 2016/17 beziehen, ergeben sich aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bürgerschaftsfraktionschefin Sabine Boeddinghaus, die die „einseitige Aufgabenverteilung“ zulasten der Stadtteilschulen und Schulen mit niedrigem Sozialindex kritisiert. „Der Senat schadet damit nicht nur der Integration der Flüchtlingskinder, sondern belastet darüber hinaus die Schulen, auf die schon jetzt alle Probleme des Zwei-Säulen-Modells wie Inklusion, Abschulungen und fehlende Ausbildungsplätze abgewälzt werden“, sagte Boeddinghaus.
37 von 61 Gymnasien unterrichten Flüchtlingskinder
Im Sommer 2017 wurden 6396 schulpflichtige Flüchtlingskinder registriert, von denen 821 in einer Erstaufnahmeeinrichtung und 5575 in einer Folgeeinrichtung untergebracht waren. Eine Grund-, Stadtteilschule oder ein Gymnasium besuchten 5518 geflüchtete Kinder – 3,2 Prozent aller Schüler an den allgemeinbildenden staatlichen Schulen. Von diesen wiederum wurden 3787 Jungen und Mädchen in einer Basisklasse (BK, vermittelt Grundkenntnisse) oder einer Internationalen Vorbereitungsklasse (IVK, bereitet auf einen Abschluss vor) unterrichtet. Weitere 1731 Kinder und Jugendliche sind bereits in eine Regelklasse gewechselt, haben aber noch zusätzlichen Sprachförderbedarf. Von dieser Schülergruppe besuchen 80 Prozent eine Stadtteilschule, aber nur 20 Prozent ein Gymnasium.
Schulstaatsrat Rainer Schulz zieht dennoch eine insgesamt positive Bilanz. „Mittlerweile haben 37 der 61 staatlichen Gymnasien IVK-Klassen eingerichtet. Das ist schon einmal ganz gut“, sagte Schulz. Im Vergleich mit der Senatsantwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein von Anfang 2016 ist der Anteil der Schüler, die eine IVK-Klasse an einem Gymnasium besuchen, von 13 auf jetzt 20 Prozent gestiegen. Dabei ist die Zahl der Flüchtlingskinder in IVK-Klassen an Grundschulen eingerechnet. „Bei der Verteilung der Flüchtlingskinder achten wir darauf, dass keine Schule auf einen Anteil von zehn Prozent oder mehr kommt“, sagte Schulz.
Bei dem Wechsel der geflüchteten Jungen und Mädchen in den regulären Unterricht im Anschluss an die IVK gelte die Regel, dass in keiner Klasse mehr als vier Kinder sitzen. Bei Schulen in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften komme es bisweilen zu einer Häufung von Flüchtlingskindern, weil gerade jüngeren Schülern ein langer Schulweg nicht zugemutet werden könne.
„Wenn aber eine Schule darum bittet, keine weiteren Flüchtlingskinder aufzunehmen, werden wir eine andere Lösung finden“, betonte der Staatsrat. Schulz wies aber auch auf den gegenteiligen Fall hin. „Es gibt Stadtteilschulen gerade mit einem hohen Anteil an Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die ausdrücklich darum bitten, mehr Flüchtlingskinder aufzunehmen, weil sie deren Motivation schätzen“, sagte Schulz.
Der Linken-Bürgerschaftsfraktion gehen die Bemühungen des Senats nicht weit genug. „Die Integration der Flüchtlingskinder muss eine Gemeinschaftsaufgabe sein. Gymnasien und Schulen mit einer bevorzugten Schülerschaft dürfen nicht aus der Solidarität bei der Beschulung der Flüchtlingskinder entlassen werden“, sagte Fraktionschefin Boeddinghaus.