Hamburg. Verband kritisiert Fernwärme-Konzept von Umweltsenator Jens Kerstan. Am Ende müsse der Bürger dafür zahlen.

Die von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) angekündigte Wärmewende stößt beim Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) auf heftige Kritik: Es dürfe nicht sein, dass am Ende die Hamburger Mieter „die Zeche“ dafür zahlen, sagte VNW-Verbandschef Andreas Breitner dem Abendblatt. Er warnte vor einem massiven Anstieg der sogenannten zweiten Miete durch steigende Energiekosten, sollte Kerstans Fernwärme-Konzept umgesetzt werden.

Nach Kerstans Plänen sollen die rund 500.000 Fernwärme-Kunden in Hamburg ab 2025 nur noch Wärme geliefert bekommen, die überwiegend aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Auf Kohle soll aus Klimaschutzgründen ganz verzichtet werden – heute hat sie einen Anteil von etwa 60 Prozent. Auch Fernwärme aus dem modernen Kohlekraftwerk Moorburg soll daher nicht genutzt werden, obwohl sie dort bei der Stromerzeugung anfällt. Das bisherige Fernwärme-Kraftwerk Wedel muss hingegen 2022 vom Netz gehen.

Umweltsenator plant: Abwärme soll Energie liefern

Als Alternative plant Kerstan unter anderem einen Umstieg auf Abwärme von Industriebetrieben und Müllverbrennungsanlagen. Für Verbraucher habe das nur einen „moderaten Preisanstieg“ zur Folge, argumentierte der Grünen-Politiker. Mehr als zehn Prozent Teuerung könne er sich „nicht vorstellen“. Doch das lässt beim VNW die Alarmglocken klingeln. Breitner: „Wir sagen: Passt auf, ob das am Ende nicht doch teurer wird und dann vor allem Mieter mit geringem Einkommen trifft, als deren Anwalt wir uns fühlen.“

Im VNW sind die Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften und die städtische Saga zusammengeschlossen. Der Verband vertritt einen Bestand von 300.000 meist eher günstigen Wohnungen – etwa 43 Prozent aller Hamburger Mietwohnungen.

Heizkosten bei einem Euro pro Quadratmeter

Schon jetzt, so Breitner, würden die Heizkosten die VNW-Haushalte bei der Miete mit im Durchschnitt einem Euro pro Quadratmeter belasten. Seit dem Jahr 2000 habe es bei diesen Energiekosten ohne Strom ein Plus von 72 Prozent gegeben. Wobei die Erzeugung aus Kohle im Vergleich zu Gas und erneuerbaren Energien „deutlich günstiger“ sei. Sollte Kohle künftig bei der Fernwärme-Erzeugung ausfallen, könne das den Preis nach oben treiben. Breitner: „Es darf nicht darum gehen, ob Moorburg einem gefällt oder nicht, sondern darum, was für Hamburg am wirtschaftlichsten ist.“

Unverständlich, so Breitner, sei das neue Fernwärme-Konzept des Senats schon deshalb, weil Senat und Wohnungswirtschaft mit vielen Maßnahmen und Ideen versuchten, die Wohnkosten in Hamburg wieder zu senken. Kontraproduktiv seien dann Pläne, die das Wohnen wieder teurer machten. Breitner sagte mit Blick auf den rot-grünen Senat: „Man hat das Gefühl, hier wird mit dem Hintern wieder eingerissen, was die Hände geschaffen haben.“

Hat der Nabu bei Zahlen getrickst?

Die Gefahr steigender Wohnkosten für Hamburgs Mieter sieht der VNW-Chef indirekt auch bei einem anderen grünen Thema, das derzeit in der Stadt diskutiert wird. So hat der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) kürzlich eine Volksinitiative auf den Weg gebracht, mit der „Hamburgs Grün“ vor einer weiteren Bebauung geschützt werden soll. Dabei argumentierte der Nabu aber zunächst, wie er später einräumte, mit zu großen Zahlen und habe so den Anschein erweckt, als würden durch das Wohnbauprogramm der Stadt jährlich riesige Areale Grün­flächen bebaut, wie Breitner erinnerte.

Der VNW-Chef forderte im Gespräch mit dem Abendblatt daher jetzt den Nabu auf, als Konsequenz seine Initiative wieder einzustellen. Grün­erhalt und Wachstum der Stadt würden sich nicht ausschließen, so Breitner. „Da gibt es keinen Konflikt, das schaffen wir überwiegend durch Nachverdichtung.“ Zudem sei eine solche Initiative gar nicht nötig, da Hamburg mit einem Grünflächenanteil von 71,4 Prozent ohnehin Deutschlands grünste Millionenstadt sei.

Mietkosten: Haben Neu-Hamburger einen Nachteil?

Er sehe vielmehr die Gefahr, dass der Wohnungsbau künftig zusätzlich erschwert werde, wenn die Initiative Erfolg hat und am Ende ein Gesetz umfangreichen Ausgleich fordere, sobald durch einen Neubau wenige Bäume oder Büsche betroffen seien. Und das würde am Ende auch wieder zu höheren Bau- und damit Mietkosten führen, so Breitner. Betroffen seien dann vor allem Menschen, die Wohnraum suchen, nicht diejenigen, die schon welchen haben und keine Veränderung in der Nachbarschaft wünschen. Die Initiative zum Erhalt von Hamburgs Grün sei daher am Ende nichts weiter als eine „Ideologie der Besitzenden“, kritisiert der VNW-Chef.

Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen vertritt genossenschaftliche Unternehmen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Die 101 Hamburger VNW-Mitglieder investierten 2017 rund 572 Millionen Euro in Neubauten.