Im Jahr 2018 wollen die Hamburger Christdemokraten festlegen, wer 2020 als Bürgermeisterkandidat Olaf Scholz herausfordert. Das Problem: So richtig Lust scheint auf den Job derzeit niemand zu haben

Man hat’s ja echt nicht leicht als Opposition. Während ein Bürgermeister quasi täglich irgendeinen Grundstein legen, einen Superlaser einweihen oder überschüssiges Geld verteilen kann, kommen seine Gegenspieler viel seltener mit großen Fotos in die Gazetten oder als Gäste ins Fernsehstudio. Und wenn, dann müssen sie mosern oder irgendetwas fordern, das sowieso niemand umsetzt. Schon deswegen kommt ein Oppositionsführer schnell als miesepetriger Meckerpott rüber. Und deshalb gilt wohl noch immer der Satz: Mehrheitsverhältnisse wechseln niemals, weil eine Opposition gewählt wird, sondern nur, wenn die Menschen einer Regierung überdrüssig sind und diese abwählen.

Immerhin: Im Jahr 2018 dürfte die Hamburger CDU, die bei der Bürgerschaftswahl 2015 auf ein Rekordtief von nur 15,9 Prozent gestürzt war, deutlich stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung rücken. Denn sie wählt nicht nur im Juni ihren Parteichef neu und bestimmt im Spätsommer die Kandidaten für Europa- und Bezirksversammlungswahlen. Bis Jahresende will sich die Partei auch auf den Mann oder die Frau einigen, die 2020 für das Amt des Bürgermeisters kandidieren soll.

Wie man die Besetzung wichtiger Ämter als monatelange PR-Spektakel in eigener Sache inszenieren kann, hat die SPD gelegentlich vorgemacht – nicht nur bei der Auswahl von Rudolf Scharping als Parteichef durch eine Mitgliederbefragung 1993, sondern auch mit den Duellen Thomas Mirow gegen Mathias Petersen und Dorothee Stapelfeldt gegen Petersen um die Spitzenkandidaturen 2004 und 2008 in Hamburg. Allein: Bei der CDU zeichnet sich bisher gar kein Wettstreit um die Spitzenkandidatur 2020 ab, der sich werbewirksam auswalzen ließe – im Gegenteil. Angesichts der schwierigen Ausgangslage scheint sich niemand sonderlich um den Job zu bemühen.

CDU-Fraktionschef André Trepoll hat zwar als Oppositionsführer im Jahr 2017 deutlich an Format gewonnen – durch eine innovative Plakatkampagne, einen neuen Facebook-Auftritt, witzig-kluge Reden in der Bürgerschaft, klare Kante zum G-20-Chaos oder den erfolgreichen Kampf gegen die von Rot-Grün geplante neue Reinigungsgebühr. Auch wird der Führungsstil des 40-Jährigen in der Fraktion als freundlich und kooperativ und er selbst als guter Teamspieler gelobt. Mit seinen ironisch-bissigen Reden hat Trepoll es zuletzt sogar öfter mal geschafft, SPD-Bürgermeister Olaf Scholz zu einem Hauch von Zorn zu reizen – was nicht jedem gelingt.

Und natürlich wäre Trepoll als Oppositionsführer der „geborene Kandidat“, wie auch der langjährige CDU-Chef Dirk Fischer betont. Gleichwohl berichten viele in der Partei, dass der Vater zweier kleiner Kinder sich längst nicht sicher sei, ob er antreten wolle. Das dürfte mehrere Gründe haben: Zum einen zeichnet sich für die CDU 2020 keinerlei Machtoption ab. Es ist schlicht nicht vorstellbar, dass die Grünen plötzlich die Seiten wechseln, womöglich um in Hamburg einen Jamaika-Versuch zu wagen. Auch wenn man vermuten darf, dass Olaf Scholz nach dem für ihn nicht nur wegen G 20 sehr unschönen Jahr schlechter abschneiden könnte als 2015 – stärkste Kraft dürfte die CDU wohl kaum werden.

Hinzu kommt: Der im persönliche Gespräch und in seinen Reden amüsante und eloquente André Trepoll kommt in den Medien leicht als spießig-konservativer CDU-Bär rüber, mithin: nicht unbedingt als größter Sympathieträger. Seine Persönlichkeitswerte waren bei der bisher letzten Umfrage Ende 2016 daher auch weniger gut.

Trepoll weiß all das, denn er neigt nicht dazu, sich die Realität schönzufärben. Tatsächlich hat sich der Jurist deswegen wohl noch nicht entschieden, ob er kandidieren will. Wenn er aber nicht antreten würde, wer käme dann infrage?

Als Erster natürlich der Parteivorsitzende Roland Heintze. Mit dessen Arbeit sind die meisten CDU-Mitglieder zufrieden – auch wenn der eine oder andere ihn als etwas hektisch kritisiert und Heintze sich gerade beim Thema Frauenförderung eine Niederlage in der Partei abgeholt hat. Der 44-Jährige aber dürfte andere Pläne als die Spitzenkandidatur haben.

Im Juni will sich Heintze im Amt des Parteichefs bestätigen und sich im Spätsommer zum Kandidaten für die Europawahl 2019 küren lassen. Den Bürgermeister-Job traut ihm auch in der Führung der eigenen Partei kaum jemand zu. Allenfalls, so heißt es, könnte es zu einer Notlösung wie 1993 kommen. Damals drängte Bundeskanzler und CDU-Chef Helmut Kohl den damaligen Hamburger CDU-Chef Dirk Fischer angeblich: „Dirk, Sie müssen das jetzt machen. Wenn niemand will, muss der Landesvorsitzende antreten.“ Fischer gab den Parteisoldaten, kandidierte und verlor klar gegen SPD-Bürgermeister Henning Voscherau.

Genannt werden gelegentlich auch andere Namen, etwa Karin Prien, lange Zeit profilierte Hamburger Bildungspolitikerin und jetzt CDU-Ministerin in Kiel. Dass die 52-Jährige aber ein Ministeramt in Schleswig-Holstein für eine aus heutiger Sicht wohl chancenlose Kandidatur in Hamburg aufgibt, gilt als so gut wie ausgeschlossen. Dafür, so heißt es, müsste es vorher erst sehr CDU-freundliche Umfragen geben – und die (vor allem männliche) Parteiführung müsste außerdem nächtelang Liebeslieder unter Priens Blankeneser Balkon singen.

Oder machen es Heintze, Hill oder eine Niedersächsin?

Als möglicher CDU-Bürgermeisterkandidat wurde auch schon der frühere Kultur- und Justizstaatsrat Nikolas Hill gehandelt. Der lockige 45-Jährige könne perfekt als Kandidat einer liberalen Großstadt-CDU antreten, glaubten manche. Bei fast allen Mitglieder der Parteispitze aber gilt das als ausgemachter Unfug. Genauso steht es um Martina Krogmann, frühere niedersächsische Bundes­-tagsabgeordnete und Ex-Staats-sekretärin. Es gebe einen Geheimplan, Krogmann als Kandidatin auszurufen, wird vereinzelt behauptet. Das Ganze hat nur zwei Haken: Die meisten haben den Namen Krogmann noch nie gehört – und Martina Krogmann selbst weiß angeblich auch nichts von ihrem Glück. Sie betont, sie habe sich aus der Politik verabschiedet.

So bleiben zum Jahresanfang viele Fragezeichen – und eine Lösung, die man als wahrscheinlichste ansehen muss: Wenn die CDU-Spitze bis zum Herbst nicht noch irgendwo in Deutschland den Superkandidaten auftreibt, der für sie in ein (wenig aussichtsreiches) Rennen geht, dann wird sich Fraktionschef Trepoll zum Jahresende in die Pflicht und also in die Kandidatur fügen. Immerhin mit der Option, bei einem respektablen Ergebnis 2025 erneut anzutreten. Dass er im Zweifel nicht Nein sagen kann, hat Trepoll kürzlich im Abendblatt-Interview klargemacht. „Natürlich gehört es zur Rolle eines Oppositionsführers, sich grundsätzlich die Spitzenkandidatur und das Bürgermeisteramt zuzutrauen“, so der Fraktionschef. Dass er diese Rolle auch 2018 auszufüllen gedenkt, will Trepoll schon bald nach dem Jahreswechsel zeigen: mit einer großen Veranstaltungsreihe und einer neuen Plakatkampagne.