Hamburg. Diese soll Diskriminierung für Personen verhindern, die sich zu keinem Geschlecht bekennen können oder wollen.

Berlin hat schon seit Jahren welche, jetzt soll auch das erste Hamburger Amt geschlechtsneutrale Toiletten bekommen. In Eimsbüttel ist ein entsprechender Antrag für Unisex-Toiletten von der Bezirkspolitik beschlossen worden. Ziel ist eine Art Universal-WC, bei dem sich weder Mann noch Frau noch trans- oder intergeschlechtliche Menschen überlegen müssen, durch welche Tür sie gehen. Die „Toilette für alle“ soll vor allem Diskriminierung für Personen verhindern, die sich zu keinem Geschlecht bekennen können oder wollen. Die Verwaltung prüft nun, wie und an welcher Stelle ein solches WC im Bezirksamt umgesetzt werden kann.

FDP und AfD enthielten sich bei Antrag

Die Premiere für die Hamburger Verwaltung hat die Grünen-Abgeordnete Cornelia Kost ins Rollen gebracht. Unterstützt wurde sie aber von allen Fraktionen, nur FDP und AfD enthielten sich. Kost sagt, sie wolle Betroffenen eine „niedrigschwellige Maßnahme zum Abbau von Hürden im Alltag“ bieten.

Dabei gehe es nicht nur um Toiletten, sondern darum, Bewegung in die Diskussion zu bringen und Geschlechterunterschiede zu berücksichtigen. „Das hat das Bundesverfassungsgericht der Politik im Übrigen auch mit auf den Weg gegeben.“ Deshalb sei es kein „grünes Gender-Gaga“, wie Kost sagt. „Die Wahrheit ist: Es ist ein wichtiges Thema.“

Bis zu 120.000 Menschen intersexuell

Laut Bundesfamilienministerium haben gut drei Prozent aller Menschen ein vom realen abweichendes „soziales Geschlecht“. Weitere zwei Prozent erleben keine Übereinstimmung mit ihrem augenfälligen Geschlecht. Laut Schätzungen des Ministeriums sind 8000 bis 120.000 Menschen in Deutschland intersexuell. Die Hälfte dieser Menschen unternimmt mindestens einmal im Leben einen Selbstmordversuch. Studien zeigen, dass sie häufiger Opfer von sexueller Gewalt oder Diskriminierung im Beruf werden. Auch beim Toilettengang leben sie mit dem Risiko, bepöbelt und gemobbt zu werden.

Unterstützung erhält der Eimsbütteler Vorstoß deshalb aus der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung von Katharina Fegebank (Grüne): „In Hamburg soll jeder Mensch selbstbestimmt leben können und eine gleichberechtigte Teilhabe erfahren“, sagt Sprecherin Julia Offen. Dafür seien entsprechende Rahmenbedingungen durch die Stadt zu schaffen. Welche Maßnahmen geeignet sind, um diese Rahmenbedingungen herzustellen, müsse im Einzelfall mit Betroffenen, Öffentlichkeit und Politik diskutiert werden.“ Die Möglichkeit der Nutzung entsprechend ausgerichteter sanitärer Anlagen könnte dabei ein Aspekt sein, so Offen.

Schmallippiger antwortet das Bezirksamt Eimsbüttel. Sprecher Andreas Aholt verweist auf den „Prüfungsauftrag“. Dem Ergebnis wolle er nicht vorgreifen, auch weil es „grundsätzlich zunächst der Bezirksversammlung übermittelt wird“. Die nächste Bezirks­­versammlung ist Ende Januar.

Neue öffentliche Toiletten der Stadt unisex

Unisex-Toiletten müssen weder Staatsakt noch teuer sein. „In Bahn- oder Flugzeugtoiletten ist es seit Jahren so“, sagt Kost. Zumal auch die neuen öffentlichen Toiletten der Stadt unisex sind. Am Hafen wurde 2016 die erste „Toilette für alle“ eröffnet. Von etwa 125 öffentlichen WCs wurden laut Umweltbehörde bisher sechs barrierefreie Hightech-Toiletten ohne Geschlechterteilung aufgebaut, und zwar an der Harburger Außenmühle, am Harburger Rathausplatz, am Berliner Tor, am Bahnhof Blankenese, in der Sternschanze und an der Eppendorfer Landstraße.

Weitere sollen folgen, allerdings nicht aus Antidiskriminierungsgründen. „Solche WC-Anlagen sind in vielen Fällen die beste und wirtschaftlichste Lösung“, sagt Behördensprecher Jan Dube. Bei neuen Planungen werde diese Variante immer geprüft. Und die Nutzungszahlen zeigen, dass sie angenommen werden.

Dass Amtstoiletten etwas anderes sind, hatte eine angeregte Diskussion in Berlin um Unisex-Toiletten gezeigt. Die umgebauten WCs waren indes nahezu die gleichen geblieben. Auf ehemaligen Männerklos waren lediglich zusätzliche Hygienebehälter installiert worden und eine neue abschließbare Zwischentür. Eine neue Beschilderung komplettierte die Änderung. Umbaukosten: 350 Euro. Nach den Rathäusern in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg hatte das Abgeordnetenhaus beschlossen, solche Toiletten auch auf Senatsebene einzurichten.

"Gleichstellung ist ein Langstreckenlauf"

Antragstellerin Cornelia Kost sagt, dass ihr bewusst sei, mit geschlechtsneutralen Verwaltungstoiletten in Eimsbüttel nur einen kleinen Beitrag im Gesamtpaket zu leisten. „Wenn dadurch aber etwa die Praxis hinterfragt wird, jährlich die Geschlechter von 1700 Kindern ohne ihr Einverständnis zu korrigieren, ist es schon ein Erfolg.“ Denn Gleichstellung sei ein Langstreckenlauf, bei dem es um Etappenziele gehe. Die geltende Versammlungsstättenverordnung ab 1000 Plätzen etwa bevorteile nach wie vor Männer bei der Toilettenfrage. Gleichberechtigt sei nur der Raumbedarf. Dank Urinalen können bei Herrentoiletten auf gleicher Fläche acht Toiletten mehr untergebracht werden – also 20 statt nur zwölf bei Damen.

Abgesehen davon gebe es nicht nur trans- und intersexuelle Menschen, für die herkömmliche WCs schwierig seien. Immer mehr Menschen würden sich als „queer“ bezeichnen, Kategorien wie Mann oder Frau ablehnen, sagt Behördensprecherin Offen. Ob es sich um Minderheiten handelt, sei rechtspolitisch allerdings unerheblich: „Minderheiten haben in Deutschland Anspruch auf Schutz und gleiche Rechte.“