Hamburg. Stadt soll die Insolvenz abwenden, damit das Schullandheim weiter betrieben wird. Finanzspritze nötig

Die Nachricht dürfte Generationen von Hamburgern, die hier auf Klassenreise waren, schockiert haben: Das Schullandheim Puan Klent, idyllisch gelegen in den Dünen vor Rantum auf Sylt, steht vor dem Aus. Wie berichtet, hat die Betreiberin, die Stiftung Puan Klent, am Dienstag Insolvenz angemeldet – nachdem die Sozialbehörde ihr in letzter Minute eine erhoffte Zuwendung verweigert hatte.

Jetzt müsse die Stadt handeln und alles dafür tun, dass die Insolvenz abgewendet oder ein neuer Betreiber für das Schullandheim gefunden werde, fordern Politiker, sogar aus den eigenen Reihen. „Es wäre sehr schade, wenn es diesen tollen Ort nicht mehr geben würde, und wir müssen dringend einen Weg finden, ihn zu erhalten“, schreibt der Grünen-Vorsitzende Anjes Tjarks auf Facebook. Für Sabine Boeddinghaus (Linke) gehören Schullandheime in staatliche Hand. „Für eine Stiftung, die immer darauf angewiesen ist, Geld einzutreiben, ist der Betrieb einer solchen Einrichtung zu riskant.“ Das Haus müsse im Sinne der Kinder gerettet und saniert, das gute inklusive Konzept umgesetzt werden. „Es ist Aufgabe des Staates, dass es ausreichend viele Begegnungsstätten für Kinder und Familien gibt.“

Auch Marcus Weinberg (CDU) sieht die Stadt in der Pflicht. „Diese Insolvenz ist nichts, was man kalt abwickeln kann. Es geht hier schließlich nicht um irgendeinen Betrieb, sondern um eine Hamburger Institution mit einem hohen Wert für das Gemeinwesen.“ Es müsse daher im Interesse der Stadt liegen, entweder die Insolvenz abzuwenden oder ein Konzept für den Weiterbetrieb zu finden. Vorstellbar sei ein Konsortium aus Sozial-, Schul- und Finanzbehörde, interessierten Einrichtungen und finanziellen Unterstützern wie einem Mäzen oder der Hamburger Sparkasse. Diese müssten das bereits entwickelte Konzept, auch um inklusive Schulklassen zu werben, noch einmal durchgehen und überprüfen, ob es um andere Angebote ergänzt werden kann. „Ich bin mir sicher, dass die Einrichtung mit Geld aus verschiedenen Töpfen aufrechterhalten werden kann“, so Weinberg. „Warum sollten nicht auch Träger aus der Kinder- und Jugendhilfe einsteigen? Hier mit therapeutischer Begleitung Ferien oder Freizeiten zu verbringen kann zum Beispiel auch für Kinder psychisch kranker Eltern, für Flüchtlingskinder oder traumatisierte Kinder heilsam sein.“

Die FDP fordert vom Senat mit einer Anfrage Auskunft

Parallel zu diesen „Rettungsmaßnahmen“ müsse aber auch der Vorgang an sich beleuchtet werden. „Wir müssen politisch aufarbeiten, wie es so weit kommen konnte“, so Weinberg. „Die Insolvenz kam ja völlig überraschend, sodass untersucht werden muss, ob Sozialbehörde und Stiftungsaufsicht angemessen reagiert haben.“

Um die Umstände der nicht erteilten Zuwendung und die weiteren Pläne der Behörde aufzuklären, hat die FDP am Mittwoch in einer Kleinen Anfrage vom Senat Auskunft gefordert. „Wir erwarten von der Behörde, dass sie jede betriebswirtschaftlich vertretbare Lösung zum Fortbestand unterstützt, die im Laufe eines Insolvenzverfahrens auf den Tisch kommt“, so der familienpolitische Sprecher Daniel Oetzel.

Unterdessen hat Stiftungsvorstand Peter Klix weitere Einzelheiten bekannt gegeben. So sollen neben den unverhältnismäßig hohen Löhnen, die auf Sylt für Personal gezahlt werden müssen, auch die hohen Kosten für eine Marketing-Maßnahme Grund für die erhebliche wirtschaftliche Schieflage von Puan Klent sein. Sie hat nach Abendblatt-Informationen einen hohen fünfstelligen Betrag verschlungen, wurde im Fahrgastfernsehen und auf Edgar-Werbepostkarten in Kneipen verbreitet, brachte aber nicht den gewünschten Erfolg.

Diese Marketing-Maßnahmen und die Entwicklung der Marke „Puan Klent“ seien vor einem Jahr auf dringenden Wunsch der Senatskanzlei in Auftrag gegeben worden. „Derartige Maßnahmen wurden dort als eine Voraussetzung für die Gewährung der Bundesmittel von 15 Millionen Euro gesehen“, so Klix. Die Senatskanzlei dementiert das: Die Marketing-Maßnahme habe eine von ihr bezahlte Unternehmensberaterin empfohlen, nicht die Kanzlei selbst. Während sie es an dieser Stelle sehr genau nimmt, hat die Stadt an anderer Stelle offenbar ziemlich geschlampt. So kritisiert der von der Stiftung beauftragte Unternehmensberater Hartmut Knigge, dass die Stadt zwei Gründe, warum sie letztlich eine finanzielle Unterstützung ablehnte, schon früher hätte wissen können: dass bei der Besicherung des Dünengrundstücks die Haspa an erster Stelle stand und die von der Stadt gewünschte Erstrangigkeit nicht möglich war und dass sie den von ihm erstellten Geschäftsentwicklungsplan als nicht tragfähig ansah. „Wäre das vor ein paar Wochen kommuniziert worden, hätte die Stiftung andere Unterstützer suchen können“, so Knigge. Tatsächlich aber soll die Behörde den Termin, an dem der Stiftung mit einem positiven Bescheid rechnete, kurz vorher abgesagt haben.

200.000 Euro von der Stadt hätten ausgereicht

Bei dem Zuwendungsbescheid hätte es sich um eine sofortige Beihilfe in Höhe von 170.000 Euro gehandelt sowie einen späteren Kredit der Stadt in Höhe von 270.00o Euro, der jährlich in drei Raten von jeweils 90.000 Euro zurückgezahlt werden sollte, so Stiftungsvorstand Klix. „Damit wäre der gesunde wirtschaftliche Betrieb von Puan Klent sichergestellt gewesen.“ Durch die von einem Mäzen zugesagte Unterstützung von insgesamt 165.000 Euro habe man die Höhe der Beihilfe sogar auf 200.000 Euro reduzieren können. Nach Aussage von Unternehmensberater Knigge wäre diese Summe mehr als ausreichend gewesen. „Mit einer Finanzspritze von 350.000 Euro könnte Puan Klent von 2019 an wieder schwarze Zahlen schreiben.“

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