Hamburg . SPD und Grüne haben sich mit der Volksinitiative „Gute Inklusion“ geeinigt. So sieht das 20-Punkte-Paket aus.
Seit August hatten beide Seiten um einen Kompromiss gerungen, nun ist er da: Hamburg soll bis 2023 insgesamt 295 zusätzliche Lehrerstellen für die Inklusion schaffen. Weil von diesen Mitteln auch Sozialpädagogen und Erzieher bezahlt werden sollen, die weniger verdienen als Lehrer, werden tatsächlich etwas mehr als 300 zusätzliche Stellen entstehen. Außerdem sollen in den nächsten zehn Jahren mindestens 100 Millionen für barrierefreie Schulen investiert werden.
Darauf haben sich die Fraktionen von SPD und Grünen mit der Volksinitiative „Gute Inklusion“ geeinigt. Ein Antrag dazu soll heute in die Bürgerschaft eingebracht werden. „Wir gehen davon aus, dass wir eine breite Zustimmung bekommen“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Ein Volksentscheid wäre damit abgewendet.
25 Millionen Euro pro Jahr
Die personelle Aufstockung soll 2018 beginnen und in diesem Jahr fünf Millionen Euro kosten. Mit dem Abschluss des Projekts sollen die Maßnahmen ab 2023 dann 25 Millionen Euro pro Jahr kosten.
Die genannten Maßnahmen sind Teil eines Pakets mit 20 Punkten, das die Spitzen der Fraktionen und die Vertrauensleute der Volksinitiative am Dienstag im Rathaus vorstellten. „Das bedeutet eine Entlastung für viele Schulen“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Er sprach allerdings auch von „langen und schwierigen Verhandlungen“. Was da verabredet wurde, sei „ein ganz großer Schluck aus der Pulle“ und „finanzpolitisch an der Grenze des Machbaren“, sagte Dressel.
Die Volksinitiative hatte zunächst 600 bis 650 zusätzliche Lehrer für die Inklusion gefordert. „Insofern waren auch wir an der Schmerzgrenze“, sagte Vertrauensmann Pit Katzer. Wäre es doch zu einem Volksentscheid gekommen, wäre eine Verbesserung an den Schulen allerdings frühestens in dreieinhalb Jahren möglich gewesen, sagte er. Die Umsetzung der jetzt erreichten Einigung werde früher zu „spürbaren Verbesserungen der Rahmenbedingungen für eine gute Inklusion führen“.
Schüler mit Behinderungen stärker fördern
Zu den wichtigsten Maßnahmen des 20-Punkte-Plans zählt etwa, dass 200 zusätzliche Lehrer für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache oder emotional-soziale Entwicklung (LSE) eingestellt werden sollen. Dieser Aufwuchs soll 2018 in den Vorschulklassen und den Klassen 1 und 5 beginnen. Derzeit sind dafür 800 Lehrer im Einsatz.
Schüler mit Behinderungen sollen künftig stärker gefördert werden. Unter der Bedingung, dass rechnerisch mindestens drei Kinder mit Behinderungen in einer Klasse in jeder Jahrgangsstufe sind, soll der Unterricht durchgängig mit zwei Lehrern besetzt werden. Hierfür sollen ab dem Schuljahr 2018/2019 bis zu 70 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen werden.
Allgemeinbildende Schulen, die mindestens fünf Schüler mit dem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung haben, erhalten künftig genauso viele Therapie- und Pflegestunden wie Sonderschulen. Die dafür vorgesehenen Mittel entsprechen 24,7 Lehrerstellen. „Durch diese Maßnahme wird die Wahlfreiheit für Kinder mit Behinderungen verbessert, weil sie an den allgemeinbildenden Schulen genauso viel Therapie und Pflege erhalten wie an einer Sonderschule“, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks.
Mindestens 100 Millionen Euro sollen in den nächsten zehn Jahren für barrierefreie Schulen investiert werden, davon mindestens 35 Millionen für Umbaumaßnahmen zwischen 2018 und 2023 in bestehenden Gebäuden.
FDP: Nicht nur mehr Geld, sondern auch Konzepte nötig
Birgit Stöver von der CDU-Fraktion sprach von einem „guten Ergebnis für alle Hamburger Schüler, Lehrer und Eltern“. Allerdings: „Wieder einmal wird deutlich, dass der bisherige Weg von Rot-Grün auf Sparflamme gescheitert ist. Erst mit Hilferufen aus der Bevölkerung und auf Druck der Volksinitiative kommt Bewegung in die Inklusion.“
Linken-Politikerin Sabine Boeddinghaus dankte den Initiatoren der Volksinitiative. „Es ist ihnen gelungen, die Inklusion als zentrales gesellschaftliches Projekt ganz oben auf die politische Agenda zu setzen.“
Auch die FDP begrüßte die Einigung. Eine gelungene Inklusion erfordere allerdings auch gute Konzepte, sagte FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein. „Mehr Lehrerfortbildung, Erhaltung der Förderschulen und differenzierte Lerngruppen sind dringend nötig. Diese Punkte erkennen wir in der heutigen Einigung nicht.“