Hamburg. MyTaxi und die VW-Tochter Moia kündigen neues Angebot für Hansestadt an. Wenn Kunden Fremde im Wagen akzeptieren, sparen sie Geld.
„Wir wollen die Ersten in Hamburg sein“, sagte ein Sprecher des Taxi-Vermittlers MyTaxi Anfang des Jahres dem Abendblatt. Das hat nicht ganz geklappt: Zwar stellte das Unternehmen mit Sitz in Altona am Montag eine neue Funktion seiner Bestell-App vor, mit der Kunden nun auch Taxifahrten buchen können, bei denen fremde Gäste mit an Bord sind – Hansa Taxi allerdings hatte einen solchen Service bereits einen Tag zuvor in der Hansestadt gestartet.
Das Konzept ist identisch: Ein Fahrgast, der ein Taxi per Smartphone-App bestellt, kann jetzt auswählen, ob er fremde Mitfahrer und eine eventuell etwas längere Fahrt akzeptiert. Ein Algorithmus ermittelt dann, ob es andere Taxikunden gibt, die ebenfalls gerade in die gewünschte Richtung gefahren werden wollen. Ist das so, sammelt der Taxifahrer erst den einen, dann den anderen Kunden ein und fährt sie nacheinander bis an ihr Ziel. Der Vorteil für den Fahrgast: Er zahlt nur seinen Anteil an der Fahrt – und fährt damit insgesamt günstiger.
Neue Zielgruppen ins Taxi holen
„Wir wollen neue Zielgruppen ins Taxi holen, ein junges, preissensibles Publikum, dass sich eine Taxifahrt sonst nicht leisten kann oder will“, sagt Alexander Mönch, der beim europaweit tätigen Vermittlungsservice MyTaxi Generalmanager für Deutschland ist. In Hamburg, wo in den vergangenen Jahren die Zahl der Taxilizenzen um gut 1000 auf etwa 3000 zurückgegangen ist, sieht Mönch aber auch gute Chancen, Geschäftsleute für geteilte Fahrten zu gewinnen. „An Messetagen fällt es zu Stoßzeiten oft schwer, überhaupt noch ein Taxi zu bekommen. Da wird die Bereitschaft groß sein, sich einen Wagen zu teilen“, sagt Mönch.
So ähnlich die beiden Angebote sind, im Detail gibt es durchaus Unterschiede: Beide vermitteln geteilte Fahrten rund um die Uhr, mit Hansa Taxi sind sie im gesamten Stadtgebiet möglich, MyTaxi vermittelt sie einstweilen in Stadtteilen zwischen Bahrenfeld und Barmbek, zwischen dem Flughafen im Norden und Wilhelmsburg im Süden. Zu Hansa Taxi gehören etwa 800 Autos, MyTaxi hat in Hamburg 1800 Taxis unter Vertrag.
Dreimonatige Testphase
Wichtiger noch: Bei Hansa Taxi ist die Fahrt nur dann günstiger, wenn sie tatsächlich zwischen mehreren Gästen geteilt wird. Bei MyTaxi, das für jede vermittelte Fahrt sieben Prozent Provision vom Taxiunternehmer erhält, fahren Kunden, die zur geteilten Fahrt bereit sind, in einer dreimonatigen Testphase in jedem Fall für die Hälfte des sonst üblichen Preises – selbst dann, wenn kein fremder Fahrgast zusteigt. Es ist ein zeitlich begrenzter Rabatt.
„Wir wollen in der Testphase Erkenntnisse gewinnen, was die Kunden wollen, wozu sie bereit sind“, sagt Johannes Mewes, Produktvorstand des 2009 in Hamburg gegründeten Unternehmens, das seit 2014 zu Daimler gehört. Es geht um Fragen wie: Wann und wo werden geteilte Fahrten von wem gebucht? Zu welchen Tageszeiten, in welchen Stadtteilen, mit welchen Zielen? Wie häufig sitzen wildfremde Menschen gemeinsam in einem Wagen? Was folgt daraus für die Preisgestaltung? Die Daten sollen helfen, das Angebot, das derzeit noch für spontane Buchungen gilt, zu optimieren. Bei MyTaxi wird schon über geteilte Fahrten auf Vorbestellung nachgedacht.
Match-Funktion wird eingeführt
Einen Teil der Antworten kennt das Unternehmen bereits. Hamburg ist zwar die erste deutsche Stadt, in der die sogenannte Match-Funktion eingeführt wird, Premiere hatte sie aber vor knapp drei Monaten in Warschau. „In Warschau vermitteln wir bereits 20 bis 30 Prozent geteilte Fahrten“, sagt MyTaxi-Produktvorstand Mewes.
Niedrigere Preise für die Kunden, eine bessere Auslastung der Wagen für die Taxi-Unternehmen – letztlich sollen die geteilten Fahrten auch dazu beitragen, den Autoverkehr in der Innenstadt zu verringern. Das sogenannte Sharing gilt als das derzeit wichtigste Thema für die Zukunft des Stadtverkehrs.
Clevershuttle fährt jetzt ab 10 Uhr
In Hamburg hat diese Zukunft bereits vor drei Monaten begonnen, als das Start-up Clevershuttle, an dem die Bahn AG beteiligt ist, seinen Fahrdienst für geteilte Fahrten startete. Der Service ist günstiger als Taxifahrten, unterscheidet sich ansonsten nur wenig von den neuen Angeboten, zum Beispiel schickt Clevershuttle derzeit zehn eigene Autos mit eigenen Fahrern auf die Straße – mit wachsendem Erfolg.
„Unsere Erwartungen wurden übertroffen“, sagt Firmensprecherin Nora Erdbeer. In den ersten drei Monaten seien knapp 4000 Fahrgäste transportiert worden, die Zahl der Buchungen sei von Monat zu Monat sprunghaft gestiegen, bislang seien 16 Prozent der Fahrten geteilte Fahrten gewesen. „Wir sind zuversichtlich bis Jahresende 6500 Fahrgäste zu transportieren und eine Sharing-Quote von 25 Prozent zu erreichen“, sagt Erdbeer. Clevershuttle will auch mit einer deutlichen Ausweitung des Angebots ans Ziel kommen.
Auch Fahrten zum Flughafen
Bislang fuhren die wasserstoffgetriebenen, viersitzigen Toyota-Limousinen nur in der Innenstadt und den umliegenden Stadtteilen. Neuerdings sind auch Fahrten vom und zum Flughafen und zum Volksparkstadion möglich. Und: Die Clevershuttle-Wagen können jetzt auch schon für Fahrten ab 10 Uhr vormittags und bis mindestens 24 Uhr gebucht werden, am Wochenende bis tief in die Nacht. Als das Unternehmen vor drei Monaten startete, waren die Wagen erst ab 18 Uhr im Einsatz.
So wie MyTaxi Hamburg zum Testfeld für geteilte Taxifahrten macht, plant die Volkswagen-Mobilitätssparte Moia die Hansestadt als Testfeld für seinen Fahrdienst, der dem von Clevershuttle stark ähnelt. Moia stellte am Montag ein eigens für geteilte Fahrten entwickeltes Elektrofahrzeug vor, das Ende 2018 Premiere auf öffentlichen Straßen haben wird – in Hamburg. „Wir wollen mit 200 Fahrzeugen starten“, sagt Robert Henrich, der für das operative Geschäft zuständige Manager bei Moia.
Linienbusse ersetzen
Der gemeinsam mit der VW-Nutzfahrzeugsparte auf Basis des Liefer- und Handwerkerwagens Crafter entwickelte Sechssitzer ist so konzipiert, dass die einander fremden Fahrgäste Diskretionsabstand halten können. Moia-Chef Ole Harms hatte bereits angekündigt, die Fahrpreise sollten denen im öffentlichen Nahverkehr ähneln. Moia arbeitet mit der Hochbahn zusammen. Letztlich könnten die Autos in verkehrsschwachen Zeiten Linienbusse ersetzen. In drei Jahren, so der Plan, sollen bereits 1000 Moia-Wagen auf Hamburgs Straßen im Einsatz sein.