Hamburg. Er hatte gestanden, an den Plünderungen in der Sternschanze während der Krawalle am Rande des G20-Gipfels beteiligt gewesen zu sein.
Es ist das härteste Urteil, das bislang im Zusammenhang mit den Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg gefällt wurde: Am Dienstag erhielt ein 28 Jahre alter Hamburger eine Freiheitsstrafe von drei Jahren unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs. Was bei den G20-Krawallen passiert sei, „war Terror. Es wurden Angst und Schrecken verbreitet. Und Sie waren daran beteiligt“, sagte die Richterin in der Urteilsbegründung in Richtung des Angeklagten Ümüt Y. „Sie waren an vorderster Front dabei.“
Dem 28-Jährigen wurde in dem Prozess vor dem Schöffengericht vorgeworfen, am Abend des 7. Juli über Stunden an mehreren Orten im Schanzenviertel immer wieder etwa faustgroße Steine sowie Flaschen geworfen und dabei teilweise auch Polizeibeamte getroffen zu haben. Zudem hatte er sich laut Anklage in drei Fällen an Plünderungen von Geschäften beteiligt. Bei den Plünderungen in den betroffenen drei Läden entstand demnach ein Gesamtschaden von rund 4,6 Millionen Euro, weil von den marodierenden Tätern auch Einrichtungsgegenstände zerstört und in einem Fall ein Feuer gelegt wurde.
Angeklagter entschuldigte sich
Der Angeklagte hatte die Würfe aus einer Menge heraus gestanden und auch, an den Plünderungen beteiligt gewesen zu sein. „Ich entschuldige mich für mein Verhalten. Es war falsch. Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat“, sagte der 28-Jährige. Er wohnt auf St. Pauli, sei zunächst „aus Neugier“ hingegangen. Dann sei er „von einem Strom gewissermaßen mitgezogen“ worden. Heute sei ihm klar, dass er andere nicht nur leicht, sondern sogar schwer hätte verletzen können. „Ich will nie wieder an so einem Gewaltexzess teilnehmen“, sagte Ümüt Y. Einen Tag nach seinen Taten war der Mann festgenommen worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl gegen den Hamburger wurde jetzt mit der Urteilsverkündung aufrecht erhalten.
Die Staatsanwaltschaft hatte für den Angeklagten dreieinhalb Jahre Haft gefordert. Der 28-Jährige sei bei den Krawallen stets in erster oder zweiter Reihe dabei gewesen, und das über rund 200 Minuten, betonte der Ankläger. Die Taten waren durch diverses Videomaterial dokumentiert.
Videos zeigen entfesselte Gewalt
Bei den G20-Prozessen hatte es bislang eine Haftstrafe von 31 Monaten gegeben sowie vier weitere unter zwei Jahren, bei denen es jeweils keine Bewährung gab. Alle anderen Urteile wurden bislang zur Bewährung ausgesetzt. Überwiegend dunkel gekleidete und vermummte Menschen ziehen marodierend durch die Straßen. Sie zerschlagen Gehwegplatten und heben Pflastersteine oder Flaschen auf, werfen diese in Richtung von Polizeibeamten, angefeuert von anderen.
Die Videos, die in dem Prozess gegen Ümüt Y. über die Ausschreitung am Rande des G20-Gipfels gezeigt werden, zeigen entfesselte Gewalt. Auf anderen Filmsequenzen ist zu sehen, wie Menschen gegen Ladentüren springen und prügeln, bis diese nachgeben. Dann strömen Plünderer in die Geschäfte, raffen Getränke und Lebensmittel an sich und schaffen ihre Beute aus den Läden.
Taten tauchten in diversen Videos auf
Ümüt Y. war an diesen Taten beteiligt. Das hatte der kräftig gebaute 28-Jährige mit dem Fünf-Tage-Bart schon kurz nach seiner Festnahme eingeräumt; am Dienstag wiederholte der Hamburger sein Geständnis im Prozess, wo er sich wegen schweren Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung verantworten musste. Es tue ihm „ aufrichtig leid“, was er getan habe, sagte der Angeklagte. „Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.“ Bei den Krawallen an den Geschäften habe er jeweils vor den Läden gestanden, „und von hinten drückte die Menge. Man war mittendrin“. Selber Türen aufgebrochen habe er nicht, betonte der 28-Jährige. Als er später Bilder sah, die die Ausschreitungen zeigten, „bin ich schockiert gewesen“.
Die Taten des Ümüt Y. sind in diversen Videos aufgezeichnet, aus den Überwachungskameras der Geschäfte und auf Filmen, die Polizeibeamte sowie Anwohner gedreht hatten. Man sieht unter anderem, wie der 28-Jährige mit Anlauf und weit ausholender Bewegung Steine wirft. Der Angeklagte sei ihm auch deshalb aufgefallen, sagte ein Polizist als Zeuge, weil er als „einer von wenigen nicht vermummt war“. Über mehr als drei Stunden hatte Ümüt Y. an der Randale teilgenommen. Am nächsten Tag hatte der Polizeibeamte den Hamburger wiedererkannt, der Verdächtige wurde festgenommen. Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer gesagt, der 28-Jährige sei „ein kleiner Teil in einem schwer wiegenden großen Ganzen“, gewesen. Der Verteidiger betonte, Ümüt Y. habe an einem Gewaltexzess teilgenommen, „den er sich selber nicht erklären kann“.
Ümüt Y. ist vorbestraft
Ümüt Y. ist unter anderem wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls vorbestraft; zuletzt hatte er eine siebenmonatige Bewährungsstrafe erhalten, bevor das Schöffengericht nun drei Jahre Freiheitsstrafe gegen den Groß- und Einzelhandelskaufmann verhängte. Das Geständnis des Angeklagten sei „von Reue getragen“, so die Richterin. „Wir glauben Ihnen, dass Ihnen die Taten ganz unangenehm sind.“ Allerdings habe er „über Stunden mehrere Taten begangen und immer weiter gemacht, und das an vorderster Front“.