Hamburg. Seit gut einem Jahr machen „Reichsbürger“ Hamburger Behörden vermehrt zu schaffen. Der Verfassungsschutz korrigiert nun ihre Größe.
Die rechte Szene der sogenannten Reichsbürger ist in Hamburg größer als bisher angenommen. Rund 120 Menschen stufe der Hamburger Verfassungsschutz aktuell als „Reichsbürger“ oder sogenannte Selbstverwalter ein, sagte Verfassungsschutzsprecher Marco Haase. Bei rund zehn Prozent von ihnen lägen zudem Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vor. Die Aktivitäten der Bewegung hätten seit 2016 deutlich zugenommen.
Daher nimmt die Behörde seit rund einem Jahr die Szene unter besondere Beobachtung. Im November 2016 war der Hamburger Verfassungsschutz noch von rund 50 Personen in aktiven Gruppen ausgegangen. Im April korrigierte er die Zahl dann auf rund 80 nach oben, nun sogar auf rund 120. Der Verfassungsschutz kläre die Szene konsequent und kontinuierlich auf, sagte Haase. Diese intensive Aufklärung und die damit verbundene „Dunkelfeldaufhellung“ erkläre neben einem weiteren Zulauf die steigende Zahl von Reichsbürgern.
Anhänger der Bewegung lehnen die Bundesrepublik, deren Organe und Behörden ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Sie wird vom Verfassungsschutz beobachtet, weil ihr auch Rechtsextremisten angehören. Der Verfassungsschutz von Bund und Ländern geht laut Haase aktuell von rund 15.000 sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern aus, darunter 900 Rechtsextreme.
Zwei „Reichsbürger“-Bewegungen besonders aktiv
Hamburger Behörden erhielten laut Haase insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2016 vermehrt Zusendungen dieser Klientel. Zwei „Reichsbürger“-Bewegungen, die demnach beide unter dem Namen „Bundesstaat Freie und Hansestadt Hamburg“ firmieren, aber keine personellen Überschneidungen aufweisen, gelten als besonders aktiv.
Mitglieder von ihnen seien mit Stammtischen, Internetauftritten sowie in sozialen Netzwerken aktiv. „Zumindest einzelnen von ihnen sind antisemitische und den Holocaust leugnende Aussagen zuzurechnen“, sagte Haase. Zudem gebe es weitere Gruppierungen, die gegenüber den Behörden erklären, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existiere oder sie sich unter „Selbstverwaltung“ gestellt hätten.
Einstiger "Mister Germany" vor Gericht
Zuletzt war am 23. Oktober ein „Reichsbürger“ in Bayern zu lebenslanger Haft verurteilt worden, der ein Jahr zuvor in Mittelfranken einen Polizisten erschossen und weitere Beamte verletzt hatte. Seine Verteidigerin will das Urteil vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen. Und vor dem Landgericht Halle muss sich derzeit ein einstiger „Mister Germany“ wegen versuchten Mordes an einem Polizisten verantworten. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gehört er der „Reichsbürger“-Bewegung an, was der Angeklagte bestreitet.
Erkenntnisse, dass auch Hamburger „Reichsbürger“ zu einem derart gewalttätigen Vorgehen bereit wären, gebe es bisher nicht, sagte Haase. Aber wenn „Reichsbürger“ mit Hamburger Wohnsitz Waffen legal besäßen, teile der Verfassungsschutz dies der zuständigen Waffenbehörde mit, „um auf dieser Grundlage die Entziehung waffenrechtlicher Erlaubnisse zu prüfen“. Zuletzt hatte die Hamburger Polizei Ende September bei einem „Reichsbürger“ Waffen beschlagnahmt, der erklärt haben soll, sich nicht an geltende Gesetze zu halten.