Hamburg. Arbeiterräte entern das Rathaus. Ein Reeder stirbt. Synagogen brennen. Und in einem NDR-Studio findet ein Mann die richtigen Worte.
Der 9. November gilt mit seinen historischen Ereignissen als Schicksalstag der Deutschen: Die Republik wird ausgerufen (1918), Synagogen brennen (1938), die Berliner Mauer fällt (1989).
Am 9. November 1918 standen auch in Hamburg die Zeichen auf Novemberrevolution. Es war der Tag, an dem Kaiser Wilhelm II. abdanken musste und in Berlin die Republik ausgerufen wurde. Matrosen in Kiel, Wilhelmshaven und Hamburg hatten den Stein Anfang November ins Rollen gebracht: Sie weigerten sich, in einer sinnlosen Entscheidungsschlacht gegen die britische Marine auszulaufen. Der große Krieg, das ahnten alle Soldaten, war für das Deutsche Reich verloren.
9. November 1918: Die Roten drängen in Hamburg an die Macht
Wenig später solidarisierten sich linke Arbeiter mit den Aufständischen. Arbeiter- und Soldatenräte entstanden. Diese Räte wollten auch in Hamburg die alte Ordnung absetzen. Der Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat suchte einen Vorsitzenden. Es gab am 9. November 1918 Gespräche darüber, wer das Amt ausüben könnte.
Die Entscheidung fiel auf den Historiker Heinrich Laufenberg (1872–1932), der die Hamburger SPD-Parteischule leitete. Wenig später beschloss der Arbeiter- und Soldatenrat die Übernahme der politischen Gewalt in Hamburg und die Auflösung von Senat und Bürgerschaft. Die linke Gruppe konnte ihr Regiment bis Anfang Januar 1919 ausüben. Das Gremium tagte dafür im Hamburger Rathaus.
Laufenbergs politische Gegner nannten ihn bald den "roten Diktator Groß-Hamburgs". Im Verlauf der Revolution schloss er sich 1919 der KPD an und trat am 20. Januar 1919 als Vorsitzender des Arbeiter- und Soldatenrates zurück.
9. November 1918: Der Erfinder der Kreuzfahrt stirbt in Hamburg
Ebenfalls am 9. November 1918 starb im Alter von 61 Jahren der Hamburger Reeder Albert Ballin, nach dem die Ballinstadt (Auswandererzentrum auf der Veddel) benannt wurde. Er hatte seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Der Generaldirektor der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) sah durch den Krieg und das Ende der Kaiserreiches sein Lebenswerk vernichtet. Ballin gilt als Erfinder der modernen Kreuzfahrt.
9. November 1938: Hamburgs größte Synagoge brennt
Braune Horden setzten am Abend des 9. November 1938 Hamburgs einzige freistehende Synagoge in Brand. Sie stand am Bornplatz und bot 1200 Menschen Platz. Auch weitere jüdische Einrichtungen und Geschäfte wurden in der Nacht zum 10. November zerstört. Sie ging als "Pogromnacht" in die Geschichte ein.
Als der Hamburger Jude Manfred-Moritz Bundheim am Morgen des 10. November 1938 mit seinem Fahrrad zum Frühgebet fuhr, sah er in der Bornplatzsynagoge einen "rötlich dunklen Schein". Die Synagoge mit der monumentalen Kuppel brannte noch immer. Auch hörte der 14-Jährige das "Zerbersten von Großscheiben". Die zwölfjährige Ruth Frank sah wenig später junge SS-Leute. Sie standen "breitbeinig mit aufgeknöpften Hosen" da und haben "die Rollen der heiligen Schriften 'bewässert' und verbrannt", erinnert sich die Hamburgerin.
Überall im Deutschen Reich steckten die Nazis in der Nacht des 9./10. November 1938 Hunderte von Synagogen in Brand, 30.000 Menschen wurden von der Gestapo verhaftet und Tausende jüdische Geschäfte zerstört. Über das Ausmaß der Zerstörungen im eher liberal geprägten Hamburg gibt es nur wenige noch erhaltene originale Quellen, weil die Nazis viele Akten vernichtet hatten. Offenbar versuchten die Hamburger Nazi-Schergen, das am 9. November 1938 nur unzureichend umgesetzte Pogrom einen Tag später nachzuholen. Daher wurden, schreibt der Historiker Jürgen Sielemann, die massiven Brandanschläge erst "Stunden nach dem von Goebbels öffentlich verkündeten Verbot weiterer Ausschreitungen verübt".
9. November 1989: Der "Mauerfall" in Hamburg
Als in Ost-Berlin Tausende DDR-Bürger an die Berliner Mauer strömten, stand Hanns Joachim Friedrichs (1927–1995) beim NDR in Hamburg vor der Kamera. Stunden zuvor hatte SED-Regent Günter Schabowski bei einer Pressekonferenz in Berlin den Inhalt eines neuen Reisegesetzes verkündet. Hajo Friedrichs hatte an diesem Abend Dienst als ARD-"Tagesthemen"-Moderator. Der Hamburger Journalist war es, der für diesen historischen Abend die richtigen Worte fand. Gegen 22.40 Uhr sagte er im TV-Studio: "Im Umgang mit Superlativen ist Vorsicht geboten, sie nutzen sich so leicht ab. Aber an diesem Abend darf man einen riskieren." Dieser 9. November 1989 sei ein historischer Tag. "Die Tore in der Mauer stehen weit offen."
9. November 2017: "Grindel leuchtet"
Unter dem Motto „Grindel leuchtet“ erinnern Anwohner des Grindelviertels in Hamburg am Donnerstag an die ermordeten Juden in ihrem Viertel. Ab 16.30 Uhr wollen sie Kerzen neben die Stolpersteine stellen, die vor den Häusern auf die ehemaligen jüdischen Bewohner hinweisen. Am 9. November 1938 hatten die Nationalsozialisten Synagogen in ganz Deutschland angezündet. Auch in Hamburg wurden etliche jüdische Einrichtungen zerstört, darunter die Synagoge am Joseph-Carlebach-Platz. Dort erinnern nur noch Umrisse auf dem Boden an das ehemalige Gebäude. Nur wenige Jahre nach den Pogromen wurden Tausende Juden deportiert und umgebracht.