Hamburg. Von wegen schnelles Internet: Bei uns auf dem Land muss man sich zum Versenden wichtiger Nachrichten mitunter auf ein Feld begeben.

„Alles in Ordnung?“, fragte der Freund besorgt und tippte mir dabei auf die Schulter. „Ja“, rief ich erleichtert, „ich bin drin.“ Ich will nicht wissen, was der Freund wirklich gedacht hat, als er mich in unserer kleinen Mühle im Wendland besuchen wollte und mich stattdessen auf einem Klappstuhl sitzend in einem Kartoffelacker neben dem Grundstück vorfand. In einer Hand einen Schirm, um den Laptop auf den Knien vor dem leichten Nieselregen zu schützen. Mit der anderen tippte ich auf der Tastatur. „Hier hab ich Netz“, sagte ich dem Freund, um den „Brief aus der Mühle“ an die Redaktion in Hamburg zu schicken. Schnelles Internet auf dem Land?

Bei uns sieht das so aus: Wenn ich zum Beispiel eine fertige Kolumne an die Redaktion schicken will, stöpsel ich einen WLAN-Sticker in den Laptop. Zunächst versuche ich mein Glück am Küchentisch, wo ich auch am liebsten schreibe. Auf Anhieb klappt das meistens nicht. An guten Tagen bin ich nach fünf bis zehn Minuten „drin“. Mal tippe ich ganz sachte auf „Verbinden“, mal fest und fordernd. Mit so einfachen Tricks lässt sich das Netz nicht überlisten. Spätestens nach zehn Minuten wandere ich mit dem Computer eine Etage höher. Als Laie glaubt man ja, je höher, desto besser sei der Empfang. Wenn ich dann ganz oben unterm Mühlendach, in der dritten Etage, auch keinen Zugang zum Internet kriege, muss ich raus – und rein in die Kartoffeln. Da hat es bislang immer geklappt.

Man wird demütig

Gut, es kommt nicht jedes Mal zum Äußersten. Aber alle sechs, sieben Wochen bestimmt. Dann muss ich halt in die Kartoffeln. Oder die Rüben. Oder den Roggen – je nach Fruchtfolge. Ob es stürmt oder schneit oder die Sonne scheint. Manchmal bin ich aber schon, noch am Küchentisch, beim zweiten oder dritten Versuch „drin“. Woran das liegt? Ich weiß es nicht. Man wird demütig. Vor Gericht, auf hoher See und jetzt auch im Internet in Gottes Hand?

Das Handy funktioniert erstaunlich gut. Meistens. Aber etwa jedes vierte, fünfte Gespräch ist plötzlich weg. Man hört den Anrufer, aber der nicht mich. Oder umgekehrt. Meine Frau Anke reagiert viel gelassener als ich. Sie sagt dem Anrufer, egal ob der das hört oder nicht, sie rufe später noch einmal an – und wartet etwa fünf Minuten. Ich rufe natürlich sofort wieder an. Meistens ist dann am anderen Ende besetzt. Oder ich lande auf der Mailbox. Auf der sage ich dann, ich hätte womöglich aus Versehen das Gespräch unterbunden. Dann stelle ich fest: Ein ähnlicher Text ist mittlerweile auch auf meiner Mailbox.

Ich rege mich nicht mehr auf

Jetzt habe ich gelesen, dass die möglichen Jamaika-Koalitionäre das Internet auf dem Land ausbauen wollen. Das hatten sich Union und SPD vor vier Jahren auch vorgenommen. Davor wollte die Telekom mit Hotspots ganz Deutschland ans Internet anschließen. Bis zu unserer Mühle im Wendland sind sie damit alle nicht gekommen. Aber vom neuen Flughafen in Berlin sollten auch schon 2011 die ersten Jets abheben. Jetzt soll es 2019 so weit sein. Ich glaube das nicht. Ich glaube auch nicht, dass die Erde eine Scheibe ist.

Aber ich rege mich nicht mehr auf. Wenn meine Frau Anke meint, ich würde bald den Computer anraunzen, wenn ich mal wieder nicht ins Netz komme, womöglich schlimme Dinge sagen wie „Nun komm endlich, du Arsch“, schickt sie mich zur Entspannung in den Garten. „Wolltest du nicht die verblühten Bergenien-Stiele schneiden?“, fragte sie.

Bergenien sind sehr pflegeleicht

Genauer gesagt ging es um eine meiner Lieblingspflanzen, die Bergenie „Herbstblüte“. Die blüht anders als ihre Schwestern aus der Familie der Steinbrechgewächse nicht nur im Frühling von April bis teilweise in den Juni, sondern ein zweites Mal im September, manchmal bis in den Oktober. Wenn die „Herbstblüte“ relativ sonnig steht, bekommen die Blätter im Winter auch schöne, rote Farbe. Wie ihre Verwandten aus der Familie der Steinbrechgewächse, die Fetthennen, sind alle Bergenien sehr pflegeleicht. Müssen auch im Hochsommer kaum gegossen werden und wachsen auf kargen Böden.

Karl Günther Barth
Karl Günther Barth © HA | Klaus Bodig

Lange galten Bergenien bei uns als immergrüne Friedhofspflanzen, gut auch für schattige Lagen. In England waren die je nach Art und Sorte zwischen 20 und 50 Zentimeter groß werdenden Pflanzen schon immer Gärtners Lieblinge. Dort heißen sie wegen ihrer großen Blätter auch „Elefanten-Ohren“ – oder auch „Pigsquiek“. Wenn man frische Blätter aneinanderreibt, klingt das ein bisschen so, wie wenn Schweine quieken. „Herbstblüte“ blüht wie die meisten Bergenien, die ursprünglich aus China und dem Himalaja stammen, rosa. Gezüchtet wurde sie in der Gärtnerei Härlen in Stelle, im Landkreis Harburg.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth