Hamburg. Ganz schön plietsch, die Hanseaten. Sie dachten sich Schwimmflügel, Wundpflaster, Cremes und sogar den Adventskranz aus.
Ganz schön plietsch sind Hamburgs Tüftler und Forscher. Zwar sind die Schwaben noch patenter. Aber nach Angaben des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft steht die Hansestadt bei den Patentanmeldungen in einem bundesweiten Ranking auf Platz 4 nach Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen.
Kamen auf 100.000 Einwohner in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr 132 Patentanmeldungen, waren es in Bayern 124, in Niedersachsen 47 und in Hamburg immerhin 44. Bahn brechende Innovationen haben in Hamburg seit langem Tradition, wie dieser Blick auf die besten Erfindungen aus Hamburg zeigt.
In Hamburg erfunden: Leukoplast
Innovationsgeist hat Tradition in einem Unternehmen, das auf den Apotheker Paul Carl Beiersdorf zurückgeht. Der Firmengründer, nach dem sich der Beiersdorf-Konzern benennt, revolutionierte 1882 die Wundversorgung, indem er Pflastermull erstmals mit einer Klebstoff-Schicht auf Guttapercha-Basis versah. Das Verbandspflaster Leukoplast war geboren. Das Unternehmen nahm einen solchen Aufstieg, dass Beiersdorf erstmals in Hamburg den 8-Stunden-Tag einführen und seinen Mitarbeitern kostenloses Mittagessen spendieren konnte.
Zigarettenfilter für die Massenproduktion
Die Geschichte einer glänzenden Erfinderkarriere symbolisiert auch das Lebenswerk von Kurt A. Körber (Hanseatische Universelle "Hauni"). Der Techniker startete bescheiden in einer Telefonzelle am Dammtorbahnhof. Mehr als 60 Jahre später macht die Körber AG Millionenumsätze. Zu verdanken ist das insbesondere einer Erfindung, mit der die Körber-Ingenieure 1956 weltweit für Furore sorgten: Sie entwickelten den Filteransetzer Max und schafften so den Einstieg in die Massenproduktion von Filterzigaretten. "Heute steht der Name Hauni als Synonym für den erfolgreichsten Systemanbieter für die tabak- verarbeitende Industrie", heißt es stolz bei der Körber AG.
MRC-Röhre
Die Entdeckung der Röntgenstrahlen war im 19. Jahrhundert eine Sensation. Bis heute werden sie in der Röntgenröhre für diagnostische Zwecke in der Medizin erzeugt. Eine der modernsten produziert die Hamburger Philips Medical Systems DMC GmbH mit Sitz in der Röntgenstraße: Die Metall Rotalix Ceramic, kurz: MRC-Röhre. Es war der Hamburger Glasbläser Carl Heinrich Florenz Müller, der gemeinsam mit Ärzten die erste Röntgenröhre baute. 1901 ehrte ihn die Röntgen-Society London dafür mit der Goldmedaille. "Röntgenmüller" produzierte im Jahr 1909 bereits 6600 Röntgenröhren und verkaufte sie weltweit. 1927 übernahm Philips "Röntgenmüller" und bündelte die Entwicklung und die Produktion von Röntgenröhren in Hamburg. Müller ist auf dem Ohldorfer Friedhof beigesetzt.
Nivea und Labello
Sonnenhungrige Urlauber mit nicht vorgebräunter Haut sollten unbedingt "Nivea Feuchtigkeits-Sonnenmilch LF 20" mitnehmen. LF 20 steht für Lichtschutzfaktor 20, der den UV-Strahlen der Sonne so drastisch Paroli bieten kann, dass die Reise auch ins strahlengefährdetere Australien gehen könnte.
Die Wirksamkeit der "Nivea Feuchtigkeits-Sonnenmilch LF 20" hat der Hamburger Apotheker Heiner Gers-Barlag vor zehn Jahren am eigenen Leib ausprobiert. Er ist Abteilungsleiter bei Beiersdorf in Hamburg und gewissermaßen der "Erfinder" dieser Sonnenmilch. Natürlich ist sie auch patentiert, eines von mehr als 100 Patenten des Hamburger Lichtschutz-Papstes - unter der Nummer DE 199 10 477 beim Deutschen und unter 1 034 778 beim Europäischen Patentamt. Und wer es noch nicht weiß: Auch die Nivea-Creme ist eine Hamburger Erfindung. 1890 hatte der Apotheker Oscar Troplowitz das Laboratorium von Paul C. Beiersdorf in Altona gekauft und zu einem internationalen Unternehmen ausgebaut, der späteren Beiersdorf AG. Er etablierte Marken wie Nivea und Labello. Schnell war damals auch ein weiteres Produkt geboren:
Tesafilm
Die tesa-Erfolgsgeschichte begann mit der zunächst missglückten Entwicklung des Wundpflasters. An diesem arbeitete der Apotheker Paul C. Beiersdorf, als Troplowitz das Labor des Unternehmensgründers 1890 übernahm. Das Wundpflaster klebte hervorragend, reizte aber die Haut. "Troplowitz machte aus der Not eine Tugend und brachte 1896 das erste technische Klebeband auf den Markt", heißt es auf der tesa-Website.
Schwimmflügel
Sie hat der im Jahr 2000 verstorbene Hamburger Bernhard Markwitz, ein Kaufmann und Rettungsschwimmer, erfunden. 1956 war seine dreijährige Tochter in einen Goldfischteich gefallen und fast ertrunken. So entwickelte und produzierte er eine Schwimmhilfe, die das Schwimmen vor allem für Kinder sicherer machen sollte als die bis dahin üblichen Schwimmringe aus Kork. Unter dem Markennamen "BEMA" (für Bernd Markwitz) wurden sie millionenfach verkauft. Seit dem Jahre 2000 gehört das BEMA-Unternehmen zur Fridola Gruppe.
Adventskranz
Bald ist Weihnachten, und mit dem Adventskranz geht es langsam los. Auch der ist eine Hamburger Erfindung. Es war der Sozialreformer Johann Hinrich Wichern (1808-1881), der seine Jungs aus den Problemvierteln in Hamm und Horn im Jahr 1839 mit einem Holzrad überraschte. Darauf hatte der Gründer des Rauhen Hauses vier große weiße und 20 kleine, rote Kerzen befestigt. Während die weißen jeweils an den vier Adventssonntagen leuchten sollten, symbolisierten die roten das tägliche Warten bis zum Heiligen Abend. So konnten die Kinder auch das Zählen üben.
Später wurde das Arrangement mit reichlich Tannengrün ergänzt, schließlich gilt diese Farbe als Zeichen der Hoffnung. Bis heute ist das Entzünden des Adventskranzes, der meist nur noch aus vier Kerzen besteht, für viele Menschen ein lieb gewordenes Ritual. Im schnellen Takt der Zeit strukturiert eine brennende Kerze das besinnliche Warten auf Weihnachten.